Inszenierte Familienbeziehungen

Fake Family – Leihfamilien in Japan

54:51 Minuten
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Eine Erkundung japanischer Gesellschafts- und Familienstrukturen © unsplash / Ryoji Iwata
Von Jean-Claude Kuner · 01.12.2020
Audio herunterladen
In Japan gibt es Agenturen, die Familienmitglieder zum Verleih anbieten. Was sagt das über unsere „echten“ Beziehungen? Und wie sieht eine Familie aus, die stundenweise buchbar ist?
In den 1980er-Jahren ist in Japan die erste Agentur für Leihfamilien entstanden. Im Angebot: Buchbare Eltern, Kinder oder Lebenspartner. Der gesellschaftliche Druck und die wachsende Einsamkeit der Menschen sorgen für ein immer vielfältigeres Angebot. Wie entwickeln sich "gespielte" Beziehungen, wenn sie regelmäßig gepflegt werden? Und was erzählt das über unsere "echten" Beziehungen? Eine Erkundung japanischer Gesellschafts- und Familienstrukturen und der Qualität menschlicher Beziehungen, nicht nur in Japan.
Redaktioneller Hinweis: Zum Thema Leihfamilien in Japan gab es vielerlei Berichterstattung in westlichen Publikationen, im Film und im Radio. Im Zuge von journalistischen Nachrecherchen, insbesondere der Washington Post, wurden Zweifel an der Authentizität von Protagonisten laut, die in einer Reportage im The New Yorker eine Rolle spielen.
In unserem Feature "Fake Family – Menschenverleih in Japan" von Jean-Claude Kuner, eine Koproduktion von Dlf Kultur und WDR 2019, kommen die Tokioter Verleihagentur "Family Romance, LCC" und deren Geschäftsführer Yuichi Ishii ebenfalls vor. Deshalb haben wir den Protagonisten und seine Geschichte noch einmal überprüft und das Feature im Februar 2021 vorläufig offline genommen.
Nachrecherchen des Autors, die der Redaktion vorliegen, haben ergeben, dass Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Agentur von Yuichi Ishii nicht einfach auszuräumen sind. Yuichi Ishii hat dem Autor gegenüber versichert, dass die von ihm erzählten Geschichten der Wahrheit entsprechen, er aber die Diskrektion seinen Kunden gegenüber wahre und sie deshalb selbst erzähle. Seine Verleihagentur "Family Romance, LCC" habe ihren Sitz in Tokio und zahle Steuern als japanische Aktiengesellschaft.
Das Feature "Fake Family – Menschenverleih in Japan" erzählt von Anfang an eine ganz andere Geschichte, die mit den Möglichkeiten von Wahrheit und Täuschung spielt. Die Produktion spielt dabei in künstlerischer Absicht auch in der Form mit Sein und Schein. Der Autor bindet Ishiis Berichte als literarische Weitererzählung des O-Tons in sein Feature ein.
Zur Verdeutlichung der erzählerischen Sprünge zwischen Fakten und Fiktionen haben wir die Produktion an einigen Stellen überarbeitet. Wir sind der Überzeugung, sie im Sinne des Autors und der Redaktion ab sofort wieder online präsentieren zu können und sie weiterhin dort verfügbar zu halten.
Agenturgründer und Schauspieler Yuichi Ishii kurz vor seinem Auftrag, als Fan einer Band zuzujubeln.
Agenturgründer und Schauspieler Yuichi Ishii kurz vor seinem Auftrag, als Fan einer Band zuzujubeln.© Foto: Jean-Claude Kuner
Herr Oto in einer Karaokebar mit einer gemieteten Freundin der Agentur Client Partners.
Herr Oto in einer Karaokebar mit einer gemieteten Freundin der Agentur Client Partners.© Foto: Jean-Claude Kuner
Der "Nichtstuer" wird von Menschen gebucht, die sich durch seine passive Gegenwart beruhigt fühlen.
Der „Nichtstuer“ wird von Menschen gebucht, die sich durch seine passive Gegenwart beruhigt fühlen.© Foto: Jean-Claude Kuner

Fake Family – Leihfamilien in Japan
Von Jean-Claude Kuner
Regie: der Autor
Mit: Christoph Gawenda, Katharina Matz, Corinna Kirchhoff, Eva Meckbach, Christian Schmidt, Ole Lagerpusch
Ton: Thomas Monnerjahn
Produktion: Deutschlandfunk Kultur / WDR 2019/2021
Länge: 54'29

Jean-Claude Kuner, geboren 1954 in Basel, arbeitete von 1982 bis 1996 als Theater- und Opernregisseur, ist seit 1996 Rundfunk-Autor und Regisseur. Erhielt für seine Arbeiten mehrere Preise, u.a. Hörspiel des Jahres 2013 für "Traumrollen" (Dlf/HR 2013). "Bukhara Broadway" (RBB/Dlf/NDR 2012) wurde 2013 von der Asia-Pacific Broadcasting Union als bestes Feature ausgezeichnet. Zuletzt: "I Love Dick – Die Autofiktion des Chris Kraus" (WDR/Dlf Kultur 2018), "Nietzsche in New York" (WDR/Dlf 2018).
.
.© Deutschlandradio / Jonas Maron