Junge Liberale: Schluss mit den Personaldebatten

Lasse Becker im Gespräch mit André Hatting · 30.08.2011
Es bringe nichts, "in Endlosschleife" über die Person Westerwelles zu reden, sagt der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker. "Es geht darum, Antworten zu liefern, zum Beispiel bei der Euro-Krise". Diskutabel seien etwa ein temporärer Ausstieg aus dem Euro oder eine Umschuldung.
André Hatting: September 2009, Bundestagswahl. Die FDP holt 10,7 Prozent der Stimmen – das beste Ergebnis ihrer Parteigeschichte. Seitdem geht es abwärts. Die Liberalen schaffen – wie in Baden-Württemberg – nur noch knapp den Einzug in den Landtag oder fliegen – wie in Bremen – raus. Das Gleiche droht am Sonntag in Mecklenburg-Vorpommern und zwei Wochen drauf in Berlin. Am Telefon ist jetzt Lasse Becker, Vorsitzender der Jungen Liberalen. Guten Morgen, Herr Becker!

Lasse Becker: Schönen guten Morgen!

Hatting: Ist es Zeit für die Notbremse?

Becker: Ich glaube, es ist Zeit, dass wir in der Regierung Inhalte umsetzen, weil das ist das, was die Menschen enttäuscht hat, dass man es zu wenig geschafft hat, wirklich an den konkreten Problemen der Menschen Lösungen zu schaffen und dass wir in diesem Herbst uns darauf eben konzentrieren müssen, dass es nicht reicht, immer nur zu erklären, was diese Regierung alles Tolles gemacht hat, sondern dass man endlich mal auch was sehen muss davon, und entsprechende Beschlüsse im Deutschen Bundestag fallen müssen.

Hatting: Sie sagen, in diesem Herbst soll Parteichef Rösler - hat er schon im Mai bei seiner Wahl zum Parteichef versprochen: Ab heute wird die FDP liefern! Wo bleiben sie denn, die Lieferungen von Philipp Rösler?

Becker: Ja, da war viel Sommerpause dabei, auf der anderen Seite muss jedem in der Parteiführung klar sein, dass genau, weil man in der Sommerpause eben manches nicht im Bundestag beschließen konnte, die nächsten Monate im deutschen Bundestag entscheidend sein werden.

Hatting: Wäre es Ihrer Meinung nach für einen glaubwürdigen Neuanfang der FDP besser gewesen, Rösler hätte auch das Amt des Außenministers übernommen?

Becker: Ich glaube, es wäre in sich nicht schlüssig gewesen. Philipp Rösler hat Erfahrung schon als Wirtschaftsminister in einem Bundesland gehabt, da hat er bereits Wissen gehabt, das wäre nicht unbedingt für die Glaubwürdigkeit irgendwie ein Schritt gewesen, zumal man auch hinterher keine Hätte-wäre-wenn-Diskussion führen sollte. Es gab bei dem Parteitag eine breite Diskussion ums Personal, wir JuLis hätten uns manches damals vielleicht anders gewünscht, ...

Hatting: Zum Beispiel?

Becker: ... aber am Ende hat dort ein Parteitag entschieden. Wir ...

Hatting: Zum Beispiel was ... ?

Becker: ... wir haben da sehr deutlich kritisiert, dass eben doch relativ viele Personen einfach nur ihren Sitz geändert haben, aber weiter in Verantwortung geblieben sind. Aber das ist etwas als ...

Hatting: An wen denken Sie da zum Beispiel?

Becker: Na ja, schauen Sie sich die Ergebnisse des Parteitages an. Da sind viele, die vorher eine Verantwortung dort hatten, an der einen Stelle, hinterher in Parteiverantwortung oder in Fraktionsverantwortung gerückt ...

Hatting: Zum Beispiel Rainer Brüderle?

Becker: Ich muss sagen, wir brauchen jetzt nicht in Endlosschleife Personaldiskussionen, sondern wir müssen bei den Inhalten liefern. Ja, wir JuLis haben Rainer Brüderle im Vorfeld kritisiert, ich sehe aber auch, dass er als Fraktionsvorsitzender deutlich zur Profilschärfung der FDP beigetragen hat, und da sage ich, auf der anderen Seite, man muss die Leute an ihrer Arbeit bewerten, und da ist die Erwartung an die Fraktion genau wie an die Parteiführung, dass in diesem Herbst man eben nicht nur redet, sondern dass auch etwas umgesetzt wird.

Hatting: Vielleicht gibt es deswegen diese Personalrochaden innerhalb der FDP, also diese Umbesetzungen, weil ihnen Nachwuchs, weil ihnen das Personal fehlt. Ich darf Ihnen ein Beispiel geben: Der Spitzenkandidat der FDP in Mecklenburg-Vorpommern ist Gino Leonhard. Und der war ursprünglich gar nicht erste Wahl, sondern der musste ran, weil Fraktionschef Roolf nicht mehr wollte. Das sind eigentlich keine guten Voraussetzungen für die Wahl am Sonntag.

Becker: Dass es in Mecklenburg-Vorpommern da im Vorfeld Spannungen gab – übrigens, meines Wissens gab es da vorher einen Wahlgang, in dem die Partei Herrn Roolf nicht mehr wollte –, kann man geteilter Meinung drüber sein, wie sinnvoll das war, aber das steht nicht mir zu als Externem, zu beurteilen. Aber da sage ich dann auch, da sollte man sich nicht über irgendwelches personelle Schattenboxen betätigen, sondern über die inhaltlichen Fragen und eben die Sorgen der Menschen. Wenn ich mir anschaue, was erwartet denn die Bevölkerung? Sie erwartet klare Antworten, wie wir aus der Euro-Krise kommen, ohne dass wir immer mehr und immer Neues zahlen. Sie erwartet Antworten zum Schutz der Bürgerrechte, und sie erwartet eben auch glasklar, dass wir es mal schaffen müssen, dass wir Aufstiegschancen in dieser Gesellschaft schaffen. Und nur wenn wir das alles hinkriegen und da auch wirklich etwas in konkretes Handeln umsetzen, dann werden wir aus der Krise rauskommen. Es begeistert doch keinen, wenn wir uns in Endlosschleife über unser eigenes Personal beschäftigen.

Hatting: Und deswegen sprechen wir jetzt über Inhalte oder, sagen wir mal, über vielleicht taktische Fehler. Außenminister Westerwelle hat ja seine Haltung in Libyen, in der Libyenpolitik sehr spät korrigiert. Zu spät Ihrer Meinung nach?

Becker: Ich fand am Anfang, das habe ich da auch deutlich im FDP-Bundesvorstand gemacht, die Position nicht wirklich überzeugend, auf der anderen Seite wurde diese Position auch von großen Teilen der deutschen Bevölkerung und übrigens auch von der gesamten Opposition geteilt – die, die es heute kritisieren am lautesten –, ich sage bloß auch, die Diskussion heute wird, glaube ich, in den Medien teilweise schärfer geführt als in der Realität, natürlich gab es viele in der FDP, die manche Entscheidung mehr kritisch bewertet haben, aber dass man jetzt daraus ableitet, dass irgendein Schaden entstanden sei, den müsste man mir erst mal zeigen.

Hatting: Dass Westerwelle jetzt so ein bisschen der Sündenbock ist, liegt das vielleicht auch daran, dass er zu Beginn seiner Amtszeit so arrogant aufgetreten ist?

Becker: Ich glaube, es bringt nichts, wenn wir jetzt in Endlosschleife auch über die Person Westerwelle reden, es muss endlich darum gehen – und das wäre dann auch wieder nur eine Endlos-Personaldebatte – es muss endlich darum gehen, dass die Regierung ins Handeln kommt, und egal, wer dort irgendwelche Scheindebatten führt, es geht darum, konkrete Inhalte umzusetzen. Es geht darum, Antworten zu liefern, zum Beispiel bei der Euro-Krise, und das werden wir nicht tun, wenn wir die ganze Zeit nur über eine oder über die eine oder über die andere Person reden.

Hatting: Wie sieht denn die Antwort der FDP aus, außer dass sie gegen Eurobonds ist?

Becker: Na ja, die Frage Eurobonds ist eine relativ zentrale Frage, weil man da halt sehen muss, dass das mittelfristig unser gesamtes europäisches Währungssystem drohen würde vor die Wand zu fahren, weil es dann eben ohne eine europäische Einigung vorne weg auf der politischen Ebene sehr, sehr gefährlich wäre, und auf der anderen Seite vollkommen den Druck nehmen würde, zu sparen. Und der Kernpunkt an einer Lösung muss sein, dass wir über Schuldenbremsen es eben schaffen, dass in allen Ländern der EU wieder gespart wird, weil das, der Kern des Problems – Eurobonds würden nur an den Symptomen herumdoktern – Kern des Problems ist es doch, dass wir zu hohe Staatsausgaben in vielen EU-Ländern hatten. Da müssen wir ran, und als Junge Liberale haben wir das auch schon länger gesagt, aus Sicht der Jungen Liberalen muss man auch über Maßnahmen nachdenken, wie eine geregelte Insolvenzordnung von Staaten in der Eurozone, aber auch zum Beispiel die Frage, temporärer Ausstieg aus dem Euro oder Umschuldung, die bisher noch relativ wenig diskutiert sind.

Hatting: Vorschläge von Lasse Becker waren das, dem Vorsitzenden der Jungen Liberalen. Herr Becker, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Becker: Sehr gern!


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