Jazz - gezeichnet

Von Marén Balkow · 15.10.2008
Schlankes Format, in schwarzes Leinen gebunden, auf dem Titel die Zeichnung eines Trompeters, so präsentiert sich der Grafikband "Jazz. Im New York der wilden Zwanziger", der als "Das schönste Buch des Jahres 2007" auf der Frankfurter Buchmesse ausgezeichnet wird. Darin finden sich Porträts berühmter Jazz-Musiker, dazu eine CD mit passender Musik. Der Schöpfer der Zeichnungen, Robert Nippoldt, ist gerade 31 Jahre alt.
"Ich zeichne nicht gern vor, muss ich sagen. Ich mag's gerne, wenn die Zeichnung nen Schwung hat, […] Zum Beispiel bei Fats Waller, einem der Musiker aus dem Jazz-Buch, das ist halt so n Riesen-, Riesen-Monstertyp gewesen: unglaublich groß und dick. Ah, der musste einfach auch mit ganz kräftigen Strichen gezeichnet werden. Auch von der Gestaltung her. Der musste einfach riesengroß auf dem Blatt sein. Im Grunde fast die ganze Doppelseite ausfüllen."

Da liegt er, der Prachtband – das Jazz-Buch – aufgeschlagen und gestreichelt vom Vater, seinem Gestalter und Illustrator Robert Nippoldt. Alles in diesem Zeichenatelier bezieht sich auf dieses wunderbare Buch und seinen überwältigenden Erfolg. An den Wänden edel gerahmte Siebdrucke mit Motiven aus dem Band: Konterfeis von Jazz-Berühmtheiten. Daneben, ein großformatiger Kalender, noch eingeschweißt in Folie: Jazz 2009.

Robert Nippoldt ist gerade 31 geworden, hat vor drei Jahren sein Graphikstudium in Münster abgeschlossen und für sein zweites Buch: "Jazz" den ersten Preis der "Stiftung Deutsche Buchkunst" gewonnen.

"Ich hab immer gezeichnet. In der Schule hab ich immer die Lehrer karikiert. Einmal hab ich meinen Religionslehrer als Wildschwein gezeichnet und dann hat irgendein Mitschüler das weitergegeben und dann kam’s vorne bei ihm an. Und er: ‚Robert, nach der Stunde!’ Und dann hat er aber zugegeben, dass er sie schon gerne mochte die Zeichnung. Aber ich musste trotzdem ne Strafarbeit machen. Ich hab ihn Jahre später noch getroffen, und es hängt wohl noch in seinem Arbeitszimmer. (Lacht)"

Dass Robert Nippoldt kein braver Schüler war, glaubt man sofort. Wer ihm gegenübertritt, wird von seiner Energie überrollt. Nippoldt springt um seinen Besuch herum, reibt freudestrahlend die Hände aneinander, will einem alles auf einmal zeigen: zieht Bildmappen und Ordner aus dem Regal, wirft sie auf den Zeichentisch, verschwindet hinter der Tür, kommt mit einer Papierrolle hervor, breitet das Plakat auf dem Boden aus.

"Ja genau, ich zeig dir einmal kurz… (Tür) … und zwar, wie ich halt oft arbeite…"

Robert ist ein Kind mit vielen Talenten. Alles will er machen und zwar schnell, wenn er malt, dann sehr flink und mit nur wenigen Strichen. Bücher faszinieren. Allerdings interessiert den Jungen weniger das, was drinsteht:

"Ich war früher immer einer, ich mochte gern die Bilder und hab immer die Bildunterschriften gelesen. Und da hat sich meine Mutter immer drüber lustig gemacht: ‚Lies mal ein richtiges Buch, nicht nur die Bildunterschriften!’"

Nach dem Abitur im niederrheinischen Kleve weiß Nippoldt nicht so recht, wohin mit sich: Krankengymnast, Geographielehrer, Profisportler, Rockstar? Oder doch Illustrator? Blauäugig bewirbt er sich mit einer rasch zusammengestellten Mappe Fachhochschule Münster für den Studiengang Design. Und wird abgelehnt. Die Mutter sagt, ‚Mach was Anständiges: Studier Jura, wie dein Vater!’ Ein Semester Rechtswissenschaften in Marburg, dann doch der Wechsel zum Graphikstudium nach Münster – Die Miete verdient sich Robert in beiden Städten mit Jobs als Gerichtszeichner:

"Weil es so schön war. Man konnte einerseits den Geschichten lauschen, gruselig oder hanebüchen, und andererseits waren es immer so irre Typen, die da herumsaßen, die saßen auch relativ still. Das war perfekt, um zu zeichnen. Kann ich jedem Illustrationsstudenten nur empfehlen ins Gericht zu gehen; ist ne gute Übung."

Seine Diplomarbeit ist ein Buch über: Gangster! Die Bosse von Chicago. Verbrecherporträts in schlankem Hochformat, gebunden in dunkelrotes Leinen. Ästhetisch vollkommen, meint Nippoldt. Das muss verlegt werden! Der Grafikstudent stürmt die Frankfurter Buchmesse, überrumpelt Verlegerlegende Vito von Eichborn am Stand des Europaverlags, hält ihm das Buch unter die Nase. Eichborns Kommentar: "Schönes Buch. Nicht bei uns. Gehen Sie zu Gerstenberg!". Die famose Geschichte zwischen Nippoldt und seinem Verleger beginnt:

"Angefangen hat es ja mit dem Gangster-Buch und kurz bevor das raus kam, 2005, kam der Verlag dann: ‚Ja, Herr Nippoldt, wir haben ein ganz tolles Feedback gekriegt von der Presse, wollen wir nicht ein neues Buch machen?’. Ich: ‚Ja gerne! Neues Buch. Super!’"

Das Zeichentalent hat natürlich eine Idee parat für eine neue gestaltete Enzyklopädie: Huren und Mätressen!

"Oh Gott, Herr Nippoldt. Huren und Mätressen! Das soll ein Geschenkband werden. Das kann man keinem schenken. Wenn so ein Band Huren und Mätressen heißt, ist das natürlich eine Katastrophe unterm Weihnachtsbaum. (lacht)"

Der Verlag will ein Buch über Jazz machen.

"Jazz? Puh! Also ich mach selber Musik und hör viel Musik."

Musik macht Nippoldt mit seinem Busenfreund Tobi. Das Duo nennt sich: "Kernspaltung". Auf Konzerten ernten sie regelmäßig Buh-Rufe. Deshalb zurück zum Buchprojekt:

"Mit Jazz hatte ich eigentlich bis dato kaum Berührungspunkte. Ich dachte, okay, machst ein Buch über Jazz. Das ist gut beackert, gibt tolle Bücher, gibt tausende von Vorlagen. Das geht bestimmt ratzfatz!"

Anderthalb Jahre hat es letztlich gedauert. Robert arbeitet sich ins Thema ein, trifft sich mit Leuten, die sich auskennen, hört stundenlang Schallplatten und wühlt sich durchs Regensburger Jazz-Archiv. Dann entwirft er die vom Gerstenberg-Verlag bestellten 144 Seiten. Zeichnungen und Vignetten, Typographie und Gestaltung des Einbands – alles lag in den Händen des Gestalters.

"Gestaltung und Illustration ist bei mir mindestens gleichberechtigt und das Konzeptionelle, das Inhaltliche ist mir halt auch sehr wichtig."

Bücher von Robert Nippoldt:
"Gangster. Die Bosse von Chicago", Gerstenberg-Verlag 2005
Robert Nippoldt und Hans-Jürgen Schaal: "Jazz im New York der wilden Zwanziger". Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2007. 144 Seiten
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