Israelis und Palästinenser müssen sich direkt einigen

Von Rafael Seligmann · 28.09.2011
Israel und die palästinensische Autonomieregierung unter Präsident Mahmut Abbas haben eine historische Chance zum Frieden verpasst. Wieder einmal.
Statt einen ehrlichen Interessenausgleich zu suchen, der nur durch einen Kompromiss zu erreichen ist, haben beide Seiten eine Prestige- und Angstpolitik betrieben, die nicht zum Ende der Feindseligkeiten, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Eskalation der Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern führen wird.

Die Notwendigkeit einer Einigung und ihre Grundzüge sind bei vernünftigen Israelis und Palästinensern unbestritten. Die Palästinenser wollen, wie Präsident Abbas es vor den Vereinten Nationen ausdrückte, endlich einen eigenen Staat. Und selbst nationalistische Israelis mussten erkennen, dass die 1967 besetzten arabischen Gebiete, der Gaza-Streifen und das Westjordanland, nicht von Zion beherrschbar sind. Daher hat Israel den Gaza-Streifen einseitig geräumt und das Westjordanland eingezäunt und eingemauert. Aber Israel fährt fort, jüdische Siedlungen auf arabischem Gebiet auszubauen. Die Palästinenser wehren sich verständlicherweise dagegen.

Doch statt dies in direkten Verhandlungen mit Israel zu tun, haben die Palästinenser die Gespräche abgebrochen. Dies erschien ihnen angemessen, denn US-Präsident Obama hatte bereits vor einem Jahr einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 gefordert. Wenn Israels amerikanischer Patron dies verlangte, wozu noch mit Zion über dessen Einwände streiten, meinte die Autonomiebehörde und kündigte an, im Sicherheitsrat den Antrag auf Aufnahme als 194. Staat der Vereinten Nationen zu stellen.

Nun haben die Palästinenser ihren Vorsatz erfüllt und sich an die UNO gewandt, wo sie in der Vollversammlung mit einer satten Mehrheit rechnen können. "Ich möchte Sie darüber informieren", rief Präsident Abbas am East River den Delegierten der 193 Staaten zu " ... dass ich den Antrag zur Aufnahme Palästinas auf der Grundlage der Grenzen von 1967, mit al Kuds al Scharif (der arabische Name Jerusalems) als Hauptstadt, als Vollmitglied der Vereinten Nationen übergeben habe." Die israelischen Einwände ließ Abbas dabei unberücksichtigt.

Als nächster Redner betonte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Friedensbereitschaft seines Landes gegenüber den Palästinensern und den anderen arabischen Staaten. Doch der israelische Premier versäumte, den palästinensischen Aufnahme-Antrag zu unterstützen.

Es wäre eine historische Gelegenheit gewesen, vor dem Weltforum zu betonen, was Netanjahu seinen Landsleuten bereits vor zwei Jahren erklärt hatte: "Israel wünscht mit einem palästinensischen Staat an seiner Seite friedliche Beziehungen zu pflegen." Dies nun in New York vor dem Weltforum erneut hervorzuheben, hätte Zion in die politische Offensive gebracht. Aus dieser Position hätte Jerusalem seine Essentials erläutern können. Israel will ein jüdischer Staat bleiben. Es möchte in international anerkannten Grenzen leben und eine Rückkehr von Millionen Flüchtlingsnachkommen vermeiden.

Das Unterlassen der Unterstützung der palästinensischen Petition auf Unabhängigkeit dagegen vertieft Israels Isolation. Die Vereinigten Staaten und Deutschland werden von Jerusalem aus unterschiedlichen Gründen in politische Haftung genommen. US-Präsident Obama unterstützt Palästinas Bestreben nach Eigenstaatlichkeit. Doch in den bevorstehenden Wahlen meint Obama auf jüdische Wählerstimmen Rücksicht nehmen zu müssen, die eine pro-israelische Politik befürworten. Deutschland wiederum fühlt sich aufgrund seiner Vergangenheit in besonderer Weise Israels Sicherheit verpflichtet. Doch Berlin möchte seine Beziehungen zur islamischen Welt durch Israels Politik nicht gefährdet sehen.

Nun hat das Nahost-Quartett - USA, Russland, EU, UNO - Israelis und Palästinensern einen straffen Zeitplan zur Einigung auferlegt. Doch diese Vorgabe wird Makulatur bleiben, solange die Partner sich nicht in direkten Gesprächen einigen. Es führt kein Weg daran vorbei: Israelis und Palästinenser müssen aus eigener Überzeugung einen Ausgleich ihrer Interessen finden, um endlich das Blutvergießen zu beenden.

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