Internationaler Tag der Muttersprache

"Wer gutes Deutsch spricht, ist immer auf der Gewinnerseite"

Edda Moser auf der Bühne beim Festspiel der deutschen Sprache in Bad Lauchstädt
Die Kammersängerin Edda Moser auf der Bühne beim Festspiel der deutschen Sprache in Bad Lauchstädt © imago / Köhn
Edda Moser im Gespräch mit Ute Welty  · 21.02.2018
Die Opernsängerin Edda Moser liebt die deutsche Sprache und kämpft gegen überflüssige Anglizismen. In Bad Lauchstädt hat sie dafür auch ein Festspiel der Deutschen Sprache gegründet, bei dem prominente Schauspieler deutsche Texte lesen.
Edda Moser hat eine beeindruckende Opern-Karriere hingelegt, die von den frühen 1960er-Jahren bis Anfang 1994 dauerte. Herbert von Karajan brachte sie an die Metropolitan Opera New York, wo sie einen spektakulären Einstand als Königin der Nacht feierte. Nach ihrer Karriere als Sängerin hat Moser vor vielen Jahren das Festspiel der Deutschen Sprache in Bad Lauchstädt gegründet.

Die Liebe zur Muttersprache

Moser liebt an ihrer Muttersprache vor allem die Fabigkeit, sagte die Sängerin im Deutschlandkultur. "Man kann alles, alles in Deutsch wirklich ausdrücken, ob dass die psychologische Seite ist, ob das Gefühle sind, ob das Zorn ist, ob es geschäftsmäßig ist." Sie kämpft deshalb gegen Anglizismen an. "Und das werden viele Leute eben mir bestätigen, wer gutes Deutsch spricht, ist immer auf der Gewinnerseite", sagte sie.
Edda Moser 1983 in der "Fledermaus" von Johann Strauss
Edda Moser 1983 in der "Fledermaus" von Johann Strauss© picture alliance / dpa / Wolfgang Weihs

Das Interview im Wortlaut:

Ute Welty: Machen wir uns nichts vor, als Sprache hat das Deutsche nicht das allerbeste Image. Im Klang zu hart, in der Grammatik zu kompliziert. Kammersängerin Edda Moser ist da ganz anderer Meinung, und sie feiert die deutsche Sprache alljährlich mit den Festspielen in Bad Lauchstädt. Grund genug für uns, sich am heutigen Internationalen Tag der Muttersprache mit Edda Moser zum Interview zu verabreden.
Den heutigen Internationalen Tag der Muttersprache hat die UNESCO im Jahr 2000 nicht aus Jux und Tollerei ins Leben gerufen, immerhin ist rund die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht. Der jährliche Gedenktag wird auch dazu genutzt, die Aufmerksamkeit auf Minderheitensprachen zu lenken – mit weniger als 10.000 Sprechern. Da gehört Deutsch nicht dazu, aber auch um diese Sprache muss man sich kümmern, und deshalb hat Kammersängerin Edda Moser das Festspiel der deutschen Sprache in Bad Lauchstädt ins Leben gerufen. Guten Morgen, Frau Moser!
Edda Moser: Ja, guten Morgen!
Welty: Vor Ihrer Karriere als künstlerische Leiterin der Festspiele liegt eine lange und sehr erfolgreiche Karriere als Sängerin. Haben Sie denn da auch besonders gerne auf Deutsch gesungen?
Moser: Na ja, natürlich, aber ich hab vor allem eben auf Italienisch gesungen, aber die deutsche Sprache lag mir eben sehr am Herzen, vor allen Dingen eben auch durch Liederabende, die ja doch sozusagen die deutsche Seele sind. Und da hab ich eben wirklich viele Menschen berühren können und auch zur Sprache wieder zurückführen können und einfach aufmerksam gemacht, dass die deutsche Sprache ein solches Heiligtum und eine solche Kostbarkeit ist und die vor allen Dingen auch unsere Besonderheit und das Individuelle in uns, als einem Deutschgeborenen. Eben das kehrt es heraus, und das ist eine große Verantwortung, und dass wir diese Sprache nicht sterben lassen.
Das Goethe-Schiller-Denkmal vor dem Nationaltheater in Weimar (Thüringen)
Bei einem Ausflug nach Weimar kam Edda Moser auf die Idee, ein Festspiel der Deutschen Sprache zu gründen © dpa / picture alliance / Soeren Stache

Der Kampf gegen Anglizismen

Welty: Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, die Festspiele der deutschen Sprache zu gründen?
Moser: Ja, das ist eine kleine Geschichte. Ich war in Amerika viele Jahre und war immer nur ein halbes Jahr in Amerika, ein halbes Jahr in Deutschland und lebte dort eben in New York, und die ganze jüdische Besetzung sozusagen im Management – das Wort muss man halt benutzen – in der Metropolitan Oper, das waren alles Leute, die aus Deutschland gekommen waren und jüdischen Ursprung hatten und sprachen ein so wunderbares Deutsch. Und ich war so bewegt einfach auch, wieder ein original richtiges gutes Sächsisch und Berlinerisch und Bayerisch und ich weiß nicht was zu hören, und das war wirklich gutes Deutsch. Und ich komme nach Europa zurück und komme nach Deutschland zurück, und die Leute redeten also nur von Highlight und von Event und okay und Natural Beauty.
Ich hab gedacht, also jetzt ist aber wirklich mal Schluss. Da bin ich mal zu Ruhegedanken nach Weimar gefahren und habe dort in dem Goethe-Hotel gewohnt – der Russische Hof heißt das, der Zar Alexander ist da immer in Weimar abgestiegen. Und der Direktor, der fragte mich dann, was ist denn der Anlass, dass Sie nach Weimar kommen. Sage ich, ja, ich suche irgendwie eine Möglichkeit, die deutsche Sprache wieder so hervorzukehren. Und da sagte er, Sie wollen ein Festspiel der deutschen Sprache gründen. Sag ich, vielen Dank, das war der Titel. Das war also mein Gedanke.
Da kam ich nach Hause, und ich war sehr befreundet mit Hans-Dietrich Genscher und seiner Frau, und habe ihm das vorgetragen. Und da sagte der Genscher, gehen Sie nach Bad Lauchstädt, da haben Sie alles, was Sie brauchen. Und so bin ich nach Lauchstädt gegangen, und seit zwölf Jahren hab ich dieses Festspiel, und wir lesen einfach deutsche Texte. Ich mache keinerlei Regie, auch wenn wir dramatische Gedichte oder wenn wir, weiß ich, Don Carlos oder was es auch immer ist, Goethes "Faust" aufführen, dann wird nur gelesen. Und ich hab eben die namhaftesten Schauspieler deutscher Sprache gewinnen können, also Ulrich Matthes und Burghart Klaußner, Axel Milberg und so weiter, die sind alle bei mir. Und dann führen wir eben oder sitzen da an Tischen und lesen eben die großen deutschen Dichter, und die Regie macht die Sprache selbst.
Der Schauspieler Ulrich Matthes im Studio am Mikrofon.
Der Schauspieler Ulrich Matthes© SWR / Anke Beims

Die Deutsche Sprache ist ein Heiligtum

Welty: Das, was Sie eben beschrieben haben, diese Gegensätzlichkeit, Ihre Erfahrungen in Amerika und dann die Erfahrung in Deutschland, ist das auch etwas, was Sprache ausmacht, dass man sozusagen auch immer dann das andere will?
Moser: Ja, vor allen Dingen will man das Deutsche wegschieben und weg… Irgendwo hat man immer das Gefühl, die Leute, wenn die ein Wort wie Demut oder Gelassenheit oder Behaglichkeit oder so etwas benutzen, genieren sie sich irgendwo. Und das erscheint vielen Leuten zu biedermeierlich und zu hausbacken oder so, was ja nun Blödsinn ist, denn unsere deutsche Sprache ist ein Heiligtum, und wer sich in Deutsch wirklich ausdrücken kann, ist immer auf der Gewinnerseite. Ob das bei Gericht ist …
Welty: Warum ist das so?
Moser: Ja, absolut, ich sehe das immer, wie die Leute es genießen, wenn ich Deutsch spreche, und ich segle nach Möglichkeit immer an den Anglizismen vorbei, weil ich diese Gleichmacherei, was ja große Mode ist, das verachte ich. Ich verachte es wirklich.
Welty: Was lieben Sie an der deutschen Sprache?
Moser: Die Farbigkeit. Man kann alles, alles in Deutsch wirklich ausdrücken, ob dass die psychologische Seite ist, ob das Gefühle sind, ob das Zorn ist, ob es geschäftsmäßig ist. Natürlich braucht man die englische Sprache, das ist ganz klar. Aber in der eigentlichen Unterhaltung, wenn zwei Menschen miteinander reden, dann ist es einfach unnötig, die Anglizismen sind unnötig. Und das werden viele Leute eben mir bestätigen, wer gutes Deutsch spricht, ist immer auf der Gewinnerseite.
Das gebe ich den jungen Leuten mit, weil meine Studenten – ich hab da in der Hochschule in Köln, wenn ich unterrichtet habe, die sagten prinzipiell nur okay. Da hab ich gesagt, so, jetzt passt mal auf, wer okay sagt, muss einen Euro zahlen. Na, hab ich gesagt, von dem Geld machen wir die Weihnachtsfeier. Was passierte plötzlich? Wir hatten überhaupt kein Geld eingenommen, weil sie plötzlich alle nicht mehr okay sagten – entweder schwiegen sie oder sie sagten, ja oder gut.

Vielschichtigkeit der Sprache

Welty: Haben Sie ein deutsches Lieblingswort?
Moser: Ja, Geborgenheit.
Welty: Warum?
Moser: Das drückt sehr viel aus, und die Vielschichtigkeit der deutschen Sprache, der Worte, der einzelnen Worte – Geborgenheit, Behaglichkeit, Demut –, das sind alles Worte, die eben einen Seelenzustand ausdrücken, und dies möchten die Leute nach Möglichkeit eben verstecken. Es ist einfach ein Verstecken, aber es liegt an den Lehrern. Ich gebe keinerlei Schuld den jungen Leuten, denn die jungen Leute sind alle biegsam und lernen gerne und so, aber die Lehrer machen es ihnen ja vor. Und wenn einer sagt, da ist so ein Event, sag ich, was ist das bitte. Und dann wissen sie zum Teil gar nicht mehr, was sie sagen sollen.
Welty: Haben Sie auch ein deutsches Wort, was Sie nicht so gerne mögen?
Moser: Kann ich nicht sagen, fällt mir jetzt nicht ein, weil ich einfach die deutsche Sprache immer als positiv bezeichne, und unsere Sprache eben zeigt den Charakter eines Menschen. Es gibt natürlich Worte, die negative Dinge ausdrücken, aber ich wüsste jetzt ein Wort in Deutsch, das ich nicht mag, weiß ich jetzt nicht.
Welty: Dann lassen wir das so stehen, Frau Moser. Heute ist der Internationale Tag der Muttersprache, und ich habe gesprochen mit der Kammersängerin Edda Moser, künstlerische Leiterin der Festspiele der deutschen Sprache in Bad Lauchstädt. Frau Moser, es war mir ein Fest, haben Sie Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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