"Kampf der Kulturen" als Verkaufsschlager

Von Jörg Plath · 08.10.2007
Manche Idee ernährt einen Mann jahrelang. Der nordamerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington warnte 1993 in einem Zeitschriftenartikel vor einem globalen "Kampf der Kulturen". Das Echo war gewaltig, Huntington ließ drei Jahre später ein Buch folgen. Es wird bis heute diskutiert.
Denn Huntington hilft aus der Orientierungslosigkeit nach dem Ende des Kommunismus und der bipolaren Welt des Kalten Kriegs. Zudem erstarkt der Islam, China gewinnt Gewicht, und die Globalisierung lässt die Welt unübersichtlich werden. Daher orientierten sich die Menschen, so Huntington, stärker an Herkunft, Religion, Sprache, Werten, Sitten, Gebräuchen und traditionellen Institutionen. Kulturen dienten der Unterscheidung vom Anderen.

Sechs Kulturkreise identifiziert Huntington: den sinischen mit China, den japanischen, den hinduistischen mit Indien, den slawisch-orthodoxen mit Russland, den islamischen sowie den westlich geprägten mit den USA und der EU. Bei Afrika und Lateinamerika ist er vorsichtig. Diese neue multipolare und multikulturelle Welt gehe einher mit moralischem Verfall: asoziales Verhalten werde zu-, der Arbeitsfleiß und die Wertschätzung der Bildung abnehmen.

Auch wegen dieser konservativen Stoßrichtung ist Huntington oft kritisiert worden. Bei der Definition der Kulturkreise stützt er sich zudem mal auf die Kultur, mal auf die Religion, dann auf Sprache und Geographie. Nobelpreisträger Amartya Sen wunderte sich, dass Indien zum hinduistischen Kulturkreis zählen soll: dort würde die drittgrößte Zahl von Muslimen weltweit leben. Samuel Huntington reagiert auf die neuen Mischungsverhältnisse in einer globalisierten Welt - und möchte sie in einem "unausweichlichen Kampf der Kulturen" entmischen.