Jeden Tag ein Talerbad

Von Volkhard App · 23.12.2007
Zunächst war er nur ein verbitterter alter Mann. Als der amerikanische Zeichner Carl Barks 1947 die Comic-Figur Dagobert Duck erfand, war er nur eine Nebenfigur der Donald-Duck-Geschichten. Doch schon bald wurde die reichste Ente der Welt so erfolgreich, dass Dagobert eine eigene Serie erhielt.
Als er auf die Welt kam, war er bereits ein alter Mann. In seiner ersten Comic-Geschichte sieht man ihn mit bitterer Miene in seiner Villa sitzen. "Grauenhaftes Fest!" sagt er - und dass Weihnachten ihm nicht liege, denn niemand könne ihn leiden, und er selbst möge auch niemanden. Donald und die Neffen will er erst beschenken, wenn sie eine Mutprobe hoch oben in seiner Berghütte bestehen, in einer Gegend, wo es von Bären geradezu wimmelt.

So fing es 1947 an. Der geniale Entenzeichner Carl Barks ließ sich zu diesem Griesgram von dem hartherzigen "Ebenezer Scrooge" in Charles Dickens Weihnachtsgeschichte inspirieren. Gedacht war Dagobert, der im Original eben "Uncle Scrooge" heißt, zunächst nur als Neben- und Kontrastfigur zum armen Donald. Aber die Leser wollten mehr über ihn erfahren. Und so erlebte man ihn schließlich in seiner eigentlichen Heimstatt, im Geldspeicher auf dem Hügel von Entenhausen. Hier springt er wie ein Seehund in die Talerberge, wühlt wie ein Maulwurf darin herum und lässt die Geldstücke auf seine Glatze prasseln.

Täglich prüft er den Pegelstand und wendet das Geld mit dem Bulldozer. 1951 sagte er in der Übersetzung von Erika Fuchs:

"Ich liebe das Knistern der Banknoten, das Klimpern der Goldstücke und den süßen Duft des Großkapitals".

Donalds Antwort:

"Da kommt einem der kalte Kaffee hoch."

Die Verwandten sind für Dagobert oftmals billige Arbeitskräfte, was dem plebejischen Donald den Zorn bis in den Bürzel treibt.

Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit im Reich der Enten. Zum Geld hat Dagobert zweifellos ein erotisches Verhältnis. Es bereitet ihm unmittelbar sinnlichen Genuss, er hortet es - deshalb haben Wirtschaftsexperten immer mal Zweifel angemeldet, ob Dagobert denn überhaupt Kapitalist sei. Aber das sind kleinliche Einwände gegen eine Figur, die einen einzigartigen Rang in der Comicgeschichte hat. Hans Joachim Neyer, Direktor des Wilhelm Busch-Museums:
"Ich liebe Dagobert, fast noch mehr als Donald. Erstens, weil er im Geld schwimmt - und ich möchte auch gerne im Geld schwimmen. Und zweitens, weil er so wunderbare Gegner hat - die Panzerknacker. Die Panzerknacker sind ja nichts ohne Dagobert, sie gehören zusammen. Es gibt keine schönere Gruppe als Dagobert und seine Freund-Feinde, die Panzerknacker."

Mit vorsintflutlicher Technik - Fußangeln, Falltüren und Kanonen - wehrt sich Dagobert gegen die Erzfeinde. Aber sie sind selber archaische Figuren, dumpfe Loser mit Registriernummer auf der Brust.

Joachim Neyer: "Sie versuchen es und scheitern immer wieder - wie alle Menschen, die sich große Ziele setzen. Aber sie tragen es mit Gelassenheit - und sind immer wieder bereit, den Reichtum von Onkel Dagobert zu knacken. Wer sollte es auch sonst tun?"

Zum Trickfilm-Star wurde Dagobert mit einiger Verspätung, aber auch hier erwies er sich dann als belebendes Element im Kosmos von Entenhausen, zum Beispiel in den "Duck Tales".

Bei soviel Wehrhaftigkeit sind die Panzerknacker fast schon am Verzweifeln. Nicht einmal die clevere Großmutter kann ihnen helfen.

Dagobert aber ist nicht auf die Heimat Entenhausen beschränkt. Zum Comicheft-Klassiker wurde er durch großangelegte Abenteuergeschichten. Mit Hilfe Donalds und der drei Neffen jagt er rund um den Erdball sagenhaften Schätzen nach, sucht das Gold der Inka und den Stein der Weisen.

Dagobert ist im Grunde ein früher Globalist - und bleibt doch eine anachronistische Figur. Heute herrschen anonyme Manager, die unsichtbare Kapitalströme über die Kontinente schicken. Der knorrige Dagobert aber ist leibhaftig unterwegs. Und sein Vermögen hat er als Goldgräber in Alaska begründet, durch eigener Hände Arbeit also: ein klassischer Selfmade-Mann, wie er im Geschichtsbuch der Amerikaner steht.

Die Diskussion darüber, ob durch Dagobert der Kapitalismus nicht allzu sympathisch erscheine, ist mittlerweile verstummt. Comics werden, anders als in den siebziger Jahren, nicht mehr ideologiekritisch abgeklopft.

Diesen alten Mann mit Backenbart, Zylinder und abgeschabtem Bürorock kann man ohnehin nicht richtig ernst nehmen. Er ist ein einsamer Patron, Bindungen ans Weib sind nur vereinzelt bekannt - der für ihre Kochkünste gerühmten Gewerbeoberlehrerin Greta Gründlich soll er mal ein Eheversprechen gegeben haben, einer Frau mit Korkenzieherlocken, Nickelbrille und Wollweste. Der Forscher Grobian Gans hat in einer der Geschichten eine weitere Herzenskandidatin Dagoberts entdeckt, eine gewisse Betty Bienenstich. Aber das war's dann auch.

Dabei zeigt sich Dagobert durchaus rüstig, allenfalls eine gelegentliche Geldallergie macht ihm zu schaffen, dann muss er kräftig schniefen. Ansonsten erfreut sich der "reichste Mann der Welt" guter Gesundheit, was die Stimmung bei der Geburtstagsfeier sicher hebt.
Entenchor: "Happy Birthday!"