Iran

Regisseur Jafar Panahi filmt trotz Berufsverbot

Der iranische Regisseur Jafar Panahi im Porträt
Der iranische Regisseur Jafar Panahi © AFP / Atta Kenare
Von Anke Leweke · 22.07.2015
Der Berlinale-Gewinner "Taxi Teheran" von Jafar Panahi kommt nun ins Kino - obwohl es ihn eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn seit 2010 hat der iranische Regisseur Berufsverbot. Seine Filme sind mutige Akte zivilen Ungehorsams.
"Stellen wir uns vor, dass der Teppich das Zimmer des Mädchens ist."
"This ist not a film" aus dem Jahr 2011 ist der erste Film, den Jafar Panahi trotz Berufsverbots dreht. Der Regisseur schiebt im Wohnzimmer seiner im Norden von Teheran gelegenen Wohnung Stühle und Sessel weg, markiert mit einem breiten Klebeband ein Viereck.
"Das ist das Zimmer meiner Heldin. Das Kissen hier ist ihr Bett."
Jafar Panahi spielt eine Szene aus einem nie gedrehten Film. Einem Projekt, das nicht durch die Zensur gekommen ist. Das Drehbuch handelt von einem jungen Mädchen, das aus einer traditionellen Familie kommt, und deshalb nicht an der Kunsthochschule studieren darf. Es ist das letzte Projekt, das Panahi vor dem Urteil, das ihm Berufsverbot beschert, einreicht. Der Regisseur liest aus dem Skript vor, beschreibt die Personen und ihre Situation. Mit schlitzohriger Kreativität bringt er so einen offiziell verbotenen Film dennoch auf die Leinwand.
"Zur Geschichte des iranischen Kinos gehört die Zensur. Das ist nichts Neues. Manchmal greifen die Zensoren härter zu, manchmal sind sie milde gestimmt. 80 Prozent ihrer Energie und Fantasie müssen iranische Filmemacher dazu verwenden, sich im Labyrinth der Zensur und ihrer Vorschriften zurecht zu finden."
Das Treffen mit Jafar Panahi fand auf den Filmfestspielen in Venedig im Jahr 2000 statt. Damals durfte der Regisseur noch Interviews geben. Aber sein dritter Film "Der Kreis", mit dem er den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig gewann, war in seiner Heimat bereits verboten. Zu prekär, zu aktuell das Thema. Der Film begleitet sechs junge Frauen während eines Tages durch die iranische Hauptstadt. Sie sehen sich mit diskriminierenden Vorschriften konfrontiert, versuchen aus diesen auszubrechen.
"Meine Filme kreisen um Einschränkungen"
"Meine Filme kreisen um Einschränkungen. Einschränkungen, die es für die Menschen gibt und die durch Regierungen geschaffen wurden. Deshalb befasse ich mich gerne mit der Situation von Frauen, weil es in meiner Heimat Gesetze gibt, die sie unterdrücken, und weil sie daher mit mehr gesellschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Solange diese Probleme nicht gelöst werden, werde ich mit meiner Kamera weiterhin von ihnen erzählen."
Jafar Panihi dreht keine plumpen Politfilme, keine anklagenden Sozialdramen, vielmehr ist er ein präziser Beobachter des Alltags. Wenn sich eine junge Frau ohne elterliche Erlaubnis keine Busfahrkarte kaufen darf, ist bereits vieles über die Zwänge gesagt, die ihren Alltag bestimmen. Oder wenn sich Frauen wie in "Offside" von 2006 als Männer verkleiden, um ein Fußballspiel im Stadium zu sehen. Anhand von solchen Details veranschaulicht Jafar Panahi Lebenswelten auf der Leinwand und überlässt es dem Zuschauer, sich sein eigenes Bild zu machen.
"Der politische Filmemacher ist in meinen Augen ein parteiischer Filmemacher, da er aufgrund seiner Ideologie und Sichtweise, die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Menschen und ihr Verhalten beurteilt. Das soziale Kino geht anders vor. Es ergreift keine Partei, klassifiziert nicht, sondern es beschreibt die Lebensbedingungen der Menschen. Er gibt dem Zuschauer kein Rezept vor, wie er über die Menschen und ihr Verhalten zu urteilen hat.
Deshalb ertragen autoritäre Regierungen den sozialen Filmemacher nicht. Sie meinen, die Regierungslinie sei die Wahrheit, und diese Sicht müsse auch vom Kino übernommen werden. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Aus diesem Grund sind die sozialen Filmemacher für die Autoritäten allein aufgrund ihres Blickes politisch und somit eine Bedrohung."
Regisseur Jafar Panahi durfte nicht zur Berlinale-Preisverleihung anreisen - seine Nichte Hanna Saeidi (li.) nahm den Preis entgegen.
Regisseur Jafar Panahi durfte nicht zur Berlinale-Preisverleihung anreisen - seine Nichte Hanna Saeidi (li.) nahm den Preis entgegen. © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Wohl deshalb sind die Filme von Jafar Panahi eine Bedrohung für die Offiziellen: weil sie so echt, so authentisch und so wahrhaftig wirken. Der Zuschauer wiederum findet sich plötzlich auf Augenhöhe in fremden Lebensverhältnissen wieder.
"Die Themen meiner Filme ziehen ihre Inspiration aus der Gesellschaft. Es sind vor der eigenen Haustür gefundene Geschichten. Da ist es nur konsequent, dass ich mich für echte Menschen als Darsteller entscheide, die die Verhältnisse kennen, die ich beschreibe. Wenn ich zum Beispiel einen Schneider zeige, suchte ich einen richtigen Schneider, der alles über diesen Beruf weiß, der die Handgriffe kennt. So sieht in der Szene alles real aus und bekommt einen dokumentarischen Charakter."
In Jafar Panahis jüngsten drei Filmen spielt ein Regisseur, der seinen Beruf nicht mehr ausüben darf, sich selbst und bleibt seiner Berufung treu. Der soziale Filmemacher Jafar Panahi versammelt in seinem aktuellen Film "Taxi Teheran" ein Panorama der iranischen Gesellschaft in seinem Auto. Und Jafar Panahi ist ein aufmerksamer Fahrer, der gelernt hat, sich durch die Höhen und Tiefen des Lebens zu bewegen und der davon bewegende Geschichten zu erzählen weiß.
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