Islamischer Staat

"Der IS betrachtet sich als eine Art Avantgarde"

Ein Anhänger des IS mit der Flagge der Miliz
Ein Anhänger des IS mit der Flagge der Miliz. © afp
Moderation: Birgit Kolkmann und Klaus Pokatzky · 18.11.2014
Der "Islamische Staat" wird im Westen als tickende Zeitbombe wahrgenommen. Im Unterschied zu anderen Gruppierungen nutzt der IS äußerst professionell die Medien. den angekündigten Marsch nach Jerusalem wertet der Islamwissenschaftler Christoph Günther jedoch als Utopie.
Der Islamwissenschaftler Christoph Günther hält die Ankündigung der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS oder auch ISIS), Jerusalem zu erobern, für nicht sehr wahrscheinlich.
"Ich glaube, dass zunächst das Ziel Jerusalem auf der Landkarte des Islamischen Staates eine Utopie ist, die auch dazu dient, die Anhänger und Kämpfer anzutreiben. Also kann man wohl davon ausgehen, dass eine Realisierung der Utopie gar nicht im Interesse der Gruppierung ist, sondern vielmehr diese Utopie als antreibendes Moment ständig aufrecht zu erhalten."
Günther forscht seit sechs Jahren über die Gruppierung "Islamischer Staat im Irak und Großsyrien" (ISIS) und hat 2013 an der Universität Leipzig darüber promoviert. Als besonderes Merkmal der ISIS - und Hauptunterschied zu anderen Gruppierungen wie Al-Nusra - sieht Günther, dass sie "nicht nur rhetorisch danach strebt, ein islamisches Gesellschaftsmodell territorial zu implementieren und durchzusetzen, sondern das tatsächlich auch tut".
Professionelle Nutzung der Medien
Es gebe demzufolge auch eine starke Konkurrenz zu anderen Gruppierungen. So habe es der IS durch professionelle Medienarbeit und durch die Nutzung von Social Media wie Facebook und Twitter geschafft, den anderen Gruppen in ihrer Medienwirksamkeit "ein Stück weit das Wasser abzugraben".
Seiner Beobachtung nach versuche der IS, sich selbst als ernst zu nehmender politischer Akteur und als "Größe" zu porträtieren und zu installieren. Inwiefern dies Früchte trage, sei jedoch aus seiner Sicht "sehr ungewiss und hochspekulativ".
Deutlich sei die Ambivalenz der IS: Einerseits wolle die Gruppierung als Verhandlungspartner wahr genommen werden, zeige jedoch zugleich große Grausamkeit und Barbarei. IS betrachte sich selbst als "eine Art Avantgarde" - sie sehe sich als einzige Gruppierung, die auch bereit sei "moralische Grenzen zu überschreiten für ein höheres Ziel".
Mehr zum Thema