Jazz

Mit Strenge und Freude zur Brillanz

Von Georg Gruber · 25.04.2014
Ihren Chorleiter Hans Hering nennen die Sänger nur Hennes. Sie kennen ihn schon aus dem Kammerchor ihres alten Gymnasiums. Seit der Musiklehrer in Rente ist, probt der Jazzchor jeden zweiten Sonntag bei ihm zuhause. Da geht es streng zu. Und lustvoll.
Dieser Chorleiter hat wirklich ein sehr genaues Ohr:
"Sopran war ein bisschen zu viel Steigerung. Wir bleiben auf U. Die schnellen Sechzehntel nicht so anschubsen."
"Ich versuche einen möglichst durchsichtigen Klang, zu finden, wo nicht unbedingt dauernd geschrien wird und laut ist, so wie bei manchen Jazzchören, die meinen, Jazzchor heißt einfach laut singen, sondern sehr differenziert, viel Dynamik. Und durch die Artikulation zu schauen, dass der Klang irgendwie so wird, dass man die Einzelstimme gut hört."
Takt für Takt werden die heiklen Stellen in den Liedern durchgegangen und wiederholt, solange bis er so einigermaßen zufrieden ist.
Chorleiter: "Wenn's jetzt geht, dann machen wir da kein Loch. Also gleiche Stelle."
Die einzelnen Stimmen muss jeder selbst zu Hause vorbereiten, in den Proben geht's nur noch ums Feintuning. Noten und Hörbeispiele werden per Internet und Dropbox verschickt.
Sänger: "Das heißt jede Stimme ist einzeln mit dem Klavier nachgespielt. Da kann ich also selber hören, wie es klingen soll und dann muss ich die Töne üben. Ich komme also in die Probe rein und dann sollte es stehen und man macht höchstens noch so Intonationsteile, und sonst geht es halt nur drum laut und leise zu üben und sonstige Sachen. Weil wenn man da jetzt anfangen würden, nach Richtigkeit zu proben, dann würde man nicht vorwärts kommen."
Chorleiter: "Stopp, stopp, stopp, bitte nicht so" (singt ein kurzes Stück)
"Er quält uns schon ganz gern und ganz gut"
Seit sechs Jahren treffen sich die Sängerinnen und Sänger, um durch diese strenge Schule zu gehen. Alle zwei Wochen, sonntags, im Probenraum unter der Garage von Hans G. Hering, den die meisten nur Hennes nennen. Denn man kennt sich schon länger: Der Chorleiter war bis vor zwei Jahren Musiklehrer am örtlichen Gymnasium und hat dort den ambitionierten Kammerchor geleitet. Und alle, die nun im Jazzchor singen, waren in diesem Schulchor:
"Das war in der Schule immer schön und war einfach ein Glücksfall, dass er das auch hinterher mit uns gemacht hat. Also mir tut singen gut, deswegen mache ich es."
Gesang: "My power"
Chorleiter: "My power, my pleasure, my pain"
"Er quält uns schon ganz gern und ganz gut. Wir sind es schon gewohnt, von der Schule, da haben wir es auch immer so gemacht bei ihm. Und da weiß man halt, worauf man sich einlässt, das ist von vornherein klar. War schon damals eine gute Zeit und ist auch jetzt immer noch eine gute Zeit."
Viele der 27 Sängerinnen und Sänger wohnen gar nicht mehr in Miesbach, sondern sind fortgezogen oder studieren im 50 km entfernten München. Und verbinden dann die Probe mit einem Sonntagsbesuch bei den Eltern.
Sängerin 2: "Wir haben ganz verschiedenen Mitglieder mit verschiedenen Berufen von Student über Ärzte bis zu ..."
Sängerin 3: "BWLer, Techniker, Elektriker, Schauspielerin, halbes dutzend Lehrer."
Sängerin 2: "Ja, viele Lehrer sind dabei, auch Lehramtsstudenten."
Sängerin 3: "Und jeder bringt seinen eigenen Blickwinkel mit ein, der Elektriker sieht's ganz anders als die Schauspielerin, ist aber oft sehr hilfreich bei Proben."
Sängerin 2: "Und die Ärzte sehen's wieder ganz anders."
Sängerin 3: "Die sehens ganz anders, die sehens mehr therapeutisch."
Sängerin 2: "Aber falls uns was passiert, sind wir rundum abgesichert."
"Aftershow ist wichtig"
Normalerweise dauern die Proben drei Stunden, vor wichtigen Auftritten aber auch gerne mal fünf, so wie an diesem Abend, wo das gemeinsame Üben erst nach 21 Uhr endet, unterbrochen nur von zwei kurzen Pausen. Der 65-jährige Chorleiter hat seinen Sängergruppe im Griff. Trotz der peniblen Arbeit ist die Stimmung gut.
"Man merkt auch selber, wie gut wir sind zur Zeit. Und das macht schon viel Spaß, man geht schon mit einem guten Gefühl hier aus der Probe raus und mit einem beschwingten Gefühl auch."
Hering hat ein Ziel, das er mit seinem Schulchor nicht erreichen konnte: Einen Preis beim Deutschen Chorwettbewerb.
"Das ist dann egal, ob es erster, zweiter oder dritter ist. Aber ich fände das auch schon gut, mal einen dritten Platz zu haben. Das ist so das Ziel, da irgendwohin zu kommen."
Und die Chancen beim diesjährigen Wettbewerb in Weimar vorne zu landen, stehen nicht schlecht. Mit den Erfolgen ergeben sich auch neue Herausforderungen für die Sängerinnen und Sänger. Beispielsweise ist die Stelle des Aftershowbeauftragten noch zu vergeben:
"Den hat unser Konkurrenzchor. Und wir wurden angemailt nach einem Konzert auf eine Aftershowparty, die haben eine Aftershowbeauftragte mit Email-Adresse, da haben wir gesagt, der Posten ist bei uns noch nicht vergeben, das geht ja gar nicht! Oder so was brauchen wir auch! Aftershow ist wichtig!"
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