Kardinal Maradiaga: Kritiker eines ungebremsten Kapitalismus

Von Karla Sponar · 13.04.2005
In Honduras ist der 62-jährige Kardinal Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga als Kritiker eines ungebremsten Kapitalismus aufgefallen. Im Vatikan arbeitet er im Rat für Gerechtigkeit und Frieden mit. Der kompromisslose Verfechter einer "Option für die Armen" ist allerdings erst 62 und damit möglicherweise zu jung für einen Papst.
Der Salesianerpater Oscar Andrés Rodriguez Maradiaga liebt klare Aussagen –besonders zum Nord-Süd-Konflikt. Die harte Wirklichkeit in Mittelamerika drängt ihn dazu:

"Alle Versprechungen der neuen Wirtschaftsmodelle haben versagt … es ist eine Täuschung, ein Betrug. Die Realität … sieht so aus: Die Länder des Südens müssen ihre Märkte für die Güter der Industrieländer öffnen, wobei diese dann ihre Grenzen abschotten … und die Länder des Südens ausgrenzen."

Als das deutsche kirchliche Hilfswerk Misereor die Kampagne zum Schuldenerlass der Entwicklungsländer startete, übernahm Rodriguez Maradiaga gerne die Schirmherrschaft. Nicht nur die Wirtschaft, auch die Solidarität müsse sich globalisieren. Sonst bleibe die Welt ohne Perspektive, glaubt der Kardinal von Tegucigalpa.

Er weiß, wovon Kinder träumen und was Jugendliche bedrückt: Rodriguez unterrichtete an Schulen Chemie, Physik, Musik, studierte Klavier und Komposition, promovierte in Theologie. Der Wissensdurstige erwarb zusätzlich in Innsbruck ein Diplom in Psychologie und Psychotherapie und ist Mitglied in der Europäischen Gesellschaft für Verhaltenstherapie.

Ein dichter Lebenslauf, der die Beschreibung von drei Personen füllen könnte. In Guatemala wurde der spätere Professor für Moraltheologie anschließend Rektor eines Philosophischen Instituts, bevor er mit 35 Jahren die Bischofsweihe empfing.

In der spanischsprachigen Presse gilt er als orthodoxer Verfechter der römischen Glaubensgrundsätze. Doch wenn es um Politik geht, zieht er alle Register. Hans-Jürgen Dörrich von der Bonner Nichtregierungsorganisation "Jugend Dritte Welt" kennt den vitalen Mittelamerikaner persönlich.

"Er ist kein Kirchenmann, der abgehoben in einer hohen hierarchischen Position thront. Kardinal Rodriguez kann auch als Sprecher einer Umweltbewegung in Honduras eine Umweltdemonstration anführen. Es geht um die Lebenschancen der Menschen. Und wenn die bedroht sind, tritt er für sie ein."

Rodriguez Maradiaga wäre am liebsten Pilot oder Saxophonist geworden. Doch der Musikliebhaber, der eine handvoll Instrumente spielt und acht Sprachen spricht, sucht jetzt lieber Bodenkontakt. Täglich läuft er mindestens eine Stunde. Im Vatikan arbeitet er im Rat für Gerechtigkeit und Frieden mit. Er glaubt fest:

"Der politische Egoismus ist die wahre Ursache des Terrorismus. ... Die Kirche wird sich Herausforderungen wie z. B. der ungerechten Verteilung der Güter stellen müssen."

Der kompromisslose Verfechter einer "Option für die Armen" ist allerdings erst 62 und damit möglicherweise zu jung für einen Papst.
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