Kammermusikfestival Intonations

Rixdorfer Ratten

Die Mitwirkenden des Eröffnungskonzerts von Intonations 2017 im Glashof des Jüdischen Museums Berlin
Die Mitwirkenden des Eröffnungskonzerts von Intonations 2017 im Glashof des Jüdischen Museums Berlin © Volker Michael
26.04.2017
Vor neunzehn Jahren hätte niemand geglaubt, dass das möglich ist: In der Stadt Jerusalem, die von religiösen Eiferern und politischem Starrsinn geprägt wird, ein Festival zu gründen, das allein der Kammermusik gewidmet ist und nur die Klänge, nicht irgendeinen Kontext zum Gegenstand eines rauschenden, und zugleich anspruchsvollen Festes macht. Und vor sechs Jahren hätte niemand erwartet, dass ein Sprössling dieses Festivals im karg-rauhen Sandboden der deutschen Bundeshauptstadt Wurzeln Schlagen könnte. Nun ist es gelungen – schon zum sechsen Mal finden die "Intonations", wie der Ableger des Jerusalemer Kammermusikfestivals heißt, im Innenhof des Jüdischen Museums Berlin statt.
Eine Person steht als "Alma Mater" hinter dem Jerusalem International Chamber Music Festival und hinter "Intonations": Die in Berlin lebende Pianistin Elena Bashkirova. Sie nennt das Festival stolz ihr drittes Kind, zwei erwachsene leibhaftige Söhne hat sie ja schon. Auch dieses Jahr versammeln sich wieder international renommierte Vokalisten und Musiker - auf Einladung der Pianistin und eines kleinen, aber sehr aktiven Freundeskreises. Sie proben und spielen ein umfangreiches und vielfältiges Konzertprogramm.
Alle Mitwirkenden treten ohne nennenswerte Gage auf und nehmen die Anstrengungen des dichten Proben- und Konzertmarathons aus Zuneigung zu Elena Bashkirova und den anderen Musikern auf sich. Beste Voraussetzungen also für die Königsdisziplin der klassischen Musik, das intime Zusammenspiel einiger weniger Musikerinnen und Musiker.
An sechs Festivaltagen führten und führen bis zum 27. April renommierte Solisten, Mitglieder internationaler Spitzenorchester und junge vielversprechende Talente in wechselnder Besetzung viele Werke auf, vom klassisch-romantischen Standardrepertoire bis zu einer Uraufführung. Zu den prominenten Gästen zählen dieses Jahr der Bratscher Gérard Caussé, der Pianist Denis Kozhukhin, mehrere Mitglieder der Berliner Philharmoniker. Die Besonderheit des Jerusalemer Festivals wie seines Ablegers in Berlin ist die unmittelbare Nähe zwischen Publikum und Künstlern und die familiäre Atmosphäre im Glashof des Museums, dem Spielort. "Mittlerweile haben wir mit dem Festival in Berlin und seinem großartigen Publikum eine zweite Heimat gefunden" - das sagt Elena Bashkirova.
Deutschlandradio Kultur hat in diesem Jahr zwei Konzerte mitgeschnitten - nicht ganz zufällig im Jubiläumsjahr der Revolutionen liegt bei diesen Programmen der Schwerpunkt auf der russischen und sowjetischen Moderne. Ein gutes Beispiel dafür sind die spitz aphoristischen Zeitungsannoncen Alexander Mossolows mit den Sätzen "Gebt alle acht", "Ein Hund ist entlaufen", "Ein Bewohner Rixdorfs" und "Ratten im Haus". Ganz anders klingt dann die Musik der radikal-introvertierten Galina Ustwolskaja aus spätsowjetischer Zeit. Das zweite Konzert mit Aufnahmen vom 26. April hören Sie in unserem Programm am kommenden 1. Mai.
Gegenüber dem ausgedruckten Programm hat es einige Veränderungen gegeben. Anna Samuil musste ihre Mitwirkung an diesem Konzert leider absagen. Elena Bashkirova hat sich entschlossen, das Werk von Alexander Mossolow allein vorzutragen und dabei den vokalen Part als Rezitatorin zu übernehmen. Statt der Klavierlieder von Schostakowitsch hat sie außerdem eine Solosonate von Galina Ustwolskaja gespielt.
Intonations - International Jerusalem Chamber Music Festival
Jüdisches Museum Berlin
Aufzeichnung vom 22. April 2017
Galina Ustwolskaja
Trio für Klarinette, Violine und Klavier

Shirley Brill, Klarinette
Mihaela Martin, Violine
Elena Bashkirova, Klavier

Alexander Mossolow
Vier Zeitungsannoncen op. 21

Elena Bashkirova, Klavier und Rezitation

Galina Ustwolskaja
Sonate für Klavier Nr. 5

Elena Bashkirova, Klavier

Peter Tschaikowsky
Klaviertrio a-Moll op. 50

Elisabeth Leonskaja, Klavier
Guy Braunstein, Violine
Edgar Moreau, Violoncello