Intelligente Verkehrssteuerung in Dresden

In der grünen Welle radeln – dank App

Ein Radfahrer fährt nachts über eine grüne Kreuzung.
Bis jetzt war Radeln in der grünen Welle mehr oder weniger Glückssache. © imago stock&people / Florian Gaertner
Von Bastian Brandau · 28.08.2017
Nie mehr an der roten Ampel warten – in Dresden ist das dank intelligenter Verkehrssteuerung schon möglich. Rund 1000 Detektoren erfassen und steuern den Verkehr in der Stadt. So erfahren zum Beispiel Radfahrern via App, wie schnell sie fahren müssen, um in der grünen Welle zu radeln.
Helm, T-Shirt und kurze Hose, der Verkehrsingenieur Sebastian Pape ist bereit für seine tägliche Radfahrt zur Arbeit. Aus der Dresdner Neustadt über die Elbe, an der Altstadt vorbei zur im Süden liegenden TU.
"Also wir stehen jetzt hier am Albertplatz, und wollen jetzt Richtung Südvorstadt, über den Carolaplatz und die ganze Nord-Süd-Richtung fahren, und in der App kann man jetzt am Anfang einstellen, welche Route man fährt."
Von links nach rechts: Verkehrswissenschaftler Sven Fröhlich von der TU Dresden, Informatiker Thomas Springer und Sebasitan Pape, Verkehrswissenschaftler und Testfahrer der App Bike Now.
An der TU Dresden testen Verkehrswissenschaftler Sven Fröhlich, Informatiker Thomas Springer und Verkehrswissenschaftler Sebastian Pape die App "Bike Now" (von links nach rechts)© Bastian Brandau
Sein Smartphone hat Sebastian Pape am Lenker festgeschallt, die von ihm mitentwickelte App Bike Now geöffnet. Sie zeigt hier die Rot- und Grünphasen der Ampeln.
"Oben am Display erkennt man den Namen des nächsten Ortes, der Kreuzung, in dem Fall der Carolaplatz, darunter wie viele Meter es bis dahin noch sind. Rechts ist eine Anzeige, wie viele Sekunden momentan rot ist oder dann grün, die färbt sich dann um. Jetzt haben wir im Prinzip noch 69 Sekunden lang rot, deswegen ist der Hintergrund rot hinterlegt, wenn es grün ist, ist er grün, wenn gerade eine Freigabe stattfindet. Links sieht man dann, wie schnell man fährt."

Nie wieder Rot?

Die Ampeln hier werden nach Verkehrs-Berechnungen geschaltet, die laufend aktualisiert werden. Muss also, wer auf der App immer im grünen Bereich bleibt, auf der Dresdner Nord-Süd-Verbindung nie von seinem Rad absteigen?
"Theoretisch ja. Wenn man nicht zu langsam fahren möchte oder dann vielleicht doch zu schnell wäre. So, dann würde ich sagen, fahren wir los."
Pape tritt in die Pedale, es geht über den Radweg neben der Straßenbahnlinie zur ersten Ampel auf dem Weg.
"Jetzt wird es wahrscheinlich spannend. Genau, jetzt haben wir noch sechzig Sekunden rot, jetzt fahren wir genau richtig gerade."
"Wie schnell sind wir?"
"Wir sind jetzt 15 Km/h, die Nadel ist jetzt genau im grünen Bereich, wenn wir so weiter fahren würden sollten wir genauso ankommen, dass dann für uns grün wird."

Entspannt radeln statt Stop-and-Go

Der erste Versuch schlägt fehl, Pape muss warten. Ungenauigkeiten beim GPS und die Tatsache, dass die App noch keine Echtzeitdaten verarbeiten kann, sorgen für eine Pause an der Ampel. Bei den nächsten Ampeln aber flutscht es. Insbesondere auf langen Strecken zwischen zwei Ampeln ist es komfortabel zu wissen, ob man sich beeilen muss oder nicht. Das führt auch an diesem Morgen zu einem kuriosen Phänomen, dass Gewohnheitsfahrer Pape regelmäßig beobachtet.
"Also es fahren viele an einem vorbei, die dann an der nächsten Lichtsignalanlage stehen. Ob sie das jetzt bewusst machen, weil sie sich ein bisschen auspowern wollen oder weil sie vielleicht wirklich nicht drauf achten, das weiß ich nicht. Aber wenn sie vielleicht die App nutzen würden und sie würden es nicht bewusst machen wollen, dann würde es ihnen vielleicht auch was bringen, dass sie sich nicht so beeilen müssen."
Die App Bike Now ist momentan noch in der Testphase und funktioniert nur auf der Dresdner Nord-Süd-Achse. Ab dem kommenden Frühjahr soll sie aber jeder herunterladen können. Und dann, verbunden mit einem Navigationssystem, in ganz Dresden so wenig wie möglich an Ampeln warten.

Rund 1000 Detektoren messen den Verkehr

Bike Now beruht dabei auf den Daten von VAMOS, erklärt Sven Fröhlich von der TU Dresden, der die App mitentwickelt hat:
"VAMOS, das steht für Verkehrs-Analyse-, -Management- und -Optimierungs-System das läuft seit 2002 in der Stadt Dresden. Wir haben in der Stadt ungefähr 1000 stationäre Detektoren verteilt, von denen wir Verkehrsdaten bekommen. Und zusätzlich bekommen wir noch floating-car-Daten, von den Taxis in Dresden. Und damit lässt sich ganz gut der aktuelle Verkehrsstand in Dresden ermitteln."

Variable Ampelschaltung: Länger Grün

Die unterschiedlichen Ampelschaltungen etwa für den morgendlichen und abendlichen Berufsverkehr können dann noch variiert werden. Etwa wenn das System an einem Ort besonders viele oder wenige Autos feststellt. Oder ein Straßenbahnfahrer von seiner Möglichkeit Gebrauch macht, per Knopfdruck einen Vorrang anzufragen. VAMOS berechnet, ob die Grünphase verlängert kann, welche Auswirkungen das wiederum auf andere Verkehrsteilnehmer hätte. Sichtbar ist VAMOS für die Autofahrer vor allem durch verschiedene Informationssysteme, erklärt Fröhlich:
"Informationssysteme sind zum Beispiel die Verkehrsinformationstafeln, das Elbebrücken-Informationssystem, die dynamische Wegweisung, wenn im Prinzip auf einer Strecke Stau ist, mit so Wechselwegweisern die Route geändert wird, die ausgeschildert ist."
Auch den Weg zu freien Plätze in Parkhäusern zeigt das System. VAMOS ist eine gemeinsames Projekt der TU und der Stadt Dresden. Hier wurden nach der Wende viele Straßen erneuert und umgebaut.

Schneller unterwegs mit intelligenter Verkehrssteuerung

Seit seiner Inbetriebnahme sorgt VAMOS zudem dafür, dass sich der Verkehr beschleunigt hat, sagt Bauamtsleiter Reinhard Koettnitz:
"Die Reisezeitmessungen, die machen wir seit über 25 Jahren. Und wir hatten Anfang der 90er Durchschnittswerte für den KFZ-Verkehr von 18,19 Km/h und jetzt liegen wir bei 27. Aber es kommt nicht nur auf die Geschwindigkeit an, sondern es kommt für die Zukunft auf die Stetigkeit an."
Straßenbahnfahrern schlägt Vamos bereits vor, wie schnell sie fahren müssen, um über eine Ampel zu fahren. Und kann so wartenden Fahrgästen mitteilen, wann ihre Bahn kommt. Für Autos ist das technisch noch nicht umsetzbar, aber auch daran wird geforscht.

Sorgt ein effizienterer Verkehrsfluss für bessere Luftwerte?

Welche Auswirkungen schließlich hat ein besserer Verkehrsfluss auf die Umwelt, insbesondere auf die vieldiskutierten Feinstaub und Stickoxid –Werte? Direkt messen lasse sich das derzeit nicht, sagt Koettnitz.
"Ich kann das nicht in Zahlen ausdrücken, aber ich glaube schon, dass man mit einer intelligenten Verkehrssteuerung diese Dinge beeinflussen kann. Man wird sie nicht wegdiskutieren können, aber man kann sie beeinflussen. Und ich glaube auch, dass wenn man sich mal die Stickoxid-Werte anschaut, die sind rückläufig in Dresden, bis auf eine Station, wo wir noch eine geringfügige Überschreitung haben von fünf Mikrogramm bei einem Grenzwert von 40 Gramm pro Kubikmeter, alle anderen sind unten drunter."
Wichtig sei, dass intelligente Verkehrssteuerung die Leute dazu bringe, Alternativen zum Auto zu wählen. Straßenbahnen, Busse, oder eben das Rad. Beim Ausbau der entsprechenden Radwege sieht die Stadt großen Nachholbedarf.

Ziel: Mehr Komfort für Radfahrer

Sechs neu eingestellte Planer sollen dies in den kommenden Jahren ändern. Und genau hier wollen die Macher der App Bike Now unterstützen, sagt Mitentwickler Sven Fröhlich. Denn die Nutzer der App werden ihre Daten anonym an die TU-Forscher liefern:
"Man kann sehen, wo fahren die Leute lang, wie viele Leute fahren da lang, kann man den Radverkehr sinnvoll beschleunigen, kann man den Komfort steigern. Und man kann noch Informationen herausziehen, wenn jetzt viele Leute an einer Stelle fahren, und man einen Vergleich mit der Infrastruktur macht, ist die Infrastruktur denn für diese Radverkehrsmengen ausgelegt oder nicht.
Wobei man einschränken muss, dass man mit Floating-Car-Daten oder Floating-Bike-Daten in dem Fall die Mengen gar nicht wirklich bestimmen kann, sondern eher die Fahrprofile. Und an den Fahrprofilen kann man sicherlich Ableitungen machen über die Qualität des Radverkehrs."
(leicht geänderte Online-Fassung: mw)
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