Kammermusikfestival Krzyżowa-Music

Frankophil in Niederschlesien

Musikerinnen und Musiker des Festivals Krzyżowa Music im Konzertsaal Kreisau
Musikerinnen und Musiker des Festivals Krzyżowa Music im Konzertsaal Kreisau © Geert Maciejewski/Krzyżowa Music
Moderation: Volker Michael · 23.10.2019
Zum fünften Mal fand im niederschlesischen Krzyżowa, vormals Kreisau, und in der Umgebung ein internationales Kammermusikfestival statt. In unseren zweiten Sendung mit Festivalaufnahmen gibt es Musik von Debussy, Vierne, Connesson und Panufnik.
Im polnischen Kreisau treffen seit fünf Jahren Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt zusammen und spielen in niederschlesischen Schlössern, Kirchen und Sälen Kammermusik auf höchstem Niveau. Das Programm dieses europäischen Musikfests wird vor Ort intensiv erarbeitet – die künstlerische Leiterin Viviane Hagner hat renommierte Musiker und aufstrebende Nachwuchskünstler eingeladen – "Seniors" und "Juniors" des Festivals Krzyżowa-Music leben und musizieren viele Tage miteinander, tauschen Erfahrungen auf Augenhöhe aus und erarbeiten zwanglos ein anspruchsvolles Programm – das amerikanische "Marlboro Festival" ist das Vorbild. Einige Marlboro-Musiker wie Judith Serkin und Shmuel Ashkenasi waren in den letzten Jahren als Lehrer dabei. Marlboro-Gründer Rudolf Serkin und das Kreisauer Ehepaar Helmuth James und Freya von Moltke kannten sich seit Jugendzeiten und waren miteinander bis zu ihrem Lebensende befreundet.

Dreimal französische Klangkunst

Rein musikalisch motiviert ist der zufällig französische Schwerpunkt unserer Programmauswahl an diesem Abend. Die Interpretation der Trio-Sonate von Claude Debussy in der akustisch beeindruckend klaren und vorteilhaften Dorfkirche von Grodziszcze (der Hauptort, zu dem Kreisau gehört) war überragend. Die flirrend impressionistische Klangwelt von Flöte, Viola und Harfe erhielt in diesem Gotteshaus eine spirituelle Dimension.
Zeitgenössische Aufnahme des französischen Komponisten Claude Debussy. Debussy wurde am 22. August 1862 in Saint-Germain-en-Laye geboren und starb am 25. März 1918 in Paris. | Verwendung weltweit
Zeitgenössische Aufnahme des Komponisten Claude Debussy© picture-alliance / dpa
Zu den meistgespielten französischen Gegenwartskomponisten gehört Guillaume Connesson. Sein Sextett von 1998 ist besonders spritzig und unterhaltsam und fordert von den Interpreten eine lockere Spielhaltung, was den Beteiligten beim Konzert Ende August im Konzertsaal von Kreisau bestens gelang. Sehr viel ernster und existentieller ist die Kammermusik von Louis Vierne, dem großen französischen Orgelmeister. Dass er auch veritable Kammerwerke geschrieben hat, ist außerhalb Frankreichs kaum bekannt. Sein Klavierquintett widmete Vierne seinem Sohn, der 1917 wegen seines Protestes gegen die Sinnlosigkeit des Krieges standrechtlich erschossen worden war.

Klingendes Katyn-Epitaph

Den Opfern des Massakers von Katyn hat Andrzej Panufnik das Orchesterwerk "Epitafium" zugeeignet. Er komponierte es im englischen Exil, als in Polen und ganz Osteuropa noch die wahren Schuldigen des Massakers an polnischen Offizieren verschwiegen wurden. Ausnahmsweise nicht die Nazi-Deutschen, sondern Stalins russische Schergen haben dieses Massaker begangen. Möglich wurde es als Folge des Hitler-Stalin-Pakts, der Russland und Deutschland wieder einmal Polen unter sich aufteilen ließ. Im 80. Jahr des Kriegsbeginns wollten die Initiatoren von Krzyżowa Music mit diesem Werk an das unselige Ereignis erinnern.

Starkes Vermächtnis

"Die Stärke Europas steckt in der Kraft seiner Kulturen!" Das steht in den Papieren des "Kreisauer Kreises" um die Familie von Moltke, der vor 76 Jahren ein Programm für ein vereintes Europa nach dem Nationalsozialismus formuliert hat und dessen Mitglieder dafür größtenteils mit dem Leben bezahlen mussten. Jetzt wurde bei Diskussionen und Vorträgen im Rahmen von Krzyżowa-Music an die Schicksale der Künstler erinnert, die besonders unter der Verfolgung durch die Deutschen und die Nazis zu leiden hatten. Werke solcher Komponisten sind regelmäßig im Programm von Krzyżowa Music vertreten.

Brücken bauen mit Musik und Geschichte

Krzyżowa ist heute ein kleines niederschlesisches Dorf, das wie kaum ein anderer Ort für Widerstand gegen Unrechtsherrschaft, für Austausch, Kultur und Europa steht. Zum fünften Mal treffen sich Musikerinnen und Musiker von fast allen Kontinenten in Kreisau, geben auf historischem Boden an ganz unterschiedlichen Orten Konzerte und leben damit den europäischen Gedanken. Zugleich feierte die Stiftung Krzyżowa-Kreisau ihr 30-jähriges Bestehen. Wir bieten an diesem Abend einen kleinen Ausschnitt aus dem reichhaltigen Programm des zweiten Wochenendes des Festivals.
Organisator Matthias von Hülsen, ein Spross der Familie von Moltke, möchte mit diesem Festival in schwieriger Zeit mithilfe der Musik Brücken bauen. Die Internationale Jugendbegegnungsstätte Krzyżowa/Kreisau bietet dafür ein hervorragendes Umfeld. Im fünften Jahrgang freuen sich von Hülsen und die künstlerische Leiterin, die Berliner Geigerin Viviane Hagner, vor allem über ein steigendes Interesse des deutschen Publikums. Für die Zukunft haben sich alle Verantwortlichen vorgenommen, auch die Beziehungen zur polnischen Musik- und Kulturszene und zu den einheimischen Medien auszubauen.
Krzyżowa Music Kammermusikfestival
Konzertsaal Krzyżowa
Pfarrkirche Grodziszcze
Aufzeichnungen vom 23. August bis 1. September 2019
Claude Debussy
Sonate für Flöte, Viola und Harfe

Susan Kang, Flöte
Karolina Errera, Viola
Amma Viechtl, Harfe

Guillaume Connesson
Sextuor (1998)

Amanda Taurina, Oboe
Pablo Barragán, Klarinette
Maciej Strzelecki, Violine
James Yoon, Viola
Alexander Arai-Swale, Kontrabass
Jonathan Zydek, Klavier

Louis Vierne
Klavierquintett c-Moll op. 42

Olivier Robin, Abigel Kralik, Violine
Luosha Fang, Viola
Oliver Herbert, Violoncello
Yannick Rafalimanana, Klavier

Andrzej Panufnik
Epitafium katyńskie (Katyń Epitaph) für Orchester

Krzyżowa-Music Orchester

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