Im Netz verfangen

Von Jens Wellhöner · 21.10.2007
Wissenschaftler schlagen schon seit langem Alarm. Viele Fischarten sind in ihrem Bestand bedroht. Insbesondere der sogenannte Beifang gilt als Problem, also Fische und Säugetiere, die sich in den Netzen verfangen, aber von den Fischern nicht verwendet werden. Doch es gibt Hoffnung: neue schonende Fangmethoden, fast ohne Beifang.
Im Hafen von Heikendorf bei Kiel: Björn Fischer wechselt sein Netz aus. Das alte ist beschädigt. Nebenan liegt sein Kutter fest vertäut. Heute Abend muss alles fertig sein, denn dann soll es wieder losgehen, raus auf die Ostsee. Björn Fischers Haupteinkommensquelle ist der Dorsch:

"Dieses Jahr haben wie eigentlich im Sommer wieder sehr gut Dorsch gefangen. Wir haben dieses Jahr den dicksten Hol gehabt, also noch nie so viele Fische gefangen, seit ich fische. Jetzt, im Moment, ist es gerade wieder schlecht für uns. Der Dorsch ist unter Land, da dürfen wir noch nicht hin. Da warten wir, bis er wieder abkommt von der Küste."

Für den Dorschfang gelten strenge Regeln. Zum Beispiel darf dicht an der Küste nicht gefischt werden. Der Ostseedorsch ist gefährdet, der Bestand schrumpft Jahr für Jahr, sagen die Wissenschaftler. Björn Fischer glaubt das nicht. Wenn er seine Fänge der letzten Jahre vergleicht:

"Es sind natürlich immer Schwankungen. Dieses Jahr würde ich als gut durchschnittlich, also etwas über dem Durchschnitt, bezeichnen."

Frisch gefangene Dorsche kommen auf Björn Fischers Kutter in große Wasserbecken. Die waren in den letzten Monaten immer gut gefüllt. Aber eins macht ihm Sorgen. In den letzten Jahren wurden die Vorschriften für Fischernetze immer wieder geändert. Björn Fischers Netz ist auf dem neuesten Stand. Es hat Fluchtfenster:

"Das ist so ein quadratisches Netztuch. Da können die kleinen Fische durch entweichen."

Wenn Dorsche kleiner als 38 Zentimeter sind, darf Björn Fischer sie nicht verwerten. Sie gelten als unerwünschter Beifang. Trotzdem verfangen sich häufig kleine Fische im Netz. Und werden mit den anderen Fischen an Bord gezogen:
"Wenn die gerade frisch an Bord gekommen sind leben noch welche. Aber, wenn die ein bisschen länger an Bord sind, sind die natürlich tot."

Beifang wirft der Fischer gleich ins Wasser. Durch die Fluchtfenster starben in letzter Zeit aber weniger Kleinfische. Trotzdem: Für viele Wissenschaftler sind das immer noch zu viele. Rainer Fröse vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften ist alarmiert. In seinem Institut laufen die Bestandzahlen von Fischarten in der ganzen Welt zusammen. Für den Ostseedorsch sind die Zahlen alarmierend:

"Im Augenblick haben wir nach Schätzungen des Internationalen Rats für Meeresforschung 25.000 Tonen Laich-Biomasse, also so viel Fische sind da. Das ist aber nur ein Drittel dessen, was wir schon mal in den 80er Jahren hatten."

Durch moderne, wirkungsvolle Fangmethoden werden aber gleichbleibend viele Fische gefangen. Dazu kommt das Beifangproblem: eine Katastrophe für den Dorsch, meint der Forscher. Auch andere Arten verfangen sich als Beifang in den Fischernetzen: Nach Schätzungen von Greenpeace geht weltweit jeder dritte gefangene Fisch als Beifang in die Netze. So zum Beispiel auch der Schweinswal. Sein Bestand ist in der Ostsee regelrecht eingebrochen. Die Schweinswale orientieren sich durch eine Art Echolot. Fischernetze können sie nicht rechtzeitig orten. Ein Mittel dagegen:

"Im Augenblick gibt es Experimente mit Pingern, die eine Frequenz ausstrahlen, die die Schweinswale als unangenehm empfinden. Wenn man das dauernd macht, gewöhnen sich die Wale natürlich daran, könnten sogar angezogen werden, weil sie hoffen, in diesen Netzen noch irgendwelche Fische zu kriegen ..."

Und deshalb sind auch diese Pinger kein dauerhaftes Mittel, um Schweinswale zu retten. Eine Patentlösung hat die Forschung zurzeit nicht. Weltweit sind auch einige Hai-Arten bedroht. Sie lassen sich durch spezielle Magnetfelder abschrecken. Verbreitet sind solche Magnetfeld-Netze bisher jedoch nicht. Meeresbiologe Rainer Fröse empfiehlt das Fischen mit Fallen. Die werden mit einem Köder am Meeresboden aufgestellt.

"Bekannt ist das von der Lobster-Fischerei in Kanada zum Beispiel. Man kann in der Falle kontrollieren, das heißt, die kleinen können rein gehen und wieder raus gehen. Und zu große können nicht reinkommen."

Doch durch die neuen Methoden würde nicht nur der Beifang verringert, die Fischer hätten auch weniger Speisefische in den Netzen. Das Ziel heißt also: weg mit den riesigen Fischereinetzen und hin zu intelligenten Fangmethoden.
Ob und wann sie sich in der Praxis durchsetzen, das wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.