Informationsfreiheit

Der Google-Chef in der internetfreien Zone

Google-Chef Eric Schmidt am 4.6.2013 in San Francisco
Google-Chef Eric Schmidt © AFP / Justin Sullivan
Von Peter B. Schumann · 15.07.2014
Nordkorea, China, und jetzt Kuba: Google-Chef Eric Schmidt ist gerade auf Besuchstour in Staaten, in denen von einem freien Internet nicht die Rede sein kann. Kubas Internetverbindungen befinden sich zudem auf unterstem Niveau. Das zu ändern, ist die Regierung offensichtlich nicht bereit.
"Gestern Abend klopfte Google an unsere Tür. Das ist keine Metapher: Die Suchmaschine suchte uns auf."
So schrieb Yoani Sánchez in ihrer neuen Internetzeitung 14ymedio. Und tatsächlich hatte Eric Schmidt, einer der einflussreichsten Medienmanager, Kubas berühmteste Bloggerin und Menschenrechtlerin in Havanna getroffen. Zusammen mit drei weiteren Führungskräften des Unternehmens war er nach Kuba geflogen, "um die Vorzüge eines freien und offenen Internets darzustellen".
Google in Kuba - das gilt für jene Kreise in den USA, die das Castro-Regime unter den Zwängen des Embargos halten möchten, noch immer als Sakrileg. Deshalb fand die Besichtigungstour von Schmidt und seinen Leuten hauptsächlich in regionalen TV-Programmen eine positive Würdigung. Eine Reporterin von WNC zitierte ihn mit den Worten:
"Zugang zum Internet kann bessere Bildung, bessere Geschäfte und eine offenere, zugänglichere Regierung in Kuba bedeuten. Unser Besuch bestätigt, dass die Regierung einige der Vorzüge eines wachsenden Zugangs für Kubaner anerkennt, aber ihre politischen Reformen reichen nicht aus, um das Land für das Web zu öffnen. Kubas Internet befindet sich noch auf dem Niveau der 1990er-Jahre."
Das weiß die Kubanische Regierung nur allzu gut. Eine genaue Zahl der angemeldeten Internet-Nutzer kennt man erst seit dem vergangenen Monat, als die Telekommunikationsbehörde ETECSA sie mit rund 240.000 angab, das sind zwei Prozent der Bevölkerung. Hinzu kommen privilegierte Künstler und Funktionäre und jene, die sich in Behörden, Firmen oder Institutionen ins World Wide Web einloggen können. Aber selbst dann noch steht das Land auf der untersten Stufe des Internets in der westlichen Hemisphäre.
Internet ohne Internet
Die erfindungsreichen Kubaner haben deshalb längst eigene Wege alternativer Kommunikation gefunden: das Internet ohne Internet.
Yoani Sánchez: "Das funktioniert genauso wie das illegale Netz des Vertriebs von Nahrungsmitteln. So wie es einen informellen Markt für den Kauf von Milch, Eiern oder Fleisch gibt, so gibt es auch einen für Informationen. Programme werden auf USB-Sticks, CDs oder DVDs kopiert und unter der Hand vertrieben. Wir nennen das Virus-Transmission. So geht nichts verloren von dem, was die Regierung zensiert oder verbietet."
Ein offenes Internet würde eine Schleuse der Gegeninformation bedeuten. Das dürfte ganz im Sinn der Regierung in Washington, aber keinesfalls der in Havanna sein. Das offizielle Parteiorgan Granma benötigte auch fast eine Woche, um die Visite von Googles Chairman Schmidt einzuordnen - ganz auf der Linie des seit Jahrzehnten bekannten Lamentos über die US-amerikanische Politik.
"Kuba ist eines der wenigen Länder auf der Welt, die keinen Zugang zu den Diensten dieses Internet-Giganten mit Sitz in Kalifornien haben können, denn es unterliegt den ungerechten Gesetzen der nordamerikanischen Blockade."
Ob Google der angemessene Partner für eine "weltweite" Öffnung Kubas wäre, ist zu bezweifeln. Präsident Castro hätte jedoch längst mit Hilfe des Fiberkabels, das die Insel seit 2011 mit Venezuela verbindet, allen Kubanern einen Zugang bieten können - wenn ihn nicht die Furcht vor subversiven Gedanken davon abhielte. So bleibt nicht privilegierten Insulanern - auch nach der Goodwill-Tour des Google-Chefs - bis auf weiteres nur der Besuch eines offiziellen Internet-Cafés, vorausgesetzt, sie wollen ein Drittel ihres Monatslohns opfern für einen einstündigen Blick in die Welt.
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