Kaffee ist nicht gleich Kaffee

28.12.2006
Dem Erfolgsautor, dessen Werke selbst in viele Sprachen übersetzt sind, ist es offenbar nicht gleichgültig, wie diese Übersetzungen ausfallen. Die zentrale These dieses Buches lautet: Übersetzen ist Verhandeln. Der literarische Übersetzer "verhandelt" mit dem originalsprachlichen Text das Ergebnis der Übersetzung in die Zielsprache. Solche Verhandlungen sind offene Wege. Auch Eco spielt in seinem Buch Varianten durch, kommentiert, wirft Fragen auf.
Umberto Eco hat gleich drei Beweggründe, sich näher mit dem literarischen Übersetzen zu beschäftigen: Der Erfolgsautor ist selbst in zahlreiche Sprachen übersetzt worden, und offenbar ist es ihm nicht gleichgültig, wie diese Überset-zungen ausfallen. Wenn er in diesem Buch auf Beispiele zurückgreift, die mit seinen Werken zu tun haben, wird deutlich, dass er mit Hinweisen oder gar Ratschlägen an seine Übersetzer nicht geizt, um bestmögliche zielsprachliche Texte zu ermöglichen.

Der Semiotik-Professor Eco (Universität Bologna) ist als Wissenschaftler mit der Beschaffenheit von Zeichensystemen und ihren Wechselbeziehungen, die eben auch Transformationen und Translationen sein können, befasst. Und schließlich ist da der literarische Übersetzer Umberto Eco, der zwar keine üppi-gen, aber allemal gründlich reflektierte Erfahrungen aus der Praxis des Überset-zens vorweisen kann.

Es sind diese drei Quellen, aus denen das Buch sich speist. Die Mischung ist dabei wesentlich, denn wenn es auch zahlreiche Autoren geben mag, die zwei dieser Erfahrungsebenen für sich reklamieren können, dürfte Eco einer der ganz wenigen sein, die alle drei Felder ausgeschritten haben.

Die zentrale These dieses Buches lautet: Übersetzen ist Verhandeln. Der literarische Übersetzer "verhandelt" mit dem originalsprachlichen Text (und wenn möglich, mit dessen Autor) das Ergebnis der Übersetzung in die Zielspra-che. Solche Verhandlungen sind offene Wege, die Kompromisse oft schwer zu finden: Welches Detail ist verzichtbar, wenn es für einen bestimmten Typ Haus keine exakte Entsprechung in der Zielsprache gibt?

Erklärende Einschübe zerstören den Erzählrhythmus, Fußnoten sind für Eco generell das Eingeständnis der Niederlage des Übersetzers. Wie lässt sich das Shakespeare-Englisch in jegliche moderne Sprache übersetzen? Wie geht man um mit verkappten Gedichten, die sich als Prosa tarnen? Was tun mit den fran-zösischen Passagen in Tolstois "Krieg und Frieden", wenn man das Werk just ins Französische übersetzen soll? Was fängt man an mit einem Wort wie Down-town, das – je nach Stadt – mal Geschäftsviertel, mal Rotlicht-Bezirk bedeuten kann? Denn natürlich ist es nicht egal, ob ein Romanheld zur Bank oder ins Bordell geht! Und wenn er dort – wo auch immer – einen Kaffee trinkt, kann das weitere Probleme für den Übersetzer aufwerfen.

Denn wie erklärt man einem italienischen Leser, der bei Kaffee die Minimaldo-sis eines in zwei Augenblicken getrunkenen Espresso assoziiert, dass einer "bei einem Kaffee" in der Lage wäre, sein Leben zu überdenken, weil im Original von einem amerikanischen Kaffee-Pott die Rede ist?

Ecos essayistische Untersuchung ist zum Glück kein Leitfaden. Der Autor behauptet nicht, jeweils die beste Lösung parat zu haben. Vielmehr spielt er Va-rianten durch, kommentiert, wirft Fragen auf. So widerspiegelt der Text genau jenen Prozess des "Verhandelns", den sein Autor als die Seele des literarischen Übersetzens betrachtet. Seine enorme Belesenheit gibt ihm jederzeit Beispiele an die Hand, konkrete Probleme, aber ebenso theoretische Grundlagen des Ü-bersetzens zu diskutieren.

Rezensiert von Gregor Ziolkowski


Umberto Eco: Quasi dasselbe mit anderen Worten. Über das Übersetzen
Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber.
Hanser Verlag, München und Wien 2006, 462 Seiten, 27,90 Euro