Im Gespräch mit Aljoscha Neubauer

Hauptsache schlau – Was ist Intelligenz?

Illustration/Ansicht Gehirns im Kopf des Menschen.
Sitz der Intelligenz: das menschliche Gehirn © imago/CHROMORANG
Moderation: Klaus Pokatzky · 21.03.2015
Wer intelligent ist, heißt es, meisterte das Leben besser. Intelligenz sei eine Voraussetzung für ein gesundes und glückliches Leben. Doch was ist Intelligenz? Ein genetisches Los oder das Resultat der richtigen Förderung? Darüber sprechen wir mit dem Intelligenzforscher Aljoscha Neubauer.
Bildung gilt als der Rohstoff der Zukunft; nicht nur deshalb versuchen Eltern, ihren Kindern die bestmögliche Förderung angedeihen zu lassen. Aber was ist die beste individuelle Förderung? Welche Rolle spielt Intelligenz für unsere Entwicklung und unser Leben? Welchen Einfluss haben Gene, Umwelt und Bildung? Und wie können wir unsere Intelligenz im Laufe unseres Lebens fördern und bis ins hohe Alter erhalten?
"Intelligenz ist von großer Bedeutung für Erfolge in Schule, Ausbildung und Beruf und damit Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Einzelnen, also auch eine wichtige Voraussetzung für ein gesundes und glückliches Leben", sagt Prof. Aljoscha Neubauer. Der Psychologe ist Professor für differentielle und Persönlichkeitspsychologie an der Universität Graz und forscht vor allem über die Zusammenhänge von Intelligenz und Kreativität und über die neurophysiologischen Grundlagen des Lernens. Gemeinsam mit der Psychologin und Intelligenzforscherin Elsbeth Stern hat er mehrere Sachbücher geschrieben. Ihr letztes Buch trägt den Titel "Intelligenz. Große Unterschiede und ihre Folgen".
"Zu 50 bis 80 Prozent erblich bedingt"
Intelligenz, so die Forscher, sei zu 50 bis 80 Prozent erblich bedingt; dies allein reiche aber nicht aus. "Es gibt nicht das Intelligenz-Gen. Aber ein Orchester von Genen bestimmt maßgeblich unsere geistigen Fähigkeiten. Die Gene legen unser Intelligenzpotenzial fest. In welchem Ausmaß es zum Tragen kommt, entscheidet die Umwelt. Hier ist die Analogie zur Pflanzenwelt hilfreich: Aus einem Gänseblümchensamen entwickelt sich auch bei bester Pflege keine Rose. Aber damit Gänseblümchen und Rose ordentlich wachsen und ihre Pracht entfalten können, brauchen sie Sonne und müssen gegossen werden."
Analog dazu heiße dies: "Intelligenz ist der Rohstoff, der in Wissen umgesetzt werden muss, und dazu braucht es guten Unterricht." Nur: "Die Lernwirksamkeit deutscher Schulen lässt zu wünschen übrig."
Sollten Unis nur die intelligentesten 20 Prozent ausbilden
Dies liege auch an der mangelhaften Lehrerausbildung: "Schlechte Unterrichtsqualität mindert den Ertrag, den eine Person aus ihrer Intelligenz ziehen kann." Es bringe zudem nichts, möglichst viele Kinder aufs Gymnasium zu schicken und damit die weniger intelligenten Schüler zu überfordern und die überdurchschnittlich intelligenten zu unterfordern. Dies gelte auch für die Universitäten: "Die Universitäten haben ein Recht darauf, die Intelligentesten eines Jahrgangs zu versammeln, um die künftigen Verantwortungsträger in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft akademisch zu bilden. Wenn man die überdurchschnittlich Intelligenten an den Universitäten haben will, dann sollte man eine Quote von etwa 20 Prozent anstreben. Das ergibt sich aus der Normalverteilung der Intelligenz. Höhere Studierquoten mögen politisch gewollt sein, aus der Intelligenzforschung ergeben sie sich nicht."
Für Schlussfolgerungen wie diese wurden Aljoscha Neubauer und Elsbeth Stern auch kritisiert. Aljoscha Neubauers Mahnung: "Nur eine Gesellschaft, die ihre Talente nutzt, kann auf Dauer erfolgreich sein."

Hauptsache schlau – was ist Intelligenz? Darüber spricht Klaus Pokatzky heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit Aljoscha Neubauer. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de sowie auf Facebook und Twitter.

Informationen über Prof. Aljoscha Neubauer: http://www.uni-graz.at/dips/neubauer/n_contact.html
Literaturhinweis: Elsbeth Stern und Aljoscha Neubauer: "Intelligenz - Große Unterschiede und ihre Folgen", DVA, München 2013
Mehr zum Thema