Karrieresprungbrett Kunstverein

Christian Jankowski im Gespräch mit Jürgen König · 14.07.2010
Bereits als Student begann sich Christian Jankowski im Hamburger Kunstverein zu engagieren. Die Arbeit habe ihn im "Denken und Handeln über Kunst" beeinflusst und brachte ihn als Künstler ins Gespräch, sagt Jankowski im Rückblick.
Jürgen König: Der Kunstverein – das ist ein deutsches Phänomen. Nirgends sonst gibt es Kunstvereine in einer solchen Fülle, historisch gewachsen, hervorgegangen aus der Begeisterung Einzelner für die Kunst, und das hieß schon immer, für die Gegenwartskunst. Entstanden aus bürgerschaftlichem Engagement haben die Kunstvereine wesentlich geholfen, die Kunst ins Gespräch zu bringen, haben zum Beispiel die ersten Einzelausstellungen von Gerhard Richter oder Siegmar Polke organisiert, haben auch zum internationalen Erfolg vieler deutscher Künstler Großes geleistet. Auch Christian Jankowski – Jahrgang 68, dem Gedanken der Konzeptkunst folgend, bekannt geworden als Aktionskünstler, mit Performances auch und Videos –, auch Christian Jankowski also verdankt Kunstvereinen sehr viel, was genau, soll er uns jetzt erzählen. Guten Tag, Herr Jankowski!

Christian Jankowski: Hallo, guten Tag!

König: Welche Rolle haben Kunstvereine in Ihrem Leben gespielt und spielen sie noch?

Jankowski: Ich habe ja in Hamburg studiert, Anfang der 90er ging das los, und habe dann den Stefan Schmidt-Wulffen, der damals der Direktor vom Kunstverein in Hamburg war, in der Hochschule kennengelernt, der so interessante Vorträge gemacht hat, aber auch gleichzeitig zwischen Hochschule und Kunstverein auch ... toll war eben, so Brücken geschlagen, nicht nur, dass Leute, die dann studiert haben bei uns, auch da gejobbt haben und da bei Ausstellungen mit aufgebaut haben – das habe ich auch teilweise gemacht –, aber der war auch gleichzeitig dabei, eben eingeladene Künstler, die da im Kunstverein ausgestellt haben, an die Akademie zu bringen und dort dann mit denen zusammen entweder Vorträge zu halten, sich aber auch Studentenarbeiten anzugucken. Und eigentlich war mein Glücksfall, dass dann irgendwann der Paul McCartney vorbeikam, zusammen mit dem Stefan, und die sich so verschiedene Arbeiten anguckten und ich ein ganz anregendes Gespräch hatte mit dem Paul über meine Arbeit, und auf einmal meinte dann der Stefan: Ja, du musst mal bei mir vorbeikommen, wir müssen auch noch mal ein bisschen reden. Und das war eigentlich der Beginn für mich für eine sehr lang anhaltende ...

König: ... wunderbare Freundschaft.

Jankowski: ... ja, Freundschaft, die einerseits fast so ein Verhältnis noch ... Lehrer-Schüler-Verhältnis hatte, weil er mir auch Tipps gegeben hat für Sachen oder dieses ganz strakte Nachverfolgen der Konzeptkunst auch in Frage gestellt hat und so ein bisschen ... Also, er hat so mehr Spiel reingebracht als Professoren von mir wie der Franz Erhard Walther, der da doch natürlich auch eine andere Generation war. Man spürt durch so jemanden wie den Stefan Schmidt-Wulffen, der ja unglaublich nah auch an der zeitgenössischen Bewegung da dran war.

König: Also, es waren immer einzelne Persönlichkeiten, die Sie da weitergebracht haben?

Jankowski: Ja, natürlich kriegt man dann irgendwann durch zum Beispiel einen Kunstverein die Chance, irgendwo da auszustellen, aber es geht ja auch allein darum, dass einen jemand ins Gespräch bringt. Ich erinnere mich, dass dann irgendwann nur so eine Arbeit von mir auch ... In einem Interview damals, glaube ich, im Kunstforum erwähnte Stefan Schmidt-Wulffen eben die Arbeit, ganz frühe Arbeit, mit der Jagd, wo ich im Supermarkt da die Sachen aus den Regalen schieße.

König: Den Pfeil schießen.

Jankowski: Und da hat er noch nicht mal meinen Namen genannt in diesem Interview, was da mit ihm geführt worden ist, und gleich daraufhin riefen bei ihm dann zig Leute an, ja, wer wäre denn das gewesen? Und so habe ich dann die ersten Kontakte auch mit dem Stefan Kalmer, der ja ... der macht ja immer noch den Münchner Kunstverein. Also, Stefan Kalmer oder auch verschiedene Kuratoren und Kritiker kamen darauf irgendwie auch mit mir überhaupt ins Gespräch. Und so eine Art von Promoten oder auch Ins-Gespräch-Bringen, das passiert eben über so ganz kleine, feine Brücken am Anfang und das muss nicht gleich eine große Einzelausstellung sein, die da passiert, können auch einfach nur eben so eine Kontaktaufnahme sein mit Künstlern wie Philippe Parreno oder Dominique Gonzalez-Foerster, alles Leute, die damals da im Kunstverein Hamburg was gemacht haben, die für mich irgendwie sehr einflussreich waren und mich auch beeinflusst haben in dem Denken und Handeln über Kunst.

König: Und heute, was können Sie heute in einem Kunstverein machen, was im, sagen wir, normalen Museumsbetrieb nicht geht?

Jankowski: Es gibt eine große Manpower, also ein Einsatz von Menschen, die ja eigentlich dabei sind, die Kunst nach vorne zu treiben und neue Arbeiten zu produzieren. Das fand ich immer auch eine besondere Chance im Kunstverein: unheimlich tatkräftige Unterstützung von Triebtätern.

König: Kann man sagen, dass es so einen Gegenpol gibt, hier die Museen, die großen Tanker, da die kleineren Kunstvereine, die vielleicht wendiger sind, auch sich mehr einfallen lassen müssen mangels großer finanzieller Möglichkeiten?

Jankowski: Also, man kann jetzt natürlich auch nicht jeden Kunstverein mit jedem Kunstverein vergleichen. Manchmal ist man auch ... Wenn man in den Kunstverein geht, hat man auf einmal auch ein Umfeld da, wo man spürt: Eigentlich könnte da mal gelüftet werden. Wenn das Ganze zu stark zu einem Lokalverein wird, dann finde ich das immer ein bisschen schade, weil es eigentlich auch mit dem fehlenden Austausch von Informationen und Informationsfluss, was eigentlich diskutiert wird, und woanders passiert manchmal ... Wenn man das vermisst an einer Stelle, dann finde ich es auch gerechtfertigt, dass man sagt, hört zu, guckt mal, dass ihr eben auch ein breiteres Publikum ansprecht und vielleicht ein anderes Publikum als dieses kleine Publikum, was ihr bis jetzt auch schon seit 30 Jahren angesprochen habt.

König: Gibt es denn aus Ihrer Sicht in Deutschland mehr Kunstvereine, die diesem Klischee des Altehrwürdigen entsprechen, oder gibt es auch sehr viele Kunstvereine mittlerweile, die eben nicht mehr vorrangig aus älteren Herrschaften bestehen, sondern die wirklich sich der Szene zugewandt haben, die sozusagen hippe Kunstvereine geworden sind?

Jankowski: Ja, auf jeden Fall deutlich mehr. Also, ich meine, wenn man sieht, was in Stuttgart gemacht wird, da der Kunstverein, das finde ich auch ein tolles Beispiel dafür, dass da immer wieder super Ausstellungen laufen. Auch Wiesbaden hatte ich, glaube ich, vor einem Jahr ungefähr mal eine Ausstellung im Kunstverein. Auch da totale Überraschung, was für ein Programm dort gemacht wird und auch mit was für einem Einsatz der Mitarbeiter, ich meine, die Direktorin wird noch nicht mal bezahlt für ihren Job, wenn man sich das überlegt. Das habe ich auch erst nach zwei, drei Monaten der Zusammenarbeit festgestellt, dass die parallel die ganze Zeit noch einen zweiten Job machte, obwohl ich sie da permanent mit E-Mails oder mit irgendwelchen Fragen belästigt habe. Und irgendwie berührt das, wenn man merkt, dass da jemand so was ins Rollen bringt und das gleichzeitig so ehrenamtlich durchzieht und so viel auf die Beine stellt an zwei Seiten.

König: Ist der Kontakt zum Publikum in den Kunstvereinen ein anderer als im Museumsbetrieb für Sie?

Jankowski: In einem Museum hat man eher mit viel mehr Menschen dann zu tun, wenn so eine Eröffnung ist. Ich würde sagen, dass sich vielleicht ein bisschen mehr die Politik mit Museen und so weiter schmückt als das bei Kunstvereinen der Fall ist. Also, Politik und Wirtschaft ist natürlich dann doch ein größeres Renommee, in einem Museum ... oder ein Museum zu unterstützen als jetzt einen kleinen Kunstverein.

König: Das könnte im Umkehrschluss heißen, dass Sie als Künstler in Kunstvereinen weniger Rücksichten nehmen müssen, kulturpolitische Rücksichten zum Beispiel, als in größeren Häusern.

Jankowski: Ja, das kann durchaus sein. Das ist natürlich auch immer wieder als Künstler eine große Herausforderung, zu sehen: Wie weit kann man so ein Museum auskitzeln und provozieren, vielleicht was anderes zu wagen?

König: Deutschlandradio Kultur, im Rahmen unserer Gesprächsreihe über die Kunstvereine in Deutschland sprechen wir heute mit dem Künstler Christian Jankowski über die Bedeutung, die Kunstvereine für ihn hatten und noch haben. Herr Jankowski, viele Kunstvereine leiden darunter, dass sie immer weniger Mitglieder haben. Entsprechend gibt es weniger Geld, weniger Ausstellungen, weniger Veranstaltungen. Entsprechend wird in vielen Kunstvereinen heute, ja, sagen wir, schneller gearbeitet, eben mit wenig Geld. Ist dieses Krisenmodell ein notwendiges Übel oder vielleicht auch eine Herausforderung für die Kunstvereine, um nicht zu sagen, eine Chance?

Jankowski: Ja, ich denke, es ist beides. Die haben natürlich jetzt auch eine gute Entschuldigung, dass man sagt, man kann nicht mit Geld protzen. Die können auch jedem Künstler jetzt sagen, hör zu, du kriegst diese Ausstellung dort und dort, aber wir haben nicht viel Geld, also entweder, du fragst deine Galeristen oder deine Sammler, ein bisschen mitzuhelfen. Aber im Großen und Ganzen bringt das natürlich eine ganz spannende Unterhaltung in diese ganzen Beziehungen da rein und letztendlich ist Geld ja auch noch nie eine Garantie gewesen für gute Kunst.

König: Unbedingt.

Jankowski: Klar. Man konnte beeindrucken ... Natürlich, wenn man populistische Zahlen anguckt, wahrscheinlich beeindruckt man tatsächlich und kriegt mehr Zuschauer rein, jede Propaganda-Arbeit, die irgendein PR-Manager macht für so ein Museum, schafft natürlich in gewissem Sinne mehr Aufmerksamkeit und in dem Sinne auch mehr Besucher. Aber ich glaube eben nicht, dass das der einzige Weg ist, ich glaube, es geht genau darum, in dieser, nennen wir es Krise einen Ausweg und eine kreative Möglichkeit zu finden, den Spielplatz Kunstverein doch auszufüllen und den irgendwie zum vibrieren zu kriegen. Und ich glaube, dass diese Chance besteht, wenn man eben aus den alten Routinen da raus laufen muss und mal gefragt ist, mal anders damit umzugehen.

König: Spielplatz Kunstbetrieb, sagen Sie – das heißt, auch der Künstler wird unter größeren Druck gesetzt durch diese Notlage?

Jankowski: Der Druck würde für mich mit der Arbeit nicht unbedingt dadurch geringer werden, wenn ich jetzt ein größeres Budget habe. Ich meine, der Druck für den Künstler ist doch eigentlich nur der, in der gegebenen Situation immer das rauszuholen, was die Situation sich bietet. Der kann ja jetzt nicht komplett neue Mittel erfinden. Der guckt sich das an, ... Der Maler wird sich seine Leinwand immer noch leisten können und den Transport von A nach B kriegt man auch noch irgendwo hin. Größere Installationen – da muss man eben gucken, wen man erreichen kann in dem Umfeld. Natürlich ist es jedes Mal auch dadurch, dass man eine Institutionsausstellung hat, gibt es einen Anlass dazu, in Kommunikation mit bestimmten Partnern zu treten, weil man sagt, okay, hier sieht man es hinterher, hier zelebrieren wir hinterher ein großes Kunstereignis, seid ihr dabei oder nicht, wie sieht es aus? Und da kann man jetzt mit offenen Karten spielen, denn das ist ja kein Geheimnis, wie da die Finanzen stehen zurzeit.

König: Kann man sagen, dass die Kunstvereine in besonderer Weise ein, wie soll ich sagen, ein Beobachter des Kunstbetriebes sind, eben weil sie kleiner sind, beweglicher sind, auch sein müssen als die großen Museen?

Jankowski: Sicher, sie sind komplett nah am ... Puls der Zeit ist auch so eine abgetakelte Geschichte, aber es ist ja so. Ich meine, dadurch, wie ich schon zu Anfang erzählte, der Stefan Schmidt-Wulffen, der kommt da rein und hat einen Zwischenjob zwischen Kunstverein und Hochschule – natürlich kriegt der mit, welche Studenten da vielleicht noch interessant sind und natürlich ist der daran näher als jetzt ein Museumsdirektor, der viel mehr auch noch mit dem Repräsentieren, mit politischen Strukturen in der Stadt zu tun hat. Der hat nicht genau diese Aufmerksamkeit genau an den Schulen und an den Entstehungsorten, in der Art rumzuschnüffeln, wie das ein Kurator macht oder ein Direktor vom Kunstverein. Und das ist auch genau die Chance und auch die Aufgabe von dem Direktor vom Kunstverein. Und das Interessante ist auch: In so einer Landschaft von so vielen Kunstvereinen, wie es die in Deutschland gibt, sieht man doch: Unheimlich viele wandern doch durch, die wandern von dort aus in den nächsten Posten hoch. Das ist doch auch eine Art von Learning by Doing für sowohl die jungen Künstler, die da ausstellen, als auch für die Kuratoren, die dort vor Ort wirklich die erste Erfahrung machen dabei, so ein Haus zu managen.

König: Die Rolle der Kunstvereine für die Künstler, ein Gespräch mit dem Künstler und Professor an der Kunstakademie Stuttgart, mit Christian Jankowski. Ich danke Ihnen!

Jankowski: Danke! Tschüss!

Links bei dradio.de:

"Sehr, sehr knappe Etats" - Wie die Krise die Kunstvereine gefährdet

Vom alten Schinken bis zur Avantgarde - Bilder für den Bürger: Der Hamburger Kunstverein
Mehr zum Thema