Jesuit Franz Magnis-Suseno

Vom Grafen zum indonesischen Philosophie-Professor

Frauen am 02. Juni 2015 auf einer Prozession zum Vesakh Fest in Magelang, Zentral-Java, Indonesien. Millionen Buddhisten auf der ganzen Welt feiern den Vesakh Tag um die Geburt, Erleuchtung und den Tot von Siddhartha Gautama Buddha, dem Gründer des Buddhismus, zu feiern.
Frauen auf einer Prozession zum Vesakh Fest in Magelang, Zentral-Java, Indonesien. © imago / ZUMA Press
Moderation: Anne Françoise Weber · 18.06.2017
Mit 25 Jahren ging Franz Magnis-Suseno 1961 nach Indonesien. Im Gespräch blickt der 81-jährige Jesuit und Philosophieprofessor auf über 50 Jahre Einsatz für Toleranz zurück. Auch mit denen, die vor Jahrzehnten sein Buch über Karl Marx verbrannten, hat er sich versöhnt.
Nach dem Abitur trat Franz von Magnis, wie er damals noch hieß, in den Jesuiten-Orden ein und meldete sich bald für einen Einsatz in Indonesien, wo Muslime die Mehrheit stellen, aber auch Christen, Buddhisten, Hindus, Anhänger des Konfuzianismus und von Naturreligionen leben:
"Ich fand, was deutsche Jesuiten aus Indonesien berichtet haben, so interessant, dass ich mir dachte: Du kannst für die Kirche mehr tun, wenn du nach Indonesien gehst, als wenn du in Deutschland bleibst."
Bald nahm er die indonesische Staatsbürgerschaft an und gab dafür die deutsche ebenso auf wie seinen Grafentitel. Ein wichtiger Schritt, um sich an den heiklen Diskussionen um Demokratie und Menschenrechten in Indonesien auch zu Zeiten des Diktators Suharto beteiligen zu können:
"Das hätte ich als Ausländer überhaupt nicht gekonnt. Da hätte ich nur Predigten halten können in den Kirchen und sonst nichts."

Hilfestellungen für junge Menschen

Bis heute lehrt Magnis-Suseno an der von Jesuiten, Franziskanern und der Erzdiözese Jakarta gegründeten Hochschule Driyarkara Philosophie, lange Jahre war er dort, wo Ordensbrüder neben christlichen Laien und Muslimen studieren, Rektor. Eine besondere Aufgabe sieht er darin, jungen Menschen Hilfestellungen zu geben, um selbst zu denken.
"Das ist eine Sache, die für religiöse Menschen, nicht nur Muslime, manchmal schwer ist, auch für Fundamentalisten. Die Muslime, die zu uns kommen, sind zum Teil hochinteressierte Leute. Die lernen bei uns, dass man, wenn man fromm sein will, nicht aufs Denken verzichten muss."
Ein Ansteigen des islamischen Fundamentalismus beobachtet Magnis-Suseno vor allem unter Studierenden an staatlichen, nicht-religiösen Hochschulen.
"Die fallen sozusagen auf die Idee eines echten Islams herein. Die sagen sich: Ja, der indonesische Islam, das ist ein halber Islam, und die wollen jetzt den richtigen Islam einführen. In Westafrika haben sie eine ganz ähnliche Situation."

Sorgen um kleinere muslimische Gruppen

Auch wenn der Gouverneur von Jakarta, ein chinesisch-stämmiger Christ, im Mai in einem aufsehenerregenden Prozess zu zwei Jahren Haft wegen Blasphemie verurteilt wurde, macht sich Franz Magnis-Suseno weniger Sorgen um die Christen als um kleinere muslimische Gruppen wie Ahmadiyya oder Schiiten. Denn sie sind nicht durch das Blasphemie-Gesetz geschützt und können deswegen persönlich attackiert werden.
Die staatliche Pancasila-Doktrin, die auf Staatsgründer Sukarno zurückgeht, umfasst auch den Glauben an den einen Gott. Ob damit Atheisten in Indonesien eine politische Funktion übernehmen können, sei nicht endgültig geklärt, sagt Franz Magnis-Suseno.
"Dazu kommt, dass Atheismus immer noch durch die Indoktrination Suhartos, des zweiten Präsidenten, mit dem Kommunismus in Verbindung gebracht wird. Das riecht dann irgendwie nach Kommunismus und Kommunismus hat für den normalen Indonesier immer noch den Geruch einer furchtbaren Sache."
In einer antikommunistischen Welle nach dem Sturz Suhartos wurde auch ein Buch von Franz Magnis-Suseno über Karl Marx verbrannt. Er diskutierte lange mit den beiden Anführern der Gruppe:
"Ich habe ihnen unterzeichnete Exemplare gegeben und gesagt: 'Bücher kann man gebrauchen, um Reis einzuwickeln oder Feuer zu machen, man kann sie auch lesen.' 'Ja, natürlich werden wir es lesen', sagten sie. Also, so läuft das in Indonesien."

Hören Sie hier die ganze Sendung vom 18. Juni 2017:
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