Kann eine Frau überhaupt regieren?

Wie sich Maria Theresia durchsetzte

Maria Theresia von Österreich auf einer zeitgenössischen Darstellung.
Maria Theresia von Österreich auf einer zeitgenössischen Darstellung. © Imago / Rust
Von Stefan May · 10.05.2017
Vor 300 Jahren ist Maria Theresia von Österreich auf die Welt gekommen. 40 Jahre lang regierte sie ihr Land - gegen den erbitterten Widerstand inbesondere des preußischen Königs Friedrich II. Zahlreiche Ausstellungen würdigen die Monarchin - dabei geht es auch um Geschlechterfragen.
Die Herrscherin im Kreise ihrer Familie, fast gemütlich – so sieht sie sich gerne, und so sieht man sie oft porträtiert. Ihr Gegenspieler: Preußenkönig Friedrich II., der kühl-sachliche Einzelgänger. Er spricht geringschätzig von der Frau auf dem österreichischen Herrscherthron. Offiziell ist ihr Mann Franz Stephan zwar der Kaiser des Habsburgerreiches, faktisch ist sie es jedoch, die regiert. Friedrich II. vermutet eine gute Gelegenheit: Kann eine Frau überhaupt regieren? Der Preußenkönig greift in Schlesien an, um seine Herrschaft auf ihre Kosten auszudehnen. Friedrich gegen Maria Theresia – ein Herrscher gegen eine Herrscherin. Werner Telesko, Kurator österreichischer Ausstellungen, beschreibt die Kaiserin und ihren härtesten Widersacher so:
"Auf der einen Seite ein sehr stark bellizistischer, militaristischer, sehr männlicher Zugang, der sehr stark vom Krieg gekennzeichnet ist, beim Preußenkönig. Und auf der anderen Seite eine Regentin, die durchaus männliche Eigenschaften, ja männliche Herrschertitel verkörpert, die aber eigentlich als Richtschnur für ihr Herrschertum eine Konstante einzieht, die in dieser Weise übergeschlechtlich ist, nämlich die katholische Religion."

Kompromissloser Katholizismus

Maria Theresia muss sich nicht nur gegen den Preußenkönig behaupten, auch andere Fürsten wittern ihre Chance und versuchen im Österreichischen Erbfolgekrieg, der Vertreterin des vermeintlich schwachen Geschlechts Herrschaftsgebiete zu entreißen. Die Religion als Wertmaßstab unterscheide Maria-Theresia von anderen männlichen Herrschern ihrer Zeit, sagt der Historiker Telesko. Juden werden weiterhin ausgegrenzt, Protestanten umgesiedelt oder müssen fliehen. Andere Bekenntnisse bekommen den kompromisslosen Katholizismus der Herrscherin zu spüren. Demgegenüber ist Friedrich II. ein Anhänger der Aufklärung, aber auch ein Machtpolitiker, der die vermeintliche Schwäche seiner Kontrahentin auszunutzen versucht.
"Gegen Ende des Lebens kommt aber auch Friedrich durchaus zur Erkenntnis, und zwar angesichts des Todes von Maria Theresia 1780, wo er dann schreibt: 'Grundsätzlich habe ich ihr große Hochachtung gezollt, auch während der kriegerischen Auseinandersetzungen. Ich bin nie ihr Feind gewesen.' Das heißt, selbst am Ende des Lebens, also vor 1786, als Friedrich stirbt, löst sich dieser Konflikt in gewisser Weise auf und die beiden Persönlichkeiten respektieren einander."

Die Schwiegermutter Europas

Trotz der Kriege zieht Maria Theresia aber die Heiratspolitik den Eroberungen durch Kampf vor. Sie selbst setzt zwar eine Liebesheirat mit Franz Stephan von Lothringen durch. Mehrere ihrer 16 Kinder, die sie traditionell und streng erzieht, zwingt sie aber zu politisch motivierten Eheschließungen. Man bezeichnet sie als "Schwiegermutter Europas". Mit der Zeit vermischen sich bei ihr die Ebenen von Familien-, Staats- und Landesmutter. Eine frühe "Mutti", wie man Angela Merkel nennt, sei sie aber nicht, sagt Werner Telesko.

Hören Sie hier auch unserer Besprechung zweier aktueller Biografien über Maria Theresia:
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"Merkel ist eben eine kinderlose Mutti und daraus resultiert auch ihr politisches Handeln. Das ist wahrscheinlich der Unterschied. Bei Maria Theresia ist sie ganz strikt abgegrenzt auch von manchen Frauen ihrer Zeit. Also mit politisch agierenden Mätressen wollte sie überhaupt nichts zu tun haben. Alles, was so tendenziell Weibchen-Charakter hat, jetzt im negativen Sinn, und sittenwidrig war und so hintenherum und nicht sozusagen den normalen Weg geht, das verursacht ihr letztlich große Probleme."

Amouröse Abenteuer des Gatten

Das mag damit zusammenhängen, dass ihr Gatte Franz Stephan amourösen Abenteuern mit anderen Frauen nicht abgeneigt war, wie eine andere Kuratorin von Maria-Theresia-Ausstellungen, Elfriede Iby, erzählt.
"Maria Theresia hat natürlich in ihrem Bestreben, alles zu kontrollieren, auch darüber Informationen erhalten. Und es gibt dann auch eine Aussage von ihr zu einer Hofdame, wo sie sagt: 'Heiraten Sie nie einen Mann, der nichts zu tun hat. Denn der kommt dann schnell auf Gedanken, die halt dann der ehelichen Treue nicht entsprechen.' Und diese Abenteuer gaben auch regelmäßig Anlass zum Streit. Aber schlussendlich hat sie sich damit dann auch arrangiert und ihn offenbar immer wieder zurückgeholt ins Boot. Und Franz Stephan hat sie sicher auch sehr geliebt, aber halt mit einem größeren Spielraum."
Er ist der eigentliche Kaiser des römisch-deutschen Reichs. Maria Theresia, die oft als Kaiserin bezeichnet wird, ist eigentlich nur Frau Kaiser. Eine Krönung lehnt sie ab, um nicht in einen Interessenkonflikt zu kommen. War sie trotzdem ein Machtmensch? Iby dazu:
"Das war sie ganz sicher, eindeutig, ja. Sie war etwas, was man heute als Kontrollfreak bezeichnen würde, sie wollte immer genau Bescheid wissen. Auch hinsichtlich der Familie, also sie wollte wo möglich nichts dem Zufall überlassen."

Merkel nicht unähnlich

In einer zeitweise extrem komplexen Konfliktlage versteht sie es, nicht die Orientierung zu verlieren und sich zu behaupten. Nur Schlesien bleibt für ihr Reich verloren. Da kommt dann doch wieder Angela Merkel ins Spiel. In ihrem von Vernunft geleiteten Pragmatismus ist die Kanzlerin der Kaiserin nicht unähnlich. Beide waren beziehungsweise sind in der Lage, Kritik, und Demütigungen abzuschütteln, um den eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende zu gehen. Mit einem gehörigen Maß an Strenge und Unduldsamkeit hinter den Kulissen.
Einer, der die beiden Frauen immer wieder in Zusammenhang bringt, ist der CSU-Politiker Peter Gauweiler. Er nennt Angela Merkel "die Maria Theresia der Uckermark", unüberhörbar spöttisch. Aber das ist wohl der Spott der Männer, die sich wundern über den Macht- und Selbstbehauptungswillen der beiden Herrscherinnen.
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