Immobilienblase "könnte auch in Deutschland entstehen"

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 21.06.2012
Der Finanzexperte Hans-Peter Burghof hält den Kauf einer Immobilie für ein "schönes Investment", aber nicht für das Allheilmittel in der Krise. Die Niedrigzinspolitik der Europäer habe auch eine Kehrseite, da Sparer keinen seriösen Zins mehr bekämen.
Jan-Christoph Kitzler: Wer ein Haus bauen will oder von der eigenen Wohnung träumt, für den sind das gerade traumhafte Zeiten! Weil zurzeit in der Krise viel billiges Geld auf den Markt geworfen wird, sind die Hypothekenzinsen auf einem historischen Tiefstand angekommen! Das mag ja ganz schön sein für den, der sich jetzt ein Eigenheim leisten kann, das hat aber auch große Nachteile und Risiken für die gesamte Wirtschaft in Deutschland. Daran denkt man nicht so schnell, aber darüber spreche ich jetzt mit Hans-Peter Burghof, er ist Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Jetzt sind viele Menschen im Jagdfieber auf der Suche nach dem Eigenheim oder einer Immobilie als Anlageobjekt, was sagt denn der Finanzfachmann? Ist das jetzt der richtige Zeitpunkt für den Haus- oder Wohnungskauf?

Hans-Peter Burghof: Tja, wenn man das wüsste. So einfach ist das mit den Entscheidungen leider nicht, es gibt immer Für und Wider. Denn es ist richtig: Eigentum an Gebäuden schützt vor bestimmten Risiken und gerade in der gegenwärtigen Situation ist ja die Geldanlage ausgesprochen schwierig und sehr riskant, weil ja Anlagen, die eigentlich früher sicher waren, wie Staatsanleihen, plötzlich nicht mehr sicher sind. Und das spricht sehr dafür. Andererseits, die anderen im Markt, die auch ihr Geld anlegen wollen, die wissen das natürlich auch. Und das heißt also, es steht zu befürchten, dass man halt jetzt einen höheren Preis zahlt als vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt.

Kitzler: Das liegt ja auch daran, dass viele ausländische Investoren zum Beispiel den deutschen Immobilienmarkt für sich entdeckt haben. Werden die niedrigen Zinsen zurzeit dann etwa aufgefressen durch die steigenden Preise, die man jetzt zahlen muss an einem Markt, der vielleicht schon etwas überhitzt ist?

Burghof: Das wissen wir nicht. Das wissen wir deshalb nicht, weil wir nicht wissen, was der "normale" Markt ist. Wir haben also keine Benchmark, womit wir das einfach vergleichen könnten. Die niedrigen Zinsen sind natürlich positiv, weil sie die Belastung niedrig halten. Das heißt also, in dem Augenblick, wo ich ein Haus kaufe, kommt es einem plötzlich viel leichter vor. Aber das ist halt auch ein gefährliches Lockmittel. Man muss sich ja nur überlegen, man hat so einen Kredit nicht etwa zehn Jahre, sondern man hat ihn beispielsweise 30 Jahre. Und ob man diese niedrigen Zinsen über die gesamte Laufzeit hat, das steht halt in den Sternen.

Kitzler: Das heißt, es droht möglicherweise ein böses Erwachen, wenn man dann die Kredite ablösen muss.

Burghof: Richtig. Man sollte sich zumindest heute schon mal überlegen, wie lang ist die Zinsbindung, wie viel ist vom Kredit noch übrig, und denke ich, dass ich das, was dann noch zu leisten ist an Zins und Tilgung, bei einem deutlich höheren Zinssatz zu irgendeinem Zeitpunkt in zehn Jahren noch leisten kann? Also, man könnte zum Beispiel mal hingehen, einen Belastungstest machen und sagen, was passiert denn, wenn die Zinsen auf acht Prozent steigen? Kann ich das dann noch leisten, habe ich genug abbezahlt, damit mir das dann keine Sorgen mehr bereitet?

Kitzler: Muss eigentlich die Devise in diesen Zeiten nicht sein: so lange Laufzeiten wie möglich?

Burghof: So lange Bindungszeiten wie möglich, das ist richtig. Wenn man so niedrige Zinsen hat, dann sollte man sich lang binden. Das ist natürlich eine schönere Sache als wenn man jetzt die ganz niedrigen Zinsen kriegt, aber nach drei oder vier Jahren eventuell mit höheren Zinsen dann konfrontiert wird.

Kitzler: Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass viele Menschen sich jetzt für Immobilien in Deutschland interessieren. Der Grund für die Krise in Spanien ist ja eine riesige Immobilienblase, die die Banken dort in Schwierigkeiten gebracht hat. Könnte so eine Blase auch in Deutschland entstehen?

Burghof: Eine solche Blase könnte auch in Deutschland entstehen. Es gibt so ein paar Bremsen dabei. Die erste Bremse ist die Praxis der deutschen Banken, die in der Hinsicht immer noch sehr solide sind, die einfach sagen, da muss genügend Sicherheit da sein, da muss ausreichendes Einkommen da sein. Die vergeben einen Immobilienkredit nicht einfach so auf gut Glück und auf den Wert des Hauses hin, auch wenn das Haus nachher viel mehr wert ist, das man gekauft hat oder die Wohnung. Darauf spekulieren wir nicht, sondern wir wollen, dass das sicher ist. Das heißt also, die Möglichkeiten der Deutschen, Immobilien zu kaufen, sind durch dieses Verhalten der Banken deutlich beschränkt gegenüber Spanien oder den USA, wo ja eigentlich jeder so einen Immobilienkredit haben konnte, weil, das Einkommen war egal, allein das Haus zählte.

Kitzler: Sie haben gesagt, die Banken sind hierzulande deutlich vorsichtiger. Trotzdem, wie kann man denn eine solche Immobilienblase verhindern? Könnte oder müsste der Staat da am Ende eingreifen – vorher schon?

Burghof: Nun, der Staat könnte natürlich sich mal wieder Gedanken machen darüber, ob er nicht den Wohnungsbau wieder fördert – da gibt es ja immer wieder Signale dafür, vor allem im mittleren Preissegment –, wenn Engpasssituationen kommen, dass der Markt da nicht genug hergibt. Und das würde natürlich vielleicht ein bisschen helfen. Andererseits, das sind alles immer Markteingriffe und die kosten Geld. Und das ist etwas, was der Staat im Augenblick nun gar nicht hat.

Kitzler: Das heißt, der Staat könnte oder müsste vielleicht im Zweifelsfall für Entlastung am Markt sorgen, indem er einfach mehr Wohnraum zur Verfügung stellt?

Burghof: Ja gut, das soll der Staat nicht machen, aber er kann natürlich Fördermaßnahmen machen. Es ist zum Beispiel die Frage, wie gehen wir steuerlich in der Behandlung mit Wohnungseigentum und Hauseigentum um. Da hat man ja viel Förderung gehabt in der Vergangenheit. Das ist fast vollständig, soweit ich weiß, verschwunden, das gibt es nicht mehr, das wird nicht mehr gefördert, diese Anlageform, jedenfalls nicht anders als irgendwas anderes. Und da haben wir natürlich einen Riesenunterschied zur Vergangenheit. Entsprechend wurde natürlich auch zeitweise sehr wenig gebaut in Deutschland.

Kitzler: Das Thema Immobilien hängt ja auch zusammen mit der Altersversorgung. Viele Rentenversicherer verleihen ja auch Geld für Immobilien, weil das bisher eine halbwegs sichere Sache war. Aber sehr einträglich ist das zurzeit eben nicht. Ist das die Kehrseite der billigen Hypothekenzinsen – schmale Gewinne in der Altersvorsorge?

Burghof: Ja, in gewisser Weise ist das die Kehrseite unserer europäischen Politik, die sagt, wir wollen, dass die Zinsen ganz niedrig sind, um die Wirtschaft zu fördern. Das ist verständlich, das führt aber dazu, dass natürlich der Anleger generell keinen seriösen Zins mehr bekommt für das, was er anlegt. Das heißt also, man kriegt als Sparer, ob man nun in Immobilien investiert oder ob man an anderer Stelle investiert, man kriegt noch nicht mal die Inflation zurück. Und ich finde, ein Finanzsystem sollte das doch wenigstens leisten, dass die Leute, die sparen, die in dem Sinne ja auf Konsum verzichten, damit die Wirtschaft insgesamt Kapital zur Verfügung hat, die sollten doch ein bisschen was daran verdienen. Und das schafft unser Finanzsystem im Moment leider nicht mehr.

Kitzler: Und die Inflation, die Sie ansprechen, ist ja auch noch eine große Unbekannte. Fachleute sagen, die könnte oder müsste demnächst sogar heftig steigen?

Burghof: Also, das kann man nicht prognostizieren. Das ist das Problem dabei. Im Moment sieht es eher danach aus, als wenn die Preise wieder ein bisschen runter gingen, eben weil die wirtschaftliche Lage sich zunehmend eintrübt in einigen Ländern der Euro-Zone. Auch bei uns, wir sind nicht auf der Insel der Seligen, sondern wir werden da auch irgendwann mal was abbekommen. Aber das Problem ist ein anderes: Wir haben eine Zentralbank, die uns vor Inflation schützen soll. Diese Zentralbank hat sich im Grunde genommen ihrer Aufgabe selbst beraubt. Die macht heute andere Dinge – die rettet Staaten, die rettet Banken, hat alle möglichen Interessen. Aber diese Aufgabe, den Geldwert stabil zu halten, das ist offenbar für sie nicht mehr die zentrale Aufgabe. Das heißt, wenn wir denn in die Situation kommen, wo uns Inflation droht, dann haben wir keine Zentralbank mehr, die uns wirksam davor schützen möchte.

Kitzler: Wagen Sie sich so weit hervor und sagen, in der jetzigen Lage ist eine Investition in eine Immobilie die beste Altersvorsorge?

Burghof: Nein, so weit wage ich mich nicht vor. In der jetzigen Lage ist eine Investition in eine Immobilie eine schöne Investition unter vielen möglichen, aber man muss ganz genau wissen, welche Immobilie man kauft. Bei einer Immobilie ist halt der Unterschied zwischen schlechter und guter Immobilie und schlechtem und gutem Kaufpreis immer noch der entscheidende. Die Finanzierung macht dann möglicherweise gar nicht mehr so viel aus.

Kitzler: Also, Augen auf beim Immobilienkauf! Das war Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Wir haben ihn in Kanada erreicht, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Burghof: Bitte, tschüss!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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