Jugendroman "Train Kids"

Hart an der Grenze

Ein Mann mit einer Waffe.
Der Weg durch Mexiko kann gefährlich sein, auch wegen der Kämpfe zwischen Polizisten und Drogenkartellen. © picture alliance / dpa / Yuri Cortez
Von Sylvia Schwab · 22.04.2015
Mit "Train Kids" ist Dirk Reinhardt ein spannender und erschreckend aktueller Jugendroman gelungen. Darin wollen drei Jugendliche heimlich mit einem Güterzug aus Guatemala in die USA gelangen. Sie müssen Wüste und Gebirge überwinden, Hitze und Kälte ertragen und Banditen und Polizei-Razzien entkommen.
Sie sind zu fünft. Der 14-jährige Miguel, der 12-jährige Angel, der Indiojunge Emilio, das Mädchen Jazmina und ihr Anführer, der undurchschaubare 16-jährige Fernando. Kennen gelernt haben sie sich in einem Café in Guatemala, nahe der mexikanischen Grenze und sie alle haben dasselbe Ziel: Sie wollen als blinde Passagiere mit einem Güterzug in die USA gelangen. Eine schwierige Reise, denn zwischen den fünf jungen Menschen und dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten liegen über 2000 Schienenkilometer. Sie müssen Wüste und Gebirge überwinden, Hitze und Kälte ertragen und Banditen und Polizei-Razzien entkommen. Nur einer von hundert Flüchtlingen schafft es, sagt Fernando, bevor sie sich gemeinsam auf den Weg machen. Und hätten sie vorher gewusst, was sie an Durst und Hunger, Brutalität und Gefahren erwartet, vielleicht wären sie zu Hause geblieben. Vielleicht.
Dirk Reinhard hat einen mitreißenden Jugendroman geschrieben. Nicht nur des aktuellen Themas wegen, sondern auch weil man auf jeder Seite spürt, dass er sich auskennt. Wochenlang hat er vor Ort recherchiert, mit Schleusern gesprochen über Verstecke, Güterzüge, Strecken und Kontrollen. Um die 50.000 "Train-Kids" versuchen Jahr für Jahr ihr Glück: Oft sind sie auf der Suche nach ihren Eltern, die in den USA illegal arbeiten. Diesen Kindern ist das Buch gewidmet. Auch aus Achtung vor ihrem Mut. Wochenlang kämpfen sich die fünf im Buch vorgestellten Teenager von Hindernis zu Hindernis. Sie wachsen als Gruppe zusammen, erleben Freundschaft und Hilfsbereitschaft, wenn auch nur zwei es schaffen und das ersehnte Ziel erreichen.
Keiner schützt sie
"Wieso lassen sie uns nicht einfach gehen wohin wir wollen?", fragt Miguel immer wieder. Aus seiner Perspektive eine logische Frage. Denn gejagt von der Polizei, den Behörden wie auch von Verbrecherbanden, die die Flüchtlinge bestehlen oder gar ermorden, sind diese Jugendlichen vogelfrei. Keiner schützt sie. Sie sind auf sich gestellt. Trotz ihres Alters. Ihre wochenlange Fahrt auf den endlos langen Güterzügen steckt voller Gefahren. Warum, ist das so, fragt man sich nicht nur einmal. Und so ist dieses "Road Movie" knallhart, existentiell und politisch. Immer wieder deutlich, wie sehr dem Autor das Schicksal dieser Menschen am Herzen liegt.
"Train Kids" verbindet ein aktuelles Thema mit einer mit einer sehr spannenden Geschichte und vielen authentischen Schilderungen Mexikos. Geschickt kombiniert der Autor Gegenwart und Vergangenheit, Action und Erinnerungen. Man hört, sieht und spürt förmlich das endlose Rattern der Züge, den Fahrtwind und die Sterne am Nachthimmel. Aber auch die Angst, die Verzweiflung und die nie endende Hoffnung der Jugendlichen. All das grandios erzählt in eindrucksvollen, auch mal leise pathetischen Bildern.
Dirk Reinhardt ist promovierter Historiker, er liebt Charles Dickens und Jack London, und war schon mit seinen "Edelweißpiraten" überaus erfolgreich. Und auch dieses Mal gelingt ihm die Balance zwischen Information und Unterhaltung, Spannung und Nachdenklichkeit. Nicht nur wegen seiner erschreckenden Aktualität ist "Train Kids" deshalb schon heute ein Muss für alle Leserinnen und Leser ab 13 Jahren!

Dirk Reinhardt: Train Kids
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2015
320 Seiten, 14,95 Euro, ab 13 Jahren

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