Intrigen, Bälle und Duelle

30.04.2013
Die Romantrilogie des Ungarn Miklós Bánffy, deren zweiter Band nun auf Deutsch vorliegt, ist großes Menetekel und Melodrama am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Der Untergang der Donaumonarchie wird opulent inszeniert. Im Mittelpunkt stehen ein Weltmann voller Idealismus und ein unglücklicher Musiker.
Seit den 80er-Jahren wurde Miklós Bánffys (1873-1950) Romantrilogie "Die Schrift in Flammen" in Ungarn wiederentdeckt und in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt. Jetzt ist der zweite Band "Verschwundene Schätze" auf Deutsch erschienen, in der geschmeidigen Übersetzung von Andreas Oplatka.
Vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden, gehört Bánffys Trilogie in die Reihe jener Großwerke, die den Untergang der Donaumonarchie opulent inszenieren. Es ist eine heute ziemlich exotisch anmutende Darstellung der Siebenbürger Aristokratie in den Jahren 1904 bis 1914.

Zwei Cousins sind die Hauptfiguren. Bálint Abády ist ein Weltmann voller Idealismus, der die Verhältnisse in der Provinz bessern will, sich allerdings in den Niederungen der Tagespolitik schwer tut. Lázlo Gyerõffy ist ein begabter Musiker, den die innere Unruhe treibt. Zunehmend verfällt er dem Spiel und dem Alkohol, unglückliche Liebe wirkt als Katalysator seines Niedergangs.

Im "Verschwundene Schätze" werden die Linien des ersten Bands weitergezogen. Die Liebesgeschichte von Balint Abady und Adrienne Uzdy wogt melodramatisch weiter. Adriennes satanisch gezeichneter Gatte Pali Uzdy kommt ihnen mehr und mehr auf die Schliche und hat immer beklemmendere Auftritte. Dann scheint der Showdown unausweichlich: Uzdy lässt Abady zu sich rufen. Aber dann erläutert er ihm nur stundenlang seine mathematischen Ideen, über denen er seit langem brütet: Er will das Dezimalsystem abschaffen. Kurz: Dieser Mann wird langsam, aber sicher verrückt. Am Ende kommt es zu einer nicht ganz unerwarteten Wendung der Dinge.

Mächtiges Rumoren im Gefüge der Doppelmonarchie
Opulente Bälle auf Schössern, Jagdvergnügen, alberne Duelle, leidenschaftliche Intrigen – es wird viel geboten. Die adlige Gesellschaft feiert die Nächte durch; eindrucksvoll eine Szene, in der in den frühen Morgenstunden die alkoholisierten Herren mit einer Zigeunerkapelle ihren erwählten Damen Musik vor den Fenstern darbieten.

Höhepunkte sind die grandiosen Naturschilderungen. In den politischen Passagen geht es um die Niederungen der Siebenbürger Landespolitik. Diese oft etwas hölzern dargebotenen Vorgänge machen deutlich: Es rumort mächtig im österreichisch-ungarischen Gefüge. Rückblickend hat Bánffy hier das größte Versäumnis der ungarischen Politik gesehen: Während sich der Erste Weltkrieg zusammenbraute, beschäftigte man sich mit symbolischen Detailfragen wie der überaus dringlichen Reform, Ungarisch als "Kommandosprache" bei der Armee durchzusetzen.

In "Verschwundene Schätze" machen sich zunehmend die internationalen Spannungen geltend. Mit der Kriegsgefahr wachsen die Einkreisungsängste. Das wilhelminische Deutschland erscheint umstellt von Bündnissen; Österreich-Ungarn hat keine militärische Schlagkraft. Am Ende heißt es: "Eine Ära ging hier zu Ende. Ihre Bilanz kannte nur Negatives. Sie bestand aus lauter Versäumnissen."

"Die Schrift in Flammen" ist großes Menetekel und Melodrama. Eine Lektüre, bei der sich die melancholische Beschreibungsgenauigkeit eines Joseph Roth mit der Süffigkeit eines ungarischen "Vom Winde verweht" verbindet.

Besprochen von Wolfgang Schneider

Miklós Bánffy: Verschwundene Schätze. Roman
Aus dem Ungarischen von Andreas Oplatka
Zsolnay Verlag, Wien 2013
574 Seiten, 27,90 Euro
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