Integration

Gewollte Unterschiede?

Das Wort "Wahlrechtslos" ergeben die Buchstaben auf den T-Shirts der Demonstranten, die sich am Sonntag (27.09.2009) in Berlin vor dem Wahllokal aufgestellt haben, in dem Bundeskanzlerin Merkel ihre Stimme abgeben soll. Die Demonstranten verbanden mit ihrem Auftritt die Forderung nach Wahlrecht für Migranten in Deutschland. Bei der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag sind nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes rund 62,2 Millionen Deutsche wahlberechtigt.
Demonstranten protestieren in Berlin für das Wahlrecht für Migranten. © picture alliance / dpa / Foto: Soeren Stache
Von Susanne Arlt · 27.03.2014
Wählen und Abstimmen - viele Migranten dürfen das in Deutschland nicht. Bund und Länder haben zwar das Ziel, zukünftig mehr politische Mitbestimmung möglich zu machen. Es gibt aber regionale Unterschiede.
Das Tempelhofer Feld. Das nahezu unbebaute Gelände im Berliner Süden ist riesig. Einst nutzten es Schöneberger Bauern als Ackerfläche. Dann machten die Preußen daraus einen Exerzierplatz, später einen Flugplatz. Seit vier Jahren dient es nur noch zur Erholung. Vor allem an den Wochenenden teilen sich viele Berliner das Feld. Väter lassen dort mit ihren Kindern Drachen steigen, an Sommertagen duftet es vor allem nach gegrilltem Fleisch. Doch so viel freie Fläche in der Hauptstadt weckt Begehrlichkeiten. Der Berliner Senat möchte einen Teil des Geländes bebauen lassen eine Bürgerinitiative ist strikt dagegen und hat darum einen Volksentscheid initiiert.
Weil die deutsche Staatsbürgerschaft fehlt
Als dafür im vergangenen Jahr Unterschriften gesammelt wurden, sammelte Pinar Cetin fleißig mit. Die 32-jährige Muslimin organisiert zusammen mit ihrem türkischen Ehemann Führungen durch die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm in Berlin-Neukölln. Das prächtige Gebäude mit dem Minarette grenzt direkt ans Tempelhofer Feld. Eine Bebauung würde auch unsere Moscheebesucher betreffen, sagt Pinar Cetin. Im Sommer verbrächten viele muslimische Familien auf dem Feld ihre Freizeit. Kinder, Eltern und Großeltern nutzten es für ihre Picknicks. Darum habe sie die Bürgerinitiative unterstützen wollen und auf dem Sommerfest der Moschee Unterschriften gesammelt.
"Zumindest haben sich die Leute dafür interessiert, was aus diesem Feld wird. Und dass sie dies auf jeden Fall auch als Erholungsgebiet nutzen möchten, dass sie die Grillflächen erhalten haben möchten und da haben sich schon einige dafür entschieden, mit zu unterschreiben."
Das Volksbegehren war ein voller Erfolg. Am Ende haben mehr als 237.000 Menschen unterschrieben. Nach der Auszählung stand allerdings fest: 51.000 Stimmen davon sind ungültig. Zum einen, weil falsche Angaben gemacht wurden. Zum anderen, weil vielen Beteiligten die deutsche Staatsbürgerschaft fehlte. Das aber ist Voraussetzung, um in Deutschland an einem Volksbegehren überhaupt teilnehmen zu dürfen. Im Nachhinein ärgert sich Pinar Cetin jetzt über ihr Engagement. Natürlich habe sie die muslimischen Unterschriften-Geber nicht nach ihrer Nationalität gefragt. Das sei ihr auch gar nicht in den Sinn gekommen.
"Ich finde es sehr traurig, weil gerade die Menschen, die hier leben, mitbestimmen wollen, was in ihrem Umfeld passiert. Und dann beteiligen sie sich an etwas Gesellschaftlichem und dann sagt man, sie dürfen sich nicht beteiligen. Dabei wirbt Berlin ja auch oft damit, ja wir wollen, dass Migranten partizipieren, dass sie teilhaben an der Gesellschaft, dass sie mitbestimmen, mitgestalten. Ja und schon bei der kleinsten Unterschrift wird man nicht ernst genommen. Das ist schon etwas, wo man sagen könnte, na gut, dann ist mir alles Andere auch egal."
Pinar Cetin hat Politikwissenschaft und Turkologie studiert. Sie trägt Kopftuch, hat mandelförmige braune Augen. Ihre Eltern sind Anfang der 70er-Jahre von der Türkei nach Deutschland eingewandert. Sie selber musste sich vor einigen Jahren entscheiden: Behält sie ihren türkischen Pass oder nimmt sie die deutsche Staatsbürgerschaft an. Die 32-Jährige hat sich für Letzteres entschieden. Sie engagiert sich politisch, sitzt seit zwei Jahren als eine von acht Migrantenvertretern im Berliner Landesbeirat für Integration und Migration. Diesen Beirat gibt es seit elf Jahren. In Berlin lebende Menschen mit Migrationshintergrund sollen somit die Chance bekommen, mehr Einfluss auf das politische Leben in ihrer Stadt zu nehmen. Seit drei Jahren ist der Beirat im neuen Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz verankert. Ein richtiger Schritt, sagt Pinar Cetin. Ein weiterer aber wäre...
"...dass ich finde es wichtiger, dass die Menschen hier bei Kommunalwahlen mitbestimmen, als das ich im Beirat sitze als eine Person, die dann viel Mal im Jahr bei diesen Sitzungen sitzt, bei denen in den in Einführungsstrichen ganz wichtigen Thesen eine Aussagetätigen kann. Ich finde es ist wichtiger, Leute mitbestimmen können, was in ihrer Umgebung passiert."
Nur für Bürger der EU
Es gibt Ausnahmen für Ausländer. Doch sie treffen nur für Bürger der Europäischen Union zu. Im Maastricht-Vertrag von 1993 wurde festgelegt, dass EU-Angehörige, die in Deutschland leben, an den Kommunalwahlen teilnehmen dürfen. Sie können die Geschicke ihrer Stadt direkt mitbestimmen. Bürger aus Drittstaaten dürfen das nicht. Egal ob sie schon seit 30 Jahren hier leben, arbeiten, ihre Steuern zahlen.
Dieses Problem hatten die beiden Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg schon in den 90er-Jahren erkannt. Sie führten darum in Eigenregie das kommunale Ausländerwahlrecht ein. Die CSU-Regierung in Bayern klagte jedoch dagegen. Mit Erfolg. Denn das Bundesverfassungsgericht argumentierte damals, dass das Wahlrecht an die Zugehörigkeit zum deutschen Volk gebunden sei. Dieses Prinzip sei jedoch mit dem Maastricht-Vertrag längst durchlöchert, argumentiert Politikwissenschaftler Roland Roth.
Jetzt hat die Mehrheit der Bremer Bürgerschaft seinem Verfassungsgericht einen Gesetzesentwurf zur Ausweitung des Wahlrechts vorgelegt. Das Ziel: Auch nicht EU-Bürger sollen die unterste kommunale Ebene mitbestimmen dürfen. Er hält solch eine Novellierung für dringend erforderlich, denn Deutschland sei längst Einwanderungsland.
"Im Grunde gibt es bei uns die vorherrschende Fantasie, Illusion, wie auch immer, Integration bedeutet für die Zugewanderten, dass sie nach einer längeren Zeit der Eingewöhnung in Deutschland irgendwann Deutsche werden. Und dann das Problem sich von selber löst, wenn sie Staatsbürger sind, dann haben sie auch alle Rechte, das ist dann halt der Schlussstein der Integration. Und im Grunde stecken da immer noch sehr große Assimilationsvorstellungen dahinter, nämlich Deutscher wird man dann, wenn man die entsprechenden Landesgewohnheiten übernimmt."
Wichtigste Stellschraube das Staatsbürgerrecht
Für die beiden Politikwissenschaftler Roland Roth und Frank Gesemann Anlass genug, die Integrationsbemühungen der einzelnen Bundesländer einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wichtigste Stellschraube bleibt natürlich das Staatsbürgerrecht. Die einfachste Form, Migranten auf kommunaler Ebene politisch teilhaben zu lassen, seien die Integrationsbeiräte, betont Roth. Länder wie Berlin, Nordrhein-Westfalen und demnächst wohl auch Baden-Württemberg haben diese Beiräte obligatorisch über ein eigenes Landesgesetz eingerichtet, lobt der Politikwissenschaftler. In ihrer Gesetzgebung gehen sie sogar noch einen Schritt weiter. Migranten bekommen nicht nur auf kommunaler Ebene ein Mitspracherecht, sie sollen sich auch auf Landesebene politisch einmischen.
"Im Augenblick ist es so, dass Berlin und NRW an der Spitze sind, weil sie eigene Partizipationsgesetze geschaffen haben, die den jeweiligen Vertretungen auch Rechte in angrenzenden Bereichen sichern: Sitze in Rundfunkräten, Jugendhilfeausschüssen, etc. Man kann also das ganze Feld kommunaler Politikbereiche durchgehen, in denen Vertretungen ne Rolle spielen und kann sagen, da müssen überall auch Menschen mit Migrationshintergrund."
Mehr Mitsprache sei das Ah und Oh, meint Roland Roth. In Rheinland-Pfalz und Bremen gibt es zwar noch kein eigenes Integrationsgesetz. Die Beiräte aber sind Pflicht. Länder wie Bayern oder Niedersachsen verfahren da anders. Sie überlassen diese Entscheidung den Kommunen. Nur so ist es wohl zu erklären, dass ein großes Flächenland wie Bayern gerade mal 22 Integrationsbeiräte hat, Rheinland-Pfalz dagegen an die 100. Dabei ist der Anteil von Migranten in beiden Ländern ähnlich und liegt bei etwa 20 Prozent. Diese unterschiedliche Entwicklung sei gewollt, meint Roth. Auch jedes Bundesland verfügt über einen Integrationsrat. Seine Mitglieder sollen den Landesregierungen beratend zur Seite stehen. Auffällig sei, wie unterschiedlich diese Räte ausgestattet seien, betont der Politikwissenschaftler. Nicht nur in finanzieller Hinsicht.
"Da kann man sehen, dass Bayern da ein Gremium hat, dass eben einmal im Jahr von dem Integrationsbeauftragten eingeladen wird und dann trifft man sich, aber es hat keine eigene Infrastruktur. Während in Hessen die Vertretung ein eigenes Büro hat mit Festangestellten, die in der Lage sind, eigene Politik zu formulieren, die auch eigene Untersuchungen in Auftrag geben können. Die auch in der öffentlichen Debatte in Hessen sich einmischen, in die Integrationsfragen und durchaus eine eigenständige Position gegenüber etwa der CDU geführten Landesregierung immer vertreten haben."
Bayern hat Nachholbedarf
Mitra Sharifi stammt aus dem Iran. Ende der 80er-Jahre zog sie von Teheran nach Bamberg, um dort Germanistik zu studieren. Die damals 22-Jährige verließ auch aus politischen Gründen ihre alte Heimat, in ihrer neuen ist sie längst angekommen. Sie besitzt inzwischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft und arbeitet als Lektorin für Persisch am Lehrstuhl für Iranistik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit vielen Jahren engagiert sich Mitra Sharifi für eine bessere Integrationspolitik. Die bayerische Landesregierung hat sie dafür sogar mit der Staatsmedaille für soziale Verdienste ausgezeichnet. Nicht ganz so ausgezeichnet findet Mitra Sharifi jedoch die Integrationsbemühungen ihres Bundeslandes. Nicht ohne Neid schaue sie nach Hessen oder NRW, wenn es um das Thema politische Teilhabe gehe.
"Dass sie selbst mitreden sollen, dass sie selbst ihre eigene Interessen formulieren sollen, dass sie dann auch entsprechend politisch und bürgerschaftlich engagiert auf die Bühne treten sozusagen, und dass das auch eine Unterstützung braucht, dass das Rahmenbedingungen braucht, dass es Ressourcen braucht, um das auch zu koordinieren, das wird nicht richtig gesehen. Vor allem wenn es dann auch etwas kosten sollte. Da wird die Bereitschaft noch kleiner."
Zumindest in Bayern. Seit fünfzehn Jahren ist sie ehrenamtliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte. Die Gründung eines solchen Beirats hänge einzig und allein vom Wohlwollen der Kommunalpolitiker ab. Ihre Heimatstadt Bamberg habe sich zum Beispiel jahrelang gegen solch einen Beirat gewehrt. Oft genug muss sich Mitra Sharifi vorwerfen lassen, dass viele Ausländer gar kein Interesse an einer politischen Teilhabe hätten. Warum dann also mehr Beiräte in Bayern installieren? Sie erleichterten den Einstieg in die Kommunalpolitik, sagt Sharifi.
"Das hat eine ganz wichtige Funktion, dass man sich auch angesprochen fühlt, gesellschaftlich, bürgerschaftlich sich zu engagieren und diese Vorbilder auch zu haben. Wir wissen aus Schönfelder-Studie, dass sehr viele Mandatsträger ja tatsächlich aus den Beiräten kommen. Das heißt, diese Arbeit hat dazu geführt, dass sie sich auch mehr politisch aktiv, gesellschaftlich aktiv zur Verfügung gestellt haben."
Kein Geld für Integrationsministerium
Ein landesweites Integrations- und Partizipationsgesetz, in dem Integrationsbeiräte vorgeschrieben sind, würde also Abhilfe schaffen. In dieser Legislaturperiode sei solch ein Gesetz aber nicht vorgesehen, sagt Martin Neumeyer. Der CSU-Abgeordnete ist seit sechs Jahren bayerischer Integrationsbeauftragter. Während die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg die Kosten für ein eigenes Integrationsministerium nicht scheut, kostet das Engagement von Martin Neumeyer quasi nichts. Seine Aufgaben erledigt er ehrenamtlich.
In allen andern Bundesländern wurde dafür eine Stelle bei dem jeweils zuständigen Ministerium eingerichtet. Im Gegensatz zu vielen seiner Parteikollegen spricht sich Martin Neumeyer für ein Integrationsgesetz aus. Weil sich das in der diesjährigen Legislaturperiode aber nicht realisieren lasse, habe er eine Zukunftswerkstatt ins Leben gerufen. In diesem Forum sollen Migrantenvertreter und Politiker über vorhandene Strukturen diskutieren und hinterfragen, ob diese für eine politische Teilhabe auch ausreichen.
"Wie läuft es in den Kommunen ab, welche Aufgaben haben die Kommunen, wie ist die Willkommenskultur gestaltet. Wie soll das in den Behörden ablaufen, Willkommenscenter. All diese Dinge, auch die Vertretungen der Migrantenorganisationen in den verschiedenen kommunalen Ebenen. Ich bin offen für ein Gesetz, weil ich denke, ein Gesetz kann vieles regeln. Der Gemeindetag ist eher massiv dagegen, andere sagen, braucht es nicht, andere sagen, wir wollen es."
Was der Freistaat für seine Integrationsbemühungen jährlich ausgibt, kann er nicht beziffern. Im Moment fördere Bayern vor allem Projekte, aber keine Institutionen, sagt Neumeyer. Dass sein Bundesland in der Vergleichsstudie von Roland Roth und Frank Gesemann so schlecht wegkommt, liege an den Paradigmen, die man darin festgelegt habe. Konzentriere man sich auf den Bereich Bildung, würde Bayern sehr gut abschneiden. Sein Bundesland stecke nämlich sehr viel Geld in die Ausbildung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund.
Muslime und der Islam gehören zu NRW
Guntram Schneider hingegen muss nicht lange darüber nachzudenken, wie viel sein Bundesland allein in das politische Engagement seiner Migranten steckt: 1,2 Millionen Euro. Der SPD-Politiker ist Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen und bringt manch deutschen Bürger in Wallung, wenn er wie jüngst bei einer Grundsteinlegung zu einem Moschee-Neubau klarstellt: Muslime und der Islam gehören zu Nordrhein-Westfalen. Guntram Schneider spricht sich darum auch klar für ein kommunales Wahlrecht für alle Ausländer aus.
"Beteiligung und Integration setzt eben voraus, dass man über die eigenen Geschicke mitbestimmen kann. Und dies ist eigentlich nur über ein Wahlrecht möglich und deshalb ist das kommunale Wahlrecht von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Integrationspolitik."
Dem NRW-Minister sind auf Bundesebene zwar die Hände gebunden, nicht aber auf Landesebene. Vor zwei Jahren wurde darum ein Landesgesetz installiert, dass die gesellschaftliche und politische Teilhabe von Migranten fördern soll.
"Wir legen sehr großen Wert darauf, dass die Migrantenselbstorganisation aktiv ist. Wir haben darum auch gesetzlich fixiert den Landesintegrationsrat. Und wir haben die Förderung der Migrantenselbstorganisation über Finanzmittel jetzt auf eine gesetzgeberische Grundlage gestellt. Ich sage immer, Menschen, die hier seit vielen Jahren leben, brauchen nicht von anderen betüddelt zu werden, sondern können ihre Angelegenheiten auch selbst in die Hand nehmen und deshalb sind die Migrantenorganisationen so wichtig."
Davon ausgenommen ist eine personelle Förderung. Das Echo sei trotzdem positiv, in anderen Bundesländern gebe es diese institutionalisierte Förderung nämlich nicht, betont Schneider. In diesem Jahr finden zum ersten Mal die Kommunalwahlen und die Wahlen der Integrationsräte an ein und demselben Tag statt. Die Landesregierung erhoffe sich davon eine größere Wahlbeteiligung, gibt Schneider offen zu. Denn die sei in der Vergangenheit nicht immer üppig gewesen.
Jugend und Politik
In einem politischen System gehört zu werden, ist für vor allem für junge Menschen schwer vorstellbar. Jugendliche aus der Einwanderungsgesellschaft haben damit oft noch größere Probleme, glaubt Siamak Ahmadi. Wie aber soll politische Teilhabe funktionieren, wenn aus den Jugendlichen Erwachsene werden? Der gebürtige Iraner hat zusammen mit seinem Freund Hassan Asfour in Berlin eine GmbH gegründet. Gemeinsam betreiben sie das Bildungsprogramm "Dialog macht Schule“. Es setzt bei Schülern aus Migrantenfamilien an, die mit den klassischen Methoden und Ansätzen der politischen Bildung nicht mehr erreicht werden. Z.B. bei Schülern der Otto-Hahn-Sekundarschule in Berlin-Tempelhof.
"Man muss sich das so vorstellen, dass in der politischen Bildung man sich für eine lange Zeit eher, ich sage es mal in Anführungsstrichen, auf den deutschen Durchschnittsschüler konzentriert hat. Und man nicht die Ansätze und die Formate entwickelt hatte, um Schüler aus verschiedenen Kulturkreisen und Migrationshintergründen auch anzusprechen."
Hannes ist 17 Jahre alt und von Beruf Gangster und schwule Sau. Sein Hobby ist Schokolade essen…
Die Jungs und Mädchen aus der siebten Klasse sitzen nicht wie im regulären Schulunterricht nebeneinander, sondern im Kreis. Auf dem Boden vor ihnen liegen die Fotos von mehreren Menschen. Die Schüler sollten sie aufgrund ihrer Äußerlichkeiten einschätzen. Ein Klischee reiht sich ans andere. Dialogmoderatorin Isabell Theodoridou schaltet sich ein.
Atmo: "Wisst ihr was interessant ist? Wie oft haben wir sympathisch, wie oft haben wir unsympathisch? Ich glaube, wir haben nur ein einziges Mals sympathisch. .. Warum ist der sympathisch? ..Weil er gut aussieht, ... hier auch, weil er hübsch ist. …Gutes aussehen, hübsch sein, wonach entscheiden wir offensichtlich … nach Aussehen. …Ist doch immer so, wenn du hässlich bist, dann gehörst du nicht dazu, wenn du schön bist dann gehörst du dazu."
Auf sehr niederschwellige Art sollen die Schüler lernen, wo Politik in ihrem Alltag beginnt. Es geht um Teilhabe und darum, dass die Jugendlichen nicht das Gefühl haben, in dieser Gesellschaft verloren zu gehen. Sondern dass sie in einen Dialog treten können. Der Unterricht geht insgesamt über zwei Schuljahre und findet einmal pro Woche statt. Wir versuchen bei den Schülern, Interesse zu wecken für das, was um sie herum in der Gesellschaft passiert, sagt Hassan Asfour.
"Ob sie dann am Ende politisch partizipieren, das können wir jetzt nicht sagen, das wäre natürlich toll. Aber wichtig ist, dass für uns das Minimum erfüllt ist an Teilhabe. Weil wir bei den Jugendlichen festgestellt haben, wenn gar keine Identifikation mit dem Umfeld da ist, dann habe ich auch gar kein Interesse, mich irgendwie einzubringen."
Politische Partizipation darf keine Einbahnstraße sein. Je früher man in der Bildung ansetzt, desto besser. Den Wunsch nach Teilhabe sollte die Politik aber auch ermöglichen und fördern. In den Bundesländern scheint es da noch ganz gewollt Unterschiede zu geben.
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