Katholikentag

Plädoyer gegen Lebensmittelverschwendung

Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt (CSU), bei einer Konferenz in Rostock-Warnemünde
Die Verschwendung von Lebensmitteln sei eine Mentalitätsfrage, sagt Christian Schmidt. © picture-alliance / dpa / Bernd Wüstneck
Christian Schmidt im Gespräch mit Nana Brink · 30.05.2014
Bundesagrarminister Christian Schmidt hat zu einem weniger verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln aufgerufen. Nur weil etwa das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen sei, könne etwas trotzdem noch gut sein, betonte der CSU-Politiker am Freitag im Deutschlandradio Kultur.
Nana Brink: Geht es Ihnen auch so, dass man ganz hinten im Kühlschrank noch den verwelkten Salat entdeckt oder den Joghurt, der vielleicht gestern abgelaufen ist, oder die übrig gebliebene Pizza von gestern? Und nicht selten befördern wir sie dann in den Mülleimer, vielleicht mit ein wenig schlechtem Gewissen. Hochgerechnet wirft jeder von uns pro Jahr durchschnittlich 82 Kilo Lebensmittel weg, das sind zwei voll bepackte Einkaufswagen. Unser tägliches Brot frisch auf den Müll? – Fragt deshalb der Katholikentag, der noch bis Sonntag in Regensburg stattfindet, auf einer Podiumsveranstaltung heute und will nicht nur aus christlicher Perspektive über unsere tägliche Lebensmittelverschwendung diskutieren. Auf dem Podium gleich sitzt auch Christian Schmidt von der CSU, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Einen schönen guten Morgen, Herr Schmidt!
Christian Schmidt: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Wie oft passiert es Ihnen denn, dass Sie etwas wegwerfen müssen?
Schmidt: Das passiert natürlich auch. Aber nachdem ich mich auch mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum ja beschäftige und auch Position dazu habe, würde ich zu dem Fall des Joghurts, den Sie gerade angesprochen haben, sagen, essen! Nur weil das MHD abgelaufen ist, das ist ja die falsche Einschätzung, ist das immer noch gut. Und es gibt den berühmten sensorischen Test, den jeder von uns macht, da merkt man dann, wenn es nicht mehr geht. So weit muss es nicht kommen ...
Brink: Also einfach aufreißen und gucken!
Schmidt: Also auch bewusst essen und bewusst auch beurteilen und sich nicht einfach nur durch Zahlen durch das Essen steuern lassen!
Brink: Warum werfen wir so viel weg?
"Ein Resultat unserer Überflussgesellschaft"
Schmidt: Ist, glaube ich, schon eine Mentalitätsfrage. Deswegen würde ich auch zu kurz greifen, wenn ich sage, ich will das mit Gesetz und Verordnung regeln. Man kann auf die Generationen der Vergangenheit, meine Großmutter hat nie was weggeworfen. Und das scheint auch ein Stück schon – auch wenn es stereotyp klingt - ein Resultat erstens unserer Überflussgesellschaft zu sein und zum Zweiten, dass der Bezug zur Urproduktion, zu dem, wie etwas, wie Lebensmittel entstehen, nicht mehr da ist. Keiner weiß das, es sei denn, er ist auf dem Land. Und anderer kauft das halt im Supermarkt und es hat da zu sein, hat billig zu sein und hat immer verfügbar zu sein. Das ist, glaube ich, eines der Mentalitäts- und Erkenntnisprobleme.
Brink: Also ist es Ausdruck unserer Wegwerfgesellschaft, verbinden wir damit gar nicht mehr, dass wir dann ja eigentlich auch Geld wegwerfen?
Schmidt: Solange genügend Geld da ist, um es wegzuwerfen, wenn ich das zynisch sagen darf, verbinden wir das damit nicht. Diejenigen, die mit dem Geld sehr viel mehr rechnen müssen, die rechnen auch damit. Wir haben ja auch eine Bewegung oder eine Gruppe von Leuten, die aus dem, was andere nicht mehr wollen, leben müssen, die Tafel-Bewegung ist nichts anderes als eine vernünftige Antwort darauf, dass wir oft gedankenlos unsere Lebensmittel viel zu schnell wegwerfen und sie nicht wertschätzen.
Brink: Sie haben es schon angesprochen, Sie wollen dem nicht mit Verordnungen beikommen. Wie kann man denn mehr Bewusstsein schaffen für Lebensmittel, ohne immer gleich den Vergleich – ich sage es mal –, den ich immer noch so aus meiner Kindheit denke: Denk mal an die armen Kinder in Afrika!
"Das bewusste Publikum ansprechen"
Schmidt: Ich habe die Initiative "Zu gut für die Tonne" weiter gefördert – man muss das heute mit App machen. 580.000-mal ist diese App bereits runtergeladen worden, die Vorschläge dafür gibt, wie man mit Resten von Lebensmittel beispielsweise auch Gerichte zubereiten kann, die nicht für die Superdekoration beim Dreisternekoch, aber schmackhaft und gesund sind. Also, Initiativen, auch ein Stück Appelle. Und ich nehme gern große Veranstaltungen, wertgebundene Veranstaltungen wie den Deutschen Katholikentag, auf den Sie angesprochen haben, wo wir heute gerade das bewusste Publikum ansprechen wollen in der Hoffnung, dass das den einen oder anderen mitzieht. Das sind Themen, die werden am Küchentisch und im Familiengespräch entschieden und nicht in den Sitzungssälen der Parlamente oder der Regierungen.
Brink: Werden sie nicht auch in Schulen entschieden, muss man da nicht auch ansetzen?
Schmidt: Absolut. Das heißt, dass wir beispielsweise mit dem Schulobstprogramm ... Gerade habe ich ein Gesetz gemacht, Schulobstprogramm mit Unterstützung für Schulen, die jeden Tag den Kindern ein frisches Gemüse, frisches Obst geben in den Kindergärten, durch Schnippelkurse die Möglichkeit, das Verständnis dafür zu haben. Ich habe selbst jetzt auch schon da mitgemacht und mir das ansehen und festgestellt, da ist ...
Brink: Sie haben auch geschnippelt?
"Ich will natürlich eine Breite der Bewegung"
Schmidt: Ich habe auch geschnippelt und wir haben gemeinsam dann Süßkartoffeln von Auberginen unterschieden und das hat auch Spaß gemacht! Ich will auch nicht, dass das nur oberlehrerhaft rüberkommt, die Bewegung in Form nennen wir das und das ist unsere große Bewegung, die auch beispielsweise Schulküchen mit umfasst. Wir haben einen Wettbewerb auch mit dem tollen Koch, mit Tim Mälzer, der unterstützt uns, und die Schulklassen, die sich besonders hervortun, kriegen dann auch eine Auszeichnung. Ich will natürlich eine Breite der Bewegung, das ist sozusagen Breitensport und kein Spitzensport, aber wir brauchen auch Persönlichkeiten, die sich für solche Themen interessieren. Deswegen bin ich gerade in Vorbereitung, eine Gruppe von Botschaftern der Verwendung von Lebensmitteln zu werben, um dann mit einer größeren Kampagne auch bei uns Bewusstsein zu schaffen.
Brink: Es ist ja immer gut, wenn man dann mit gutem Beispiel vorangeht. Haben Sie denn schon Konsequenzen auch für Ihr Ministerium getroffen?
Schmidt: Ja, das Ministerium ist da allerdings nicht ein besonders tiefer Boden. Ich habe festgestellt, es wird - jedenfalls auf meiner Ebene - relativ wenig mit Lebensmitteln umgegangen. Und der Minister muss eigentlich eher dafür sorgen, dass wir genügend haben! Nein, Spaß beiseite, unsere Kantine hat sich darauf ausgerichtet, ich habe auch alle anderen Ministerien, alle öffentlichen Einrichtungen auch auf Landesebene angeschrieben und gebeten, dass sie für bewusste Nutzung von Lebensmitteln auch besondere Vorkehrungen treffen mit Beispielen und Vorschlägen, wo es eine ganze Reihe gibt. Und habe eine ganz gute Resonanz bisher darauf.
Brink: Vielleicht müssen Sie da einfach mal mit Messer und Gemüse vorbeikommen! Herzlichen Dank, Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft! Und heute geht es auch auf dem Katholikentag um die unsere tägliche Lebensmittelverschwendung.
Schmidt: Danke!
Brink: Vielen Dank, Herr Schmidt, und viel Spaß in der Diskussion!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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