Katja Werker und ihr Album "Magnolia"

Poesie mit Gitarre und Ukulele

Katja Werker bei einem Auftritt im Jahr 2001
Die Songs auf "Magnolia" hat Katja Werker selbst arrangiert, aufgenommen, gemischt. © imago/BRIGANI-ART
Von Holger Beythien · 25.04.2018
Nachdenkliche Texte, tiefe Einblicke: Katja Werker zählt zu den interessantesten Singer-Songwriterinnen Deutschlands. Und mit ihrem Album "Magnolia" wagt sie nicht nur einen neuen musikalischen Schritt.
Es ist ihre markant-zerbrechliche Stimme, die uns zwingt, hinzuhören. Es sind die feinen Nuancen ihrer Lyrik, die uns reizt, zuzuhören. Es ist Katja Werkers originelles Songwriting, das mich, seit sie Musik macht, immer wieder aufs neue verblüfft.
"Zorn in meinem Kopf" ist eines der gelungensten Lieder des neuen Albums Katja Werkers und könnte in seiner musikalischen Anmutung und textlichen Ausrichtung stellvertretend für das ganze Album stehen: Selbstreflexionen über das Ringen mit sich selbst, über die seelischen Wunden, die vernarben und doch nie heilen, über die Kunst, hinter sich zu lassen, was einem einst lebenswert erschien.
"Ich werde jetzt bald 50, merke ganz klar, dass da jetzt ein neuer Lebensabschnitt für mich beginnt. Das macht etwas Angst manchmal, weil ich ja auch nicht weiß, was auf mich zukommt. Und ‚Mut für den Neuanfang‘ ist eben dieser Anblick der Magnolie, dass ich mich darauf verlassen kann, dass die Dinge aus sich heraus, von innen nach außen sich erneuern, auch ich immer wieder neu. Es ist im Grunde eine tägliche Entscheidung, ein täglicher Neubeginn. Sich für das eine oder andere zu entscheiden. Positiv, negativ. So auf dieser Ebene spielt sich mein Albumtitel für mich ab."

Eine Welt voller Niederlagen und Siege

Spätestens mit ihrem Album "Neuland" hatte die musikalische Autodidaktin 2011 tatsächliches Neuland betreten: Nach drei englischsprachigen Alben veröffentlichte sie damals erstmals ein rein deutschsprachiges Album. Und das mit Texten, die viel von der Musikerin preisgeben. Bis heute ist die Hauptperson in ihren Liedern sie selbst. Stellt sich uns als Gefährtin vor, die bereitwillig anbietet, uns mitzunehmen in ihre ganz eigene Welt voller Niederlagen und Siege. Öffnet ihr Herz. Weit. Vielleicht manchmal zu weit?
"In dem Moment, in dem ich den Song schreibe, stellt sich diese Frage eigentlich nicht für mich. Also Songschreiben ist ja so ein künstlerische Zustand, vielleicht vergleichbar mit Bilder malen oder tanzen oder so. Da schaltet man ja den Kopf ganz ab und das ist auch gut so. Also man muss ja schon so ein bisschen Vertrauen haben in sich und in die Leute, die die Musik nachher hören. Natürlich tut gehässige Kritik auch weh, aber ich bin glücklicherweise davon weitgehend verschont geblieben. Muss sagen, ich habe ein unheimlich nettes Publikum, die da gerade schätzen an mir, dass ich da mein Herz öffne und meine Gefühle auch zeige. Oder singe, wie’s mir geht und deswegen kommen die Leute ja auch ins Konzert. Deswegen mache ich mir darüber also nicht so viele Sorgen."
Auch auf "Magnolia" fallen der ausgewogene Sound und die teils recht sparsamen, dafür umso mehr die Lieder stützenden Arrangements auf. Hier ist nichts zu viel, wird nichts aufgebauscht oder wegreduziert.

Wie schon das Vorgängeralbum "Lieder vom Küchentisch" 2014 hat Katja Werker auch die Songs für "Magnolia" alleine arrangiert, aufgenommen, gemischt und gemastert. Und Selfemade-Woman noch nicht genug, dann auch noch im eigenen Plattenlabel Küchentisch Productions veröffentlicht. Mehr Freiheit geht nicht. Aber auch nicht mehr Risiko. Und doch war es ein bewusster Schritt.

"Dann mache ich es jetzt halt selbst"

"Ich stand dann 2014 nach etlichen Gastspielen bei etlichen Plattenfirmen alleine da und ich hatte dann die Möglichkeit, entweder die Flinte ins Korn zu werfen und aufzugeben oder zu sagen: Dann mache ich es jetzt halt selbst. Auf etwas Erfahrung konnte ich ja schon zurückgreifen und in den Rest habe ich mich so reingefuchst über die letzten Jahre. Und das hat mir auch total großen Spaß gemacht, zu merken, dass ich das auch kann. Man traut den Frauen ja technisch leider noch nicht so richtig viel zu, gerade in dieser doch sehr männerdominierten Musikbranche. Und das ist für mich natürlich eine unheimliche Reise, weil ich wusste, dass ich es kann, aber ich musste es mir selber erlauben."

"Die Gitarre passt in einen Koffer" ist eines der vielen Lieder Katja Werkers, die tatsächlich Erlebtes reflektieren. Denn wenn sie auf Tour geht, dann nur mit Gitarre und Ukulele. So kam es auch zu einer Begegnung mit zwei Liedermacherinnen der jüngeren Generation. Ein Abend, der Katja Werker inspirierte, dieses sehr persönliche Lied zu schreiben über ihr Selbstverständnis als Liedermacherin überhaupt. So ist dieses Lied …
"… nach einem Konzert mit Cynthia Nickschas und Nadine Fingerhut entstanden, als wir zu dritt so eine Art ‚Ladiesabend‘ gegeben haben in Dortmund. Und das war ein so schöner Abend, und es herrschte auch so eine Harmonie zwischen uns drei Frauen, wo wir so unterschiedlich sind jede für sich, waren wir irgendwie doch aus dem gleichen Holz geschnitzt. Also es herrschte keine Konkurrenz hinter der Bühne, diese Stutenbissigkeit, mit der ich gar nichts anfangen kann. Und das war so eine schöne Energie, dass ich diesen Song halt geschrieben habe. Weil, das hat mich ganz doll berührt, wie die beiden da hinter der Bühne saßen, auf den Auftritt warteten, wie verletzlich und stark gleichzeitig."
Stark und doch verletzbar sein. Faszination der Gegensätze. Katja Werkers neues Werk schafft den Spagat zwischen Selbstreflektion und Allgemeingültigkeit, ohne dabei abgehoben und damit unglaubwürdig zu werden. Ihre Sprache findet poetische Bilder für Seelenzustände, die wir zwar alle kennen, selten aber so benennen könnten, wie Katja Werker es tut.