Jack Garratt: "Phase"

Englands Newcomer des Jahres

Der britische Musiker Jack Garratt beim Open-Air-Festival in St. Gallen am 26. Juni 2015
Der britische Musiker Jack Garratt beim Open-Air-Festival in St. Gallen im Juni 2015 © picture alliance / dpa / Gian Ehrenzeller
Von Amy Zayed · 19.02.2016
Jack Garratt ist die große Hoffnung des britischen Pop. Mit seinem Debütalbum "Phase" gewann er - wie vor ihm Adele und James Bay - sowohl den Newcomer-Wettbewerb der BBC "Sound of 2016" als auch den Kritikerpreis der Brit Awards.
"Meine Platte muss man glaube ich mehrmals hören, um sie zu verstehen. Ich hoffe, dass es keine allzu große Herausforderung ist. Ich wollte es so machen, dass es keine verschwendeten Noten gibt. Alles musste an seinen Platz. Es sollte trotz seiner verschiedenen Schichten immer interessant sein."
Lieder von Liebe und Schmerz
Manchmal kommen die Songs tatsächlich etwas verschwurbelt daher. Da hört man Synthesizer, irgendwo im Hintergrund ein paar Klickgeräusche, ein paar Hiphop-Einflüsse, und dazwischen immer Jack Garratts soulige und doch junge Stimme, die von Liebe und Schmerz singt. Irgendwie klingt "Phase" so, als ob jemand versucht hätte, seine eigenen Gedanken zu ordnen, indem er das Ganze Wirrwarr in seinem Kopf auf verschiedene Songs verteilt.
"Vor eineinhalb Jahren bin ich nach London in eine Sozialwohnung gezogen. Da hab ich in einem Raum ohne Fenster gesessen und an meiner Musik rumgeschraubt. Diese Zeit hat mich als Musiker geprägt. Und diese Gedanken haben auch diese Platte geprägt."
Synästhesie - "wie cool ist das denn"?
Doch nicht nur dunkle Räume in London prägen das Album. Als Jack Garratt noch selber Schüler war, jobbte er nebenher als Schul-Begleiter für einen geistig behinderten Jungen. Durch dieses Erlebnis beschäftigte er sich viel mit Sinneswahrnehmungen, was sich auch hörbar in einigen seiner Songs niederschlägt. Wie etwa "Synesthesia".
"Synästhesie ist, wenn verschiedene Sinneswahrnehmungen ineinander greifen. Das heißt, Du schmeckst irgendwas, und assoziierst damit irgendein Geräusch, und hörst es auch richtig, oder Du riechst etwas, und siehst dazu ein Bild. Die häufigste Form der Synästhesie ist, dass man etwas hört, und dann gleichzeitig ein Bild vor Augen hat. Musik ist ein genialer Auslöser dafür!
Mich fasziniert diese Idee, dass man etwas hört, und dann unfreiwillig irgendwelche Bilder im Kopf hat. Dann hat man plötzlich total krasse und wirre Formen und Farben im Kopf, wie cool ist das denn? Und ich dachte: Genau das will ich mit meinem Album auslösen! Deshalb sind auch überall so versteckte Geräusche und abrupte Änderungen zu hören."

Bereits mit 15 Teilnehmer an der Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest
Bis Garratt seine eigene musikalische Sprache fand, war es für ihn allerdings ein langer Weg. Der aktuelle Hype um ihn als Newcomer relativiert sich, wenn man berücksichtigt, dass Jack Garratt schon vor mehr als zehn Jahren am britischen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest teilnahm. Erfolglos, aber damals war Jack auch gerade erst 15 Jahre jung.
Mit 19 schrieb er akustische Blues-Songs, die ihm erste Achtungserfolge brachten. Ein nahezu fertiges Album erschien jedoch nie, weil er von seinen eigenen Songs nicht überzeugt war. Er brauchte weitere fünf Jahre, um zu seinem neuen Sound zu finden, für den er in seiner Heimat nun so gefeiert wird.
Aus dem Stand heraus räumte er zwei renommierte britische Musikpreise ab. Er gewann den schlagzeilenträchtigen Newcomer-Wettbewerb der BBC "Sound of 2016" ebenso wie den Kritikerpreis der Brit Awards.
Weder eingängige noch radiotaugliche Musik
Im Vergleich zu den vorherigen Gewinnern beider Auszeichnungen passt Garratt eigentlich überhaupt nicht in das typische Schema des eingängigen Pop einer Adele, eines James Bay oder Michael Kiwanuka. Garratt sticht heraus. Denn seine Musik ist weder eingängig noch wirklich auf die Dauer radiotauglich.
Aber vielleicht ist das auch der Grund, dass er ausgewählt wurde. Die Innovation, der Mut zum Risiko etwas Neues auszuprobieren. Pop mit ein bisschen minimal Elektro und Soul zu vermischen. Wie sich dieser Sound in Zukunft entwickelt, hält sich Garratt offen. Überwältigen lässt er sich von seinem schnellen Ruhm aber offenbar nicht.
"Ich habe noch so viel harte Arbeit vor mir, das ist mir klar. Ich muss auch aufpassen. Denn so ruhmreich und so großartig das auch ist, all diese Awards zu bekommen, ich darf nicht vergessen, dass diese Awards mir nie vorschreiben dürfen, wie's mit mir weitergeht. Ich habe noch einen Berg Arbeit vor mir und kann mich nicht ausruhen."
Spannend ist das Debüt "Phase" auf jeden Fall. Es grenzt sich ab vom gängigen Pop-Einerlei und bietet dennoch genügend Anknüpfungspunkte an bekannte Pop-Sounds. Sie macht neugierig auf mehr und, was noch viel wichtiger ist, weghören kann man auf gar keinen Fall.
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