Islamistischer Terror

Warum der IS bald in neuer Form erscheinen könnte

Einschusslöcher in einer Häuserwand in Mosul nach der Befreiung vom IS.
Befreit oder auf lange Zeit verwundet? Mossul nach dem Abzug des Islamischen Staats. © imago stock&people
Von Emran Feroz · 25.08.2017
Mossul gilt als "befreit". Doch vernichtet ist der Islamische Staat noch lange nicht. In neuer Form könnte er schon bald wieder auftauchen, meint der aus Afghanistan stammende Journalist Emran Feroz.
Seit Ende Juli wird von der "Befreiung" Mossuls gesprochen. Der sogenannte Islamische Staat (IS) wurde von den Amerikanern und ihren Verbündeten in der irakischen Stadt zerbombt und vernichtet. Ein Grund zur Freude ist dies jedoch nicht. Ja, den IS in Mossul gibt es praktisch nicht mehr. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass er sehr bald wieder in Erscheinung tritt. Die Gründe hierfür sind bekannt: Es sind jene, die den IS bereits zum ersten Mal entstehen ließen.

Falsche Verbündete

Im Kampf gegen den IS hat sich der Westen nämlich abermals falsche Verbündete ausgesucht. Bei diesen handelt es sich großteils um brutale, sektiererische Milizen und Soldaten, deren Vorgehen sich nicht groß von jenem der IS-Extremisten unterscheidet. Sie foltern, sie vergewaltigen und sie töten. Ironischerweise werden diese Kräfte medial oft und einfach als "irakische Sicherheitskräfte" bezeichnet. Doch von Sicherheit fehlt jede Spur, auch im post-IS Mossul.

"Sicherheitskräften" werden von Teheran unterstützt

Einige wenige Berichte aus Mossul machten in den letzten Wochen das tatsächliche Grauen deutlich, dass sich in der Stadt in den Tagen der "Befreiung" abspielte. In einem Blutrausch töteten irakische Milizionäre nicht nur IS-Kämpfer, sondern auch zahlreiche unschuldige Männer, Frauen und Kinder. Hauptsache, es handelte sich um sunnitische Muslime aus der Region. Den "Sicherheitskräften", von denen viele vom schiitisch-extremistischen Regime in Teheran unterstützt werden, wurde der Weg zum Massaker von den Amerikanern frei gebombt. Viele von ihnen prahlten mit ihren Verbrechen und nahmen sie mit ihren Smartphones auf. Ihr Ziel ist – im besten Fall – ein Irak ohne Sunniten.
Einige der Täter haben allerdings ihre Schandtaten erkannt und sehen mittlerweile keinen Unterschied zwischen sich selbst und den IS-Kämpfern. "Ich sehe, wie wir dasselbe tun wie der IS", gestand ein Major der irakischen Armee in einem Interview ein. Doch während er Einsicht zeigte, ist dies bei jenen, die das Blutbad in Mossul ermöglichten, nicht der Fall.

Dem Westen ging es immer um eigene Interessen

Jene westlichen Staaten, die unter der Führung der USA den IS bekämpfen, meinen weiterhin, Gutes vollbracht und die "zivilisierte Welt" verteidigt zu haben. Über das Blutvergießen wird ein weiteres Mal hinweggesehen. Dabei ist diese Praxis nichts Neues. Zu oft hat sich der Westen in Krisenregionen mit Mördern und Verbrechen zusammengeschlossen, um andere Mörder und Verbrechen zu bekämpfen. Um die Menschen vor Ort ging es dabei niemals, sondern lediglich um die eigenen Interessen. Dies war schon immer so – bis heute.

Man wird sich wieder überrascht geben

Über Mossul liegt nicht der Duft der Freiheit. Stattdessen stinkt es nach Leichen und Blut. Die dystopischen Zustände in der Region werden zu noch mehr Verrohung, Hass und Extremismus führen. Schon einmal hat dieser Alltag zum Entstehen des IS geführt. Umso weniger überrascht sollte man sein, wenn bald ein IS 2.0 aufersteht. Doch dann wird es in Washington, London oder Berlin ein weiteres Mal heißen, dass man von nichts wusste.
Was also tun? Die Situation ist inzwischen so verfahren, dass es keine schnelle Auswege gibt. Beginnen könnte man zumindest mit dem öffentlichen Bekenntnis, dass man bisher egoistisch gehandelt hat und viele Folgen sehr wohl absehbar waren. So könnte der Westen ein wenig von seiner Glaubwürdigkeit in der Region zurück gewinnen.

Emran Feroz ist freier Journalist mit afghanischen Wurzeln. Er berichtet regelmäßig über die politische Lage im Nahen Osten und Zentralasien. Feroz publiziert in deutsch- und englischsprachigen Medien.

Mehr zum Thema