Innenansichten von Terroristen

Selbsternannte Herrscher über Leben und Tod

Zu Gast in unserem Studio: der in Deutschland lebende irakische Schriftsteller Najem Wali.
Zu Gast in unserem Studio: der in Deutschland lebende irakische Schriftsteller Najem Wali. © Deutschlandradio Kultur / Manuel Czauderna
Najem Wali im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 01.09.2016
Was geht in den Köpfen von Terroristen vor? Damit beschäftigt sich der deutsch-irakische Autor Najem Wali in seinem neuen Buch. Er sei dabei auch den Spuren des Mordens in der Literaturgeschichte gefolgt, sagt der Autor: Von Sartre über Hemingway bis hin zu Dostojewski.
Terroristen, die mit einem Fahrzeug in eine Menschenmenge fahren, Bombenleger und Selbstmordattentäter gehören mittlerweile zu unseren Schreckensbildern. Doch was geht in den Köpfen der Täter vor, was macht sie zu selbsternannten Herrschern über Leben und Tod?
Mit diesem Thema beschäftigt sich der in Deutschland lebende irakische Schriftsteller Najem Wali in seinem neuen Buch "Im Kopf des Terrors. Töten mit und ohne Gott". Sein Buch beginnt mit einem schockierenden Ereignis: Vor knapp drei Jahren sprengten sich in Bagdad vier deutsche Selbstmordattentäter in die Luft. Für den Autor war das eine Art Initialzündung für das Nachdenken und Schreiben, so erzählt er im Deutschlandradio Kultur:
"Für mich war dieses Phänomen wirklich eine Herausforderung. Ich wollte wissen, warum diese Jugendlichen das tun."

Sartres Erzählung "Herostrat" über einen Amokläufer

Aus den Vorträgen zu diesem Thema sei dann später ein Buch entstanden, berichtet Wali. Er habe Verbindungen zu literarischen Werken aus allen Zeiten gefunden, zum Beispiel in Jean-Paul Sartres Erzählung "Herostrat":
"Er sondert sich ab von den Menschen. Er lebt in der Zeit im sechsten Stock eines Hochhauses. Die Geschichte ist 1939 geschrieben worden, doch sie ist sehr aktuell: Der Protagonist bei Sartre ist ein Amokläufer. Er kauft sich eine Pistole und geht auf die Straße, um sechs Menschen zu erschießen. Der 'Herostrat' unserer Zeit wird sich nicht mit sechs Kugeln begnügen, sondern er benutzt Sprengstoff und Sprenggürtel."

Frankreich und die Fremdenlegion

Er lebe seit 35 Jahren in Deutschland und sehe sich als Teil dieser Gesellschaft, sagt Wali. Hier finde bis heute eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit statt. Ähnliche Fragestellungen vermisse er allerdings in Frankreich, etwa beim Thema Fremdenlegion:
"Wir reden immer über Einsätze der Bundeswehr im Ausland. Wir kritisieren und diskutieren. Aber in Frankreich läuft diese Fremdenlegion unter 'cool', sie geht in fremde Länder und mordet nach Laune und angeblich nach dem Gesetz. Und sie sind stolz auf ihre Taten. Und das ist für mich merkwürdig: Dass es heute in modernen Zeiten Männer gibt, die die Möglichkeit zum Töten suchen. Denn sie wissen, dass sie in der Fremdenlegion vielleicht zum Mörder werden."

Najem Wali: "Im Kopf des Terrors. Töten mit und ohne Gott"
Residenz Verlag, Salzburg 2016
160 Seiten, 19,90 Euro

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