Jesuitenpater Klaus Mertes

Humanität ist unverzichtbar

Pater Klaus Mertes
Pater Klaus Mertes © picture alliance / dpa / Foto: Karlheinz Schindler
Moderation: Ulrich Ziegler · 26.03.2016
Jesuitenpater Klaus Mertes hat Zweifel, ob die Nächstenliebe noch ein christliches Gebot ist, dem sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer verpflichtet fühlt. Humanität sei ein unverzichtbares Element der Gottesbegegnung, das ein Christ auch im Umgang mit Flüchtlingen zeigen müsse.
Deutschlandradio Kultur: Er ist fest davon überzeugt, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zum Markenkern einer christlichen Partei gehört. Aber was, wenn diese Grundüberzeugung nicht mehr von allen Akteuren innerhalb der Unionsparteien geteilt wird? Bleibt dann dem C in der CDU und vor allem in der CSU nichts mehr übrig als die Christparteien zu verlassen?
Pater Klaus Mertes, Sie haben kürzlich einen offenen Brief an das liebe C in der CDU geschrieben und bescheinigen ihm, also dem C, dass die Aufnahme von Flüchtlingen zu seinem Markenkern gehört.
Ist das C in der Unionspartei und in den Unionsparteien noch fest verankert?
Klaus Mertes: Ich finde es immer schwierig, Leuten das C abzusprechen. Ich habe das C auch nie verstanden als ein Monopol für die CDU. Es gibt ja auch gute christliche Politiker in anderen Parteien. Es geht um eine inhaltliche Bestimmung des C. Da ist es vollkommen eindeutig und klar vom Zeugnis sowohl das Alten wie des Neuen Testaments her, dass sich die Frage der Humanität an dem Umgang mit Flüchtlingen, man könnte auch sagen, mit Fremden entscheidet und dass darin auch ein wesentliches Element, ein unverzichtbares Element der Gottesbegegnung liegt, wie Judentum und Christentum es verstehen.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn Sie einen offenen Brief an das liebe C in der CDU schreiben, dann machen Sie sich schon Sorgen.

Verrat am Markenkern des Christentums

Klaus Mertes: Ja natürlich, weil es auch die Instrumentalisierung des C gibt für nationale und kulturelle Abgrenzung. Das erleben wir ja ganz deutlich und stark in allen europäischen Ländern, ...
Deutschlandradio Kultur: Ungarn, Polen.
Klaus Mertes: Ungarn, Polen, wo sogar die Bischöfe selbst nicht in der Lage sind, sich von nationalistischen Vereinnahmungen des C zu distanzieren. Und solche Tendenzen gibt es ja bei uns auch. Also, das Symbol für mich sind die schwarz-rot-gold angestrichenen Kreuze. Da wird das C eben missbraucht für Abgrenzung, nationale Abgrenzung. Und das geht nicht. Das ist ein Verrat am Markenkern des Christentums.
Deutschlandradio Kultur: Das ist dann außerhalb dieser C-Parteien. Wenn wir nochmal in die C-Parteien reinschauen und sagen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, das C steht auch für christliche Nächstenliebe – richtig?
Klaus Mertes: Ja, selbstverständlich.
Deutschlandradio Kultur: Und wenn das so ist, warum ist das gerade bei CDU und CSU so eine scharfe Diskussion, die wir in den letzten Wochen und Monaten erleben? Man könnte ja auch sagen, das Thema könnten andere Parteien genauso scharf diskutieren.
Klaus Mertes: Weil die CDU im Laufe der letzten 70 Jahre einen Säkularisierungsprozess durchgemacht hat und die Gefahr immer stärker meines Erachtens geworden ist, dass das C ein Aspekt der CDU neben anderen Elementen der CDU ist, eben zum Beispiel die Betonung des Nationalen, des Konservativen oder eine stark liberale Tendenz und sich im Grunde genommen dann das C nur noch versteht als ein ganz bestimmtes Element.
Und das ist eine Frage an das C in der CDU: Ist das C noch ein Querschnittsthema für das Selbstverständnis der CDU als Ganze? Oder ist es nur noch ein kleiner Teilaspekt, der dann konkurrierend zu diesen anderen Aspekten steht, die eben auch nach Verständnis einiger Leute in das C der CDU hineingehören, nämlich konservativ, national, eher versuchen den rechten Rand zu integrieren und sich von links abzugrenzen.

Zorneding wirft Fragen auf

Deutschlandradio Kultur: Gehen wir mal in die CSU. Die gehört ja als Schwesterpartei dazu. Horst Seehofer, sicherlich ein fleißiger Kirchgänger, sagt seit Wochen indirekt zu den Flüchtlingen: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder, flieht bitte woanders hin, aber nicht zu uns! – Da ist nichts Christliches mehr dran?
Klaus Mertes: Auch Seehofer ist ein praktizierender Katholik. Ich bin nicht der Richter, aber mich befremdet das außerordentlich – die Rhetorik von Horst Seehofer, von der CSU, dieses Zusammenführen von bayerischen Interessen, katholisch sein und Ähnlichem. Wir haben ja den erschreckenden Fall jetzt gehabt, wo sich ja zeigt, dass in der CSU eben auch ein Milieu ist, das rassistisch ist, also die Geschichte mit dem schwarzafrikanischen Kollegen in Zorneding. Das sind ja schon große Fragen, die da anstehen.
Ich würde gerne von Herrn Seehofer erfahren, wie er seine Rhetorik, die er zurzeit hat, in Einklang bringt mit dem universalistischen Ansatz der Nächstenliebe, der eben zentraler Aspekt des Christentums ist.
Deutschlandradio Kultur: Ja vielleicht würde er sagen, man muss auch auf die anderen achtgeben. Es besteht die Gefahr einer Überforderung. Das sagt übrigens auch Boris Palmer. Der ist grüner Oberbürgermeister in Tübingen. Man müsse also die Folgen des Handelns für alle Menschen in der Gemeinde im Blick haben.
Klaus Mertes: Ich bestreite gar nicht, dass es Überforderungsprobleme geben kann. Aber ich unterscheide zwischen der behaupteten Überforderung, der gefühlten Überforderung und der tatsächlichen Überforderung. Ich behaupte nicht, dass jede gefühlte Überforderung eine behauptete Überforderung ist. Ich behaupte aber auch nicht, dass jede gefühlte Überforderung dann auch schon eine tatsächliche ist. Zum Christentum gehört ganz wesentlich der Ruf zur Umkehr.
Eigentlich wird es doch immer spannend dann, wenn ich merke, ich komme tatsächlich an meine Grenzen. Dann muss ich mich eben verändern. Wenn es aber keine Veränderungsbereitschaft gibt, sondern es letztlich nur noch um die Verteidigung von Besitzstand gegen Flüchtlinge geht, dann – finde ich – wird der Umkehrgedanke, einer der ersten Grundsätze des Evangeliums, nicht ernst genommen. Den kann natürlich ein Politiker nicht vom Volk verlangen. Das ist mir klar. Dann muss aber dann auch ein christlich motivierter Politiker bereit sein, die Konsequenzen daraus zu ziehen und dann eben Zustimmung zu verlieren.

Es geht nicht um moralisch saubere Hände, sondern um Problemlösung

Deutschlandradio Kultur: Bei den letzten Landtagswahlen haben wir es erlebt, dass auch die Christparteien, beispielsweise in Baden-Württemberg, nicht in Sachsen-Anhalt, aber hier in Baden-Württemberg deutlich an Zustimmung verloren haben. Das macht das Gemeinwesen nicht unbedingt liberaler oder christlicher.
Klaus Mertes: Ja, aber das Wesen der Demokratie besteht ja darin, dass die gesellschaftlichen Konflikte, die real da sind, auch real sichtbar werden. Wir haben ganz offensichtlich in der bundesdeutschen Gesellschaft einen rechtsnational denkenden und fühlenden Rand von zehn bis fünfzehn Prozent oder vielleicht zwanzig Prozent, mit dem wir eben rechnen müssen. Und es ist keine Schwäche, sondern eine Stärke der Demokratie, dass der sich eben auch artikuliert. Ich habe nur ein hohes Interesse daran, dass dieser Rand sich nicht instrumentalisierend auf Begriffe des Christlichen dabei beruft.
Deutschlandradio Kultur: Interessanterweise hat in dem Zusammenhang Essens Bischof Franz-Josef Overbeck mal gesagt: So etwas wie eine christliche Politik in Reinform kann es eigentlich gar nicht geben. Und er gab auch eine interessante Begründung. Er sagte: "Deshalb geht das nicht, weil zu Politik auch die schlechte Tat gehört, um eine noch schlechtere zu verhindern."
Also ist das Christentum an der Stelle draußen vor und die Politik muss eben auch schlechte Taten vollbringen, um noch schlechtere zu verhindern?
Klaus Mertes: Ich verstehe, was Bischof Overbeck meint. Ich stimme dem nicht zu. Ich finde, dass ein Christ, wenn er die Wahl hat zwischen zwei Übeln, selbstverständlich verpflichtet ist, das geringere Übel dem größeren Übel vorzuziehen. Und das ist dann keineswegs unchristlich. Ich höre da zu sehr einen Begriff des Christlichen, der sich dann die Hände nicht schmutzig macht. Ich finde aber im Gegenteil, dass es ja bei der Realisierung der christlichen Sendung nicht darum geht, saubere moralische Hände zu haben, sondern es geht darum, Probleme zu lösen, Menschen in Not zu helfen, Konflikte friedlich zu klären, auf Versöhnung hinzuarbeiten und nicht darum, selbst dabei sauber zu bleiben.

Lob für die Kanzlerin

Deutschlandradio Kultur: Ich komme nochmal zurück auf die Gegenspielerin vielleicht, wenn man das so benennen möchte, von Horst Seehofer, auf die Kanzlerin. Denn die hat auf dem CDU-Parteitag im Dezember einen wie ich finde interessanten Satz gesagt und eindringlich an die christlichen Wurzeln ihrer Partei erinnert. Sie hat gesagt: "Die Idee der Gründung der CDU war eigentlich eine ungeheuerliche Idee, eine Partei, die im C ihre Grundlage findet, also in der von Gott gegebenen Würde jedes einzelnen Menschen."
Wenn das ihre Leitlinie ist, vielleicht auch in den letzten Monaten der Politik, dem Versuch, innerhalb Europas humanitäre Lösungen zu finden, ist das dann der Bodensatz, auf dem sie Ihrer Meinung nach arbeitet?
Klaus Mertes: Ja, so verstehe ich Frau Merkel. Und ich muss sagen, dass mir das wirklich sehr imponiert. Die Menschenwürde gilt universal. Deswegen ist eine bestimmte Sprache, die hier zurzeit gesprochen wird in Teilen sozusagen der deutschen Bevölkerung, der Medien vollkommen unangemessen.
Die Erfahrung, die ja hinter der Gründung der CDU und dem Betonen der Menschenwürde liegt, hängt ja genau damit zusammen, dass – um es mal von Christen und der christlichen Seiten her zu sagen – ja auch Christen in der Weimarer Republik versagt haben, sich dem autoritären Denken unterworfen haben.
Deutsche Christen fingen an, dass Jude sein von Jesu zu bezweifeln. Die fingen an von einer Überlegenheit des deutschen Volkes, von einem Sendungsauftrag des deutschen Volkes für die ganze Welt an zu schwadronieren – und das alles, um letztlich das Gefühl einer grundlegenden Überlegenheit des deutschen Volkes und der deutschen Rasse gegenüber anderen Menschen zu begründen.
Und dagegen steht: Nein! Die Menschenwürde ist unantastbar, und zwar aller Menschen, nicht nur die Würde der Deutschen.
Flüchtlinge gehen an der Mauer des Auffanglagers "Moria" auf der griechischen Insel Lesbos in der Hafenstadt Mitilini entlang.
Flüchtlinge an der Mauer des Auffanglagers "Moria" auf der griechischen Insel Lesbos in der Hafenstadt Mitilini© Alexia Angelopoulou, dpa picture-alliance
Deutschlandradio Kultur: Also, wenn ich es auf die aktuelle Lage übersetze, könnte man vielleicht sagen, man muss Menschen in Not helfen, darf sie aber auch wieder, wenn sich die Lage beruhigt hat, zurück nach Hause schicken oder in die Türkei?
Klaus Mertes: Ja, selbstverständlich gehört zur Nächstenliebe dazu, dass es auch Situationen gibt und es legitime Formen von Abgrenzungen gibt. Und selbstverständlich haben Staaten auch ein Recht darauf, sogar eine Pflicht darauf, Grenzen zu schützen.
Meine Erfahrung und die Erfahrung von vielen, die ja in Flüchtlingslagern seit Jahren arbeiten, lautet ja, dass Menschen, die in Lagern leben, manchmal über 20, 30 Jahre hinweg in diesen Lagern leben und dann, wenn es wieder Frieden in der Heimat gibt, zurückkehren wollen. Der Rückkehrwunsch von Flüchtenden ist ja Teil ihrer Identität. Die Pflicht zu helfen, die wir haben, ist, sie in der Situation der Flucht, der Obdachlosigkeit aufzunehmen, ihnen menschenwürdige Lebensbedingungen zu ermöglichen, ihnen vor allem, das ist entscheidend, eine Bildung zu ermöglichen, weil das ja die Voraussetzung dafür ist, dass auch eine Rückkehroption da ist.
Und die Entscheidung über die Rückkehr liegt dann letztlich auch noch einmal bei den Betroffenen selbst. Nur ist die Erfahrung die, dass Menschen ja auch zurückkehren wollen.
Warum sind sie denn gekommen? Doch nicht deswegen, weil – wie behauptet wird – Frau Merkel sie eingeladen hat, sondern weil wir die Menschen dadurch, dass wir die Mittel in den Lagern für Libanon etc. pp. über UNHCR gekürzt haben, eben die Verhältnisse auch in den Lagern selbst unerträglich geworden sind.

"Wir leben in einer Wendezeit"

Deutschlandradio Kultur: Diese ganze Debatte um die Flüchtlingsaufnahme, wie Sie es im Moment besprochen haben, hat ja auch zu einem Effekt geführt, dass wir jetzt erlebt haben, dass diese traditionellen Wählerbindungen sich aufgelöst haben. Das zeigen die Landtagswahlen vor zwei Wochen.
Wenn eine christdemokratische Kanzlerin jetzt mit Unterstützung der Sozialdemokraten teilweise grüne Politik macht, braucht man sich eigentlich gar nicht so wundern, dass das C irgendwo anders andockt oder nicht mehr so richtig da ist oder sich mit anderen zusammenschließt. – Also, wundert Sie das?
Klaus Mertes: Nein, es wundert mich nicht, sondern ich glaube, dass das alles ein Zeichen dafür ist, dass wir in einer Wendezeit leben. Es ist zwar noch alles da, was vorher war, aber es ist nicht mehr in der alten Ordnung. Die alten Kategorien tragen nicht mehr.
Das kann man auch auf europäischer Ebene sehen. Ein sozialdemokratischer Parteivorsitzender in Deutschland verhält sich in der Flüchtlingsfrage völlig anders als der sozialdemokratische Bundeskanzler in Österreich. Das ist ein klares Zeichen dafür, dass die Kategorien, mit denen wir bisher gedacht haben und politisch geurteilt haben, so nicht mehr stimmen. Die Lager existieren nicht mehr so. Sie sind geschwächt, vielleicht sogar zu Teilen aufgelöst. Und das heißt, wir müssen uns wieder ganz grundsätzlich neu auf Grundlagen der Politik besinnen.
Deutschlandradio Kultur: Aber das heißt, wir gehen teilweise mit einer alten Landkarte durch eine neue Landschaft und verstehen die Wege nicht mehr.
Klaus Mertes: Ganz genau.
Deutschlandradio Kultur: Oder man könnte auch sagen, dass das C mittlerweile auch bei Winfried Kretschmann sich ganz gut wohlfühlt.
Klaus Mertes: Ja selbstverständlich. Er bezeichnet sich ja selbst als katholischen Christen. Oder Frau Nahles ist praktizierende Christin. Herr Ramelow ist praktizierender Christ. Die Kategorien stimmen einfach nicht mehr, und zwar auf allen Seiten nicht. Die Feindbilder, die die jeweiligen politischen Lager aufgebaut haben, stimmen auch nicht mehr. Und das verunsichert. Das verstehe ich auch.
Deswegen schlage ich vor: Lasst uns in Ruhe auf Grundlagen blicken. Was trägt uns eigentlich in unserer politischen Ethik?

Getragen von der kirchlichen Soziallehre

Deutschlandradio Kultur: Was trägt uns denn?
Klaus Mertes: Mir hat tatsächlich sehr geholfen immer: die drei Grundbegriffe der kirchlichen Soziallehre – Personalität, Solidarität und Subsidiarität. Personalität haben wir schon angesprochen, die Orientierung der Politik an der universellen Menschenwürde. Ich sage, die Orientierung, die ist ja noch nicht die Lösung für die konkreten Probleme. Dann das Thema der Solidarität, das heißt, des Zusammenhalts, dass eben Gesellschaften letztlich darauf angewiesen sind, dass sie von Solidarität getragen werden, dass also zum Beispiel nicht jeder einfach nur für sich sorgen muss, sondern eben auch für den anderen. Das neokapitalistische Paradigma, das dagegen steht, lautet: Jeder sorgt für sich, dann ist für alle gut gesorgt. Und das Solidaritätsparadigma sagt: Nein, das stimmt nicht. Wenn jeder nur für sich selbst sorgt, ist am Ende nur für einige wenige gesorgt und für den Rest nicht.
Dann das Subsidiaritätsschema, nämlich das dem Staat eine gesellschaftliche Wirklichkeit entgegensetzt oder gesellschaftliche Institutionen entgegensetzt, die subsidiär eben auch eine volle Verantwortung für ihr Innenleben und für ihren gesellschaftlichen Zusammenhalt tragen – beginnend mit der Familie, aber auch Subsidiarität als Ordnungsprinzip für die Europäische Union zum Beispiel, dass nicht alles in einem Megastaat endet und dass nicht der Staat allein die Verantwortung für Politik übernimmt und damit diejenigen Gruppen, die Eigenverantwortung übernehmen können in der Gesellschaft, schwächt.
Deutschlandradio Kultur: Also das, was im Kleinen gelöst werden kann, muss da gelöst werden, und im Großen müssen eben übergeordnete Regeln gefunden werden, damit das Kleine auch funktioniert.
Klaus Mertes: Ganz genau. Da gibt es ja auch den Streit. Ich nehme mal Bildungspolitik. Der sozialistische Ansatz ist immer eher der, Bildung vom Staat her zu denken. Der traditionell katholische, sage ich mal, ist der zu sagen, also, auch gesellschaftliche Gruppen sind Träger von Bildung.

Was würde der Papst wählen?

Deutschlandradio Kultur: Wenn wenn der Papst hierzulande wählen könnte, was glauben Sie? Wo würde er denn sein Kreuz machen?
Klaus Mertes: Vielleicht bei den Linken zurzeit. "Diese Wirtschaft tötet" ist jedenfalls ein Satz, der Jubel nur bei den Linken findet. Ich finde ihn, ehrlich gesagt, ein bisschen schwierig, den Satz.
Deutschlandradio Kultur: Ja, aber das zeigt ja genau die Problematik. Der Papst ist in Moralfragen sicherlich ein Konservativer. Dann ist er Kapitalismuskritiker. Da gehört er eher zu den Linken. Dann macht er eine Enzyklika und fordert mehr Umweltschutz. Dort ist er ein Grüner. – Und das zeigt wiederum, dass die alten Denkstrukturen nicht mehr reichen, um die Welt zu erklären.
Klaus Mertes: Sogar Herr Lafontaine hat kürzlich seine inhaltliche Nähe zum Papst entdeckt. Und das ist richtig. In anderen Fragen, familienpolitischen Fragen ist er ja ein Konservativer – ganz genau. Da zeigt sich ja, dass auch da die Lager nicht mehr stimmen.
Deutschlandradio Kultur: Und wie geht’s eigentlich den Katholiken in Deutschland, wenn man diesen Impuls auch des Papstes sieht? Gibt es auch so etwas wie einen Linksruck – beispielsweise in Fragen von Flüchtlingspolitik, Armutspolitik, Entwicklungspolitik?
Klaus Mertes: Ich glaube, dass sich das auch in der Katholischen Kirche, bei den Katholiken in Deutschland entsprechend zeigt. Das klassische westdeutsche Milieu, das die CDU katholisch sein ließ, also die Adenauer-CDU, existiert so nicht mehr. Schon in den 60er-, 70er-Jahren ist ja die, jedenfalls die politisch engagierte Jugend des Katholizismus letztlich grün geworden, hat sich von den klassischen katholischen politischen Traditionen gelöst. Da hat es schon einen ersten Grün-Ruck gegeben.
Es hat einen klaren Linksruck gegeben nach dem zweiten Vatikanischen Konzil kirchenweit, der auch in der Katholischen Kirche in Deutschland aufgenommen worden ist. Der kam von den Impulsen der Befreiungstheologie her. Die sogenannte Option für die Armen ist ja nicht erst eine Erfindung des jetzigen Papstes, sondern hat ja eine lange Tradition in den Diskursen der Katholischen Kirche auch hier in Deutschland in den letzten 40, 50 Jahren.
Winfried Kretschmann hebt abwehrend die Hände.
Ausdruck des "Grünrucks" der katholischen Kirche? Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann© dpa / Marijan Murat
Es hat von daher eine Entfremdung gegeben zwischen CDU und Katholizismus in den letzten Jahren, einen Linksruck, einen Grünruck. Es hat aber auch zugleich eine Zuspitzung gegeben des katholischen Profils auf gesellschaftspolitische Fragen, die auch innerhalb des Katholizismus nicht immer so geteilt wird.
Also zum Beispiel die Zuspitzung auf ganz bestimmte familienpolitische Fragen, die in der CDU phasenweise dazu geführt hat, wir bedienen das katholische Publikum, indem wir eher konservative gesellschaftspolitische Fragen in der Frage der Familienpolitik bedienen – klassisches Beispiel ist CSU und Elterngeld, haben aber dabei übersehen, dass Katholizismus viel breiter aufgestellt ist als nur in diesen Fragestellungen.

"Die Freundschaften des Papstes liegen bei den armen Leuten"

Deutschlandradio Kultur: Jetzt ist Papst Franziskus erstmals auch ein Jesuit als Oberhaupt der Katholiken gewählt worden. Und interessanterweise hat er auch in dem Zusammenhang viel früher als andere auf die Flüchtlingsproblematik gleich zu Beginn seines Pontifikats hingewiesen, ist nach Lampedusa gegangen, hat sozusagen diese Flüchtlingsfrage auch als europäisches Megathema erkannt und benannt.
Die Welt hört ihm gerne zu, aber hört sie auch auf ihn? Wie stark ist der Papst mit seinen Worten?
Klaus Mertes: Nun, immerhin hat er Bilder entgegengesetzt. Mir ist es wirklich ganz wichtig. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass der Papst nach Lampedusa gefahren ist, bevor es zum Thema geworden ist, weil dadurch alle Unterstellungen, die Kirche würde das Thema wiederum instrumentalisieren, fehl am Platze sind.
Ich glaube, dass er die Sensibilität für dieses Thema ganz einfach deswegen gewonnen hat, weil er sozial angebunden ist und seine Freundschaften pflegt im Milieu der Armen. Die Freundschaften des Papstes liegen eben bei den armen Leuten. Die liegen in den Slums von Buenos Aires. Und wenn man mit Menschen, die auf dem Müll leben, befreundet ist, hat man eine ganz andere Sicht auf diese Welt, als wenn man eben Sekt trinkt mit dem europäischen Hochadel. Das hat er ganz, ganz klar gesehen.
Er hat – ich komme auf Ihre Frage – durch seinen Besuch in Lampedusa jedenfalls eines erreicht, dass die Scheinwerfer auf die europäische Abgrenzungspolitik grell sind. Um es mal auf die jetzige Situation in Polen und in Slowenien zu sagen: Die können sich – so katholisch sie sich verstehen als Nationen – nicht auf diesen Papst berufen.
Deutschlandradio Kultur: Er hat auch noch im Anschluss später dann gesagt: Er bittet darum bei dieser Flüchtlingsfrage, dass alle katholischen Gemeinden Flüchtlinge aufnehmen sollen. Jetzt habe ich mal versucht zu recherchieren, ob das tatsächlich stattgefunden hat – in großem Umfang anscheinend nicht, zumindest nicht in Ländern wie Polen oder Ungarn oder anderswo in Europa. Also, dann fordert er was, wünscht sich was, aber letztendlich setzt es keiner so richtig um.
Klaus Mertes: Ja, aber daran wird deutlich, es ist eben auch ein innerkirchlicher Konflikt. Es ist auch ein Ringen innerhalb der Kirche um die Frage: Was ist denn jetzt christlich? Und der Papst hat hier eine klare Position bezogen.
Im Übrigen, dieser Aufruf des Papstes war ja ganz konkret gemeint – jede Gemeinde! Er richtet es ja nicht nur an Nationen, sondern auch an Gemeinden. Wir haben das ja, um ein Beispiel zu nennen, hier in St. Blasien auch. Und ich weiß, ich erlebe es ja ganz konkret, was es bedeutet, dann Flüchtlinge in Häusern, in Pfarrhäusern, in Kommunitäten aufzunehmen. Das löst ja Ängste und die genannten Überforderungsgefühle aus.
Nur in dem Moment, wo man ein bisschen reflektierend auf diese Gefühle eingeht, wird man feststellen, man gewinnt unglaublich viel dadurch. Wir machen nur dann nicht sofort das Ganze mit medialer Begleitung, weil dann auch wieder die Motivlage, warum man so etwas macht, fraglich wird. Aber es gibt eben auch einen ganz klaren Widerstand innerhalb der Kirchen gegen die Aufrufe des Papstes – still und stumm, aber Beton.

Wieviele Flüchtlinge kann der Vatikan aufnehmen?

Deutschlandradio Kultur: Im Vatikan selbst sind zwei Familien untergebracht worden, christliche Syrer. Ist der Platz so eng da? Oder hätte das auch mehr sein können?
Klaus Mertes: Das könnten auch mehr sein. Ich glaube, dass der Papst auch gerne bereit wäre, mehr aufzunehmen.
Deutschlandradio Kultur: Ich will nochmal zurückkommen auf die Parteienlandschaft und die neue Gemengelange, über die wir geredet haben. Beispielsweise Baden-Württemberg, der Katholik Kretschmann, auf der einen Seite der Grüne, auf der anderen Seite eine etwas geschlagene CDU mit Herrn Wolf. – Wenn die zusammenkommen sollen, könnte dann beispielsweise so etwas wie die katholische Soziallehre der Kitt sein, der so zwei unterschiedliche Parteien zusammenbringt, weil beide aus dieser Tradition vielleicht kommen oder ganz unterschiedlich – zumindest der eine als Person und die andere als Partei?
Klaus Mertes: Ja, das glaube ich. Die katholische Soziallehre kann viel zusammenführen. Die katholische Soziallehre ist auch in den letzten zwanzig, dreißig Jahren ergänzt worden durch die neuen Fragestellungen, dass der Begriff der Solidarität zum Beispiel auch auf die künftigen Generationen ausgeweitet worden ist – das Stichwort Nachhaltigkeit. Da sind viele Punkte, auch die Enzyklika des Papstes, Laudato si, enthält viele Anregungen, wird ja auch zum Teil sehr konkret politisch. Das sind auch Brücken.
Die Differenz wird meines Erachtens in den bildungspolitischen Fragen stehen und noch stärker wohl in den gesellschaftspolitischen Fragen, wenn es um die Frage der Pädagogik, der sexuellen Vielfalt, Familienbegriff etc. pp. geht. Ich glaube, da ist zwischen Grünen und Schwarzen der tiefste Graben.
Deutschlandradio Kultur: Da kommen wir gleich noch dazu. Was mich an der Stelle auch gewundert, überrascht, amüsiert hat, ist, Sie hatten es vorher genannt, Oskar Lafontaine. Der sagte, dass das Parteiprogramm der Linken der katholischen Soziallehre eigentlich am nächsten kommt. Ist das vielleicht ein nettes Gedankenspiel oder steckt da mehr dahinter?
Klaus Mertes: Ja, das mag sein, dass da eine größere Nähe ist. Ich glaube, der entscheidende Punkt ist für mich in der katholischen Soziallehre das Prinzip der Subsidiarität. Die linke Tradition tendiert dazu, die Probleme immer durch den starken Staat zu lösen. Das Subsidiaritätsprinzip ist in der Katholischen Kirche eingeführt worden, um ein Gegenprinzip gegen den Staatssozialismus aufzurichten.
Ich glaube nicht, dass Papst Franziskus an dieser Stelle mit dieser Tradition brechen will. Die Frage, wie also soziale Gerechtigkeit hergestellt wird, das ist vermutlich die Frage, in der es nochmal legitime Konflikte und Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertretern der katholischen Soziallehre und Forderungen der Linken geben kann und darf und wird.

Die katholische Kirche: "Sauerteig in der Gesellschaft"

Deutschlandradio Kultur: Jetzt wird das wahrscheinlich nicht übermorgen stattfinden. Wer aber Koalitionen bilden muss, sind Menschen wie Malu Dreyer, SPD, bekennende Katholikin, Reiner Haseloff, CDU, ebenfalls Katholik, Mitglied des päpstlichen Ordens der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem, und dann eben nochmal Winfried Kretschmann – alles drei praktizierende Katholiken.
Ist das Zufall für Sie? Oder hat das was mit einem Zeitgeist zu tun, den wir im Moment vielleicht noch gar nicht so richtig erkannt haben?
Klaus Mertes: Zunächst einmal freue ich mich ja sehr darüber, dass Katholiken in diesen Persönlichkeiten aufscheinen und dass Katholiken gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Und zweitens ist und bleibt es auch eine gemeinsame Brücke, über die man sich verständigen kann über die Parteigrenzen hinweg.
Insofern zeigt sich hier, dass Katholische Kirche oder vielleicht überhaupt Christenheit und Christentum so was wie Sauerteig in der Gesellschaft sein kann, im Dienst also der Einheit und der Solidarität innerhalb einer Gesellschaft.
Deutschlandradio Kultur: Und wahrscheinlich wären diese drei Spitzenpolitiker mit ihrer Kirche noch mehr einverstanden, wenn es da nicht diese Missbrauchsskandale gäbe und die etwas langsame Aufarbeitung.
Hat Ihrer Meinung nach, und Sie sind ja da an vorderster Front aktiv gewesen, die Kirche in den letzten Jahren genug getan, um diese Geschichte aufzuarbeiten?
Klaus Mertes: Sie hat noch nicht genug getan, aber sie hat sehr, sehr viel getan. Es liegen viele Aufklärungsberichte vor. Im Bereich der Prävention ist viel geschehen. Die Kirche ist die einzige Institution, wenn ich es richtig sehe, die auch auf Forderungen nach Anerkennungszahlungen etc. pp. eingegangen ist. Also, die Kirche hat in vieler Hinsicht inzwischen bei diesen Dingen die Nase vorn, aber es ist noch viel zu tun. Vor allem bleiben auch einige strukturelle Fragen meines Erachtens offen.
Deutschlandradio Kultur: Dann nennen Sie die doch nochmal. Wir warten ja alle auf dieses angekündigte Tribunal, wo der Papst nochmal klar Position beziehen soll. Es ist noch nicht da.
Klaus Mertes: Sie meinen das Tribunal für die Bischöfe. Also, ein entscheidender Punkt ist eben, dass Bischöfe zur Rechenschaft gezogen werden, die Taten von Tätern vertuscht haben und Täter versetzt haben, so dass sie weitermachen konnten. Das ist eine strukturelle Frage. Ich hoffe, dass es da auch zu einer Aufarbeitung kommt und auch zu Verfahren innerhalb der Katholischen Kirche, in denen es möglich wird, Bischöfe zur Rechenschaft zu ziehen.

Keine Tabuisierung von Sprechen über Sexualität

Deutschlandradio Kultur: Jetzt hat auch nochmal mit der Vergabe des Oscars für den Film Spotlight, da ging es auch um die Aufdeckung von Missbrauchsskandalen in den USA, der Filmproduzent Michael Sugar gesagt, er bittet den Papst eindringlich, dass er die Kinder auf dieser Welt beschützen soll. Und da meint er wahrscheinlich nicht nur die Kinder in den Slums, sondern auch in den eigenen Reihen. Also, so ganz in ruhigen Bahnen ist die Geschichte noch nicht.
Klaus Mertes: Nein, das ist sie überhaupt nicht. Es sind viele Schutzkonzepte erarbeitet worden, aber wenn wir von Kirche reden, reden wir auch von Weltkirche. Also, ich kann da die deutschen Standards nicht zu den Weltstandards erheben. Das sind sie noch nicht. Aber auch hier in Deutschland ist noch einiges zu tun. Ich glaube, dass die Schutzperspektive eine ganz wichtige Perspektive ist, um Fragen an die Strukturen zu stellen. Da viele Fragen im Kontext von Sexualität und Lebenswirklichkeiten im Kontext von Sexualität so stark tabuisiert sind, wie es in der Katholischen Kirche der Fall ist, also, dass man nicht über sie reden darf, ohne sich auszugrenzen, ist damit auch ein Risiko verbunden für Betroffene, die in diesen Kontexten leben.
Deutschlandradio Kultur: Das ist auch ein Strukturproblem der Katholischen Kirche.
Klaus Mertes: Ja, genau. Hier müsste Schutz verstärkt werden, weil unsere Erfahrung in den letzten Jahren ist, der Schutz funktioniert dann am besten, wenn Sprache da ist. Da, wo das Sprechen nicht erlaubt ist oder auch mit großer Angst verbunden ist, steht es auch nicht gut um den Schutz.
Wir müssen weiter an der Sprache arbeiten und daran, dass eben Dinge aussprechbar werden.
Deutschlandradio Kultur: Wenn Sie das als einen langen Marathonlauf begreifen würden, an welcher Kilometerstelle sind wir heute?
Klaus Mertes: Wir sind vielleicht bei Kilometer fünf.
Deutschlandradio Kultur: Also ist noch eine Menge zu tun.
Klaus Mertes: Ja, die Kirche ist 2000 Jahre alt. Und das sind ja 1,2 Mrd. Menschen, aus ganz, ganz unterschiedlichen Kulturen. Das sind ganz, ganz lange Prozesse. Da muss man bereit sein, ganz dicke Bretter geduldig zu bohren. Wer es das eilig hat, verblutet ganz schnell mit seinem Idealismus und kehrt der Sache enttäuscht den Rücken.

Problemfall Homosexualität

Deutschlandradio Kultur: Viele dieser 1,2 Mrd. gläubigen Katholiken warten mit Spannung auf verbindliche Aussagen des Papstes zum kirchlichen Umgang mit wieder verheirateten Geschiedenen und Homosexuellen. Ein entsprechender Text wird wohl noch vor Ostern von ihm unterzeichnet und nach Ostern vielleicht veröffentlicht. Ist das auch die Nagelprobe, der Lackmustest für das Pontifikat des Papstes, wo man dann erkennen kann, ja, seine Reformbemühungen schlagen sich jetzt auch nieder?
Klaus Mertes: Ich glaube schon, dass am Umgang mit diesen Fragen sich etwas entscheidet für die Gesamtbewertung dieses Pontifikats.
Deutschlandradio Kultur: Was erwarten Sie dann? Es wird nach Ostern ein Papier vorgelegt werden. Wird das so gemessen werden: Ja, da hat der Papst tatsächlich sich und seine Position auch innerhalb der Katholischen Kirche gefestigt?
Klaus Mertes: Ich bin mir da nicht so sicher. Nehmen Sie mal das, wie ich meine, für die Kirche schwierigere Thema Homosexualität. Da stehen wir in der Katholischen Kirche noch vor einer riesigen Aufgabe. Es geht ja so weit, dass das Wort selbst ja gar nicht ausgesprochen werden darf oder die Realität selbst gar nicht ausgesprochen werden darf. An der Frage des Umgangs mit Homosexualität hängen unglaublich viele Fragen, die die Gesamtstruktur der Kirche betreffen. Deswegen ist sie angstbesetzt und hat ein hohes Aggressionspotenzial.
Und deswegen, ich muss sagen, fällt es mir nicht leicht, den Papst hier an dieser Stelle zu beraten, wie er da klug agieren soll. Denn am Ende gehört ja auch noch einmal dazu, dass er das Ganze in der Kirche irgendwie zusammenhalten muss.
Mich würde es ja schon freuen, wenn endlich die Katholische Kirche oder der Papst sich an die Spitze von Bewegungen setzen würden, die grundlegende Menschenrechte, wie zum Beispiel das Recht auf Leben für Homosexuelle gegen Staaten und Gesellschaften einklagen, gegen Staaten, die Homosexuelle einfach deswegen ermorden, weil sie händchenhaltend auf der Straße spazieren gehen. Mich würde es schon freuen, wenn Kardinäle endlich aufhören würden, von einer Wertekonvergenz mit Putins Russland zu sprechen, in dem also die Gesetze der Homophobie zur Staatsdoktrin geworden sind.
Schon das Schweigen in diesem Bereich finde ich skandalös. Da brauchen wir noch gar nicht an die Frage zu gehen, dürfen die auch im selben Verständnis sakramental heiraten, wie es Mann und Frau dürfen. Das sind nochmal, finde ich, dem gegenüber nachgeordnete Fragen. Da würde ich mir sehr wünschen, dass von der Katholischen Kirche klare Worte kämen, dass es hier wirklich um Menschenrechtsfragen geht.
Deutschlandradio Kultur: Herzlichen Dank Pater Mertes für das Gespräch.
Pater Klaus Mertes, 1954 geboren, ist seit 2011 Direktor des Kollegs St. Blasien. Von 2000 bis 2011 war er Rektor des Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg Berlin. Der Autor mehrerer Bücher ist außerdem seit 2007 Chefredakteur der Informationsschrift "Jesuiten", einer quartalsweise erscheinenden Publikation der deutschsprachigen Jesuiten.
Mehr zum Thema