Karikaturen des Alters

Von Eberhard Spreng · 29.09.2010
Luc Bondy zeigt zwei alte Liebende, die bei allen Differenzen nie ernsthaft die Regeln ihrer Beziehung verletzen. Sie bringen viel Energe auf gegen den Verdacht, ihr Leben in jämmerlichem Mittelmaß verbracht zu haben.
"Wir hatten einen Sohn", sagte die Alte, "Wir hatten keine Kinder" sagt der Alte. Beide sprechen zu unterschiedlichen Gästen und sind sich trotz ihres liebenvollen Umgangs doch in dieser entscheidenden Frage ihres Lebens nicht einig. Und das obwohl sie den Zuschauern wie eine eiserne Front bei der Herstellung einer Wirklichkeit erscheinen, mit der nur sie selbst Umgang pflegen: als Gastgeber hochgestellter Persönlichkeiten, als Übermittler einer womöglich menschheitserlösende Botschaft. Aber statt der Gäste sieht der Theaterzuschauer nur immer mehr: leere Stühle.

Gegen den Verdacht, sein Leben in jämmerlichem Mittelmaß verbracht zu haben, womöglich gescheitert zu sein, bringen die beiden Alten viel Energie auf. All das liest sich heute wie die zugegebenermaßen pointierte Metapher unserer Wahngesellschaft, die für jede Realitätsflucht eine passende Fantasietechnik bereithält. Die Geschichte hat das Absurde eingeholt, das Stück bekommt realistischere Züge.

Das behauptet auch Luc Bondy, den indessen vor allem die Rückkehr in die naive Kindlichkeit interessiert, die das Alter mit sich bringt. Mit Dominique Reymond und Micha Lescot hat er zwei relativ junge Schauspieler in einen von schwarzen Gazestoffen nur fadenscheinig eingerahmten kahlen schwarzen Spielraum geschickt, in dem am Anfang, wie als böse Vorahnung, zwei Galgenstricke von der Decke hängen.

Luc Bondy zeigt zwei Liebende, die bei allen Differenzen nie ernsthaft die Regeln ihrer Beziehung verletzen. Das Absurde, oder besser das Lächerliche, hat Bondy vor allem in die Körper verlegt. Wie gleich zu Beginn Gelenkbeschwerden beim Gehen aufdringlich vorgeführt werden, wie Dominique Reymond am Seil verschroben akrobatische Übungen vorführt, wie Micha Lescot mit zitternden Knien vor sich hin schlurft, wie er seine Stimme ins Falsett überschlagen lässt während sie unter einem schlecht angepassten künstlichen Gebiss zu leiden scheint, all das sind Karikaturen des Alters.

Dies nimmt vielen ihrer Wortwechsel das berührend Unschuldige, Naive, liebevoll Dumme und Bornierte. Alles ist Theater, alles theatralisch und damit unendlich weit weg: Am Ende erscheint hinter der rückseitigen Gaze plötzlich ein veritables Bühnenportal mit rotem Vorhang, und wenn sich vor den Beiden zum Schluss der Vorhang langsam senkt, dann gehen sie gewissermaßen nicht ins Jenseits, sondern in ihr ewiges Theater ein.