Illegaler Tropenholzhandel

Johannes Zahnen im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 02.02.2011
Bis zu 40 Prozent des weltweit produzierten Holzes werden ohne Genehmigung gerodet. Der größte Teil vom illegalen Holz komme aus tropischen Regionen, sagt WWF-Fortexperte Johannes Zahnen.
Matthias Hanselmann: Es sind erschreckende Zahlen: Bis zu 40 Prozent des weltweit produzierten Holzes werden ohne Genehmigung gerodet, jeder fünfte in die EU eingeführte Baumstamm kann aus illegalen Quellen stammen. Weltweit sind bereits mehr als die Hälfte der Wälder vernichtet worden, Hauptursachen sind illegaler Holzeinschlag, Brandrodung und die Umwandlung von Wald in Agrarland, zum Beispiel, um Soja anzubauen, als Futtermittel für die massenhafte Fleischproduktion.

Der meiste Wald - und das ist besonders dramatisch - verschwindet in den artenreichen Tropen. Heute beginnt das von der UNO ausgerufene Jahr des Waldes, und wir werden hier im "Radiofeuilleton" von Zeit zu Zeit über die verschiedenen damit zusammenhängenden Problematiken reden.

Unser Gast ist Johannes Zahnen, Forstexperte vom World Wide Fund For Nature, WWF, und wir wollen darüber reden, woran man überhaupt erkennen kann, welches Holz ganz legal gehandelt wird, und welches aus illegalem Abbau und Handel stammt. Guten Tag, Herr Zahnen!

Johannes Zahnen: Guten Tag!

Hanselmann: Zunächst einmal: Woher kommt illegales Holz genauer?

Zahnen: Also wie Sie schon angedeutet haben, kommt der größte Teil vom illegalen Holz aus tropischen Regionen, es gibt aber auch illegalen Holzeinschlag in nördlichen Ländern, in Russland ist es bekannt, dass wir einen höheren Anteil illegalen Holzes haben, aber auch in Osteuropa, Baltikum sind durchaus solche Zahlen noch bekannt. Man muss aber ganz klar sagen, dass das da eine sehr untergeordnete Bedeutung hat, das kann man nicht vergleichen mit dem, was in den Tropen passiert.

Hanselmann: Und wo landet dieses Holz dann bei uns?

Zahnen: Viel Holz wird natürlich auch auf den nationalen Märkten verbraucht für die verschiedensten Anwendungen, für Straßenbau, für Hausbau, aber je wertvoller die Hölzer werden – wenn es Edelhölzer sind, sind die natürlich spannend für den internationalen Markt und für den Export, und können dann auch zu uns gelangen.

Hanselmann: Aber werden auch zu ganz banalen Dingen verarbeitet wie Küchentücher, Taschentücher, Pappbecher und so weiter?

Zahnen: Solche Dinge, das kann zum einen eben in Papierprodukten landen. Der WWF hat vor gut einem Jahr einen Bericht veröffentlicht, in dem wir Kinderbücher untersucht haben, die in Asien produziert wurden, aber für den deutschen Markt, und haben in diesem Papier größere Mengen Tropenholz gefunden. Und das waren eben Holzgattungen, die in der Regel nicht in Plantagen für die Papierindustrie angebaut werden, sondern die eben im Urwald vorkommen. Das heißt, man hat da keinen eindeutigen Beweis, aber doch einen sehr, sehr starken Hinweis, dass dieses Holz, was für die Papierindustrie da verwendet wurde, aus Raubbau stammt und mit großer Wahrscheinlichkeit auch aus illegalen Einschlägen.

Hanselmann: Nun haben Sie eine Methode mit entwickelt, zu bestimmen, woher dieses Holz genauer kommt. Erzählen Sie uns davon. Wie funktioniert diese Methode?

Zahnen: Das Grundprinzip ist sehr, sehr einfach. Jeder erinnert sich wahrscheinlich im Chemieunterricht, jetzt nicht erschrecken, daran, dass die Elemente nicht immer das gleiche Gewicht haben, sondern dass es ganz vereinzelt bei den Atomen vorkommt, dass eins durch ein neutrales Teilchen ein bisschen schwerer ist, und diese seltenen Teilchen kommen in unterschiedlicher Konzentration in der Natur vor. Das heißt, in Afrika habe ich eine andere Konzentration dieser Teilchen als in Europa, und dort wieder eine andere Konzentration als in Asien.

Und diese verschiedenen Konzentrationen gibt es bei Sauerstoff, bei Wasserstoff, bei Stickstoff, bei Schwefel, und genau genommen machen die Analytiker nichts anderes, als das unterschiedliche Gewicht zu messen, also die nehmen ein Stück Holz oder bei Lebensmitteln geht das ja auch, und messen, wie viel schwere Teilchen in diesem Produkt drin ist, und vergleichen das dann mit den Referenzdaten von der bestimmten Region.

Und dann kann man sagen: Es ist wahrscheinlich, dass es aus Deutschland kommt, oder es ist nahezu ausgeschlossen, weil die Konzentration derart höher oder niedriger ist, dass man das wirklich ausschließen kann. Also das Prinzip ist sehr leicht, letztendlich geht es um Wiegen von Produkten.

Hanselmann: Aber wie genau kann man damit bestimmen, woher das Holz stammt? Also können Sie sagen, das kommt aus dem Amazonaswald oder aus der und der Region und muss illegal abgebaut worden sein, weil es für diesen Bereich keine Genehmigung gegeben hat, oder wie funktioniert das?

Zahnen: Die Genauigkeit kann man heute noch gar nicht genau sagen bei Holz, da sind die Wissenschaftler immer noch dabei, weitere Verfeinerungen zu finden. Wir sind inzwischen sehr froh und glücklich mit dem, was schon erreicht wurde.

Wir hatten jetzt bei dem letzten Projekt, das wir durchgeführt haben, Blindprobentest gemacht, und in einem Fall konnten die Isotopenwissenschaftler dort zwei Standorte unterscheiden, die nur 50 Kilometer voneinander entfernt waren, in Panama und Costa Rica, und damit haben wir schon eine Genauigkeit erreicht, die jetzt für gesetzliche Anforderungen schon sehr spannend ist. Da geht es nämlich in der Regel darum, Länder oder Regionen unterscheiden zu können, und da hilft das schon sehr weiter.

Hanselmann: Es geht ja im Kern darum, dass in zwei Jahren ein EU-Beschluss greifen soll, nach dem illegale Hölzer nicht mehr in EU-Länder importiert werden dürfen, und mit Ihrer Methode kann nun kontrolliert werden: Ist dieses Holz eventuell illegal oder nicht? Erst mal ganz einfache Frage: Was kostet so eine Analyse?

Zahnen: Bei einer Einzelanalyse muss man von zwischen 150 und 300 Euro ausgehen, jetzt abhängig davon, wie viele Einzelelemente untersucht werden. Und jetzt muss man aber noch mal ganz klar trennen die Kosten für die tatsächliche Einzelanalyse, wenn man eine Fragestellung hat, aber wir brauchen erst noch die Grundlage, eine internationale Datenbank mit den Referenzproben, die ich eben angesprochen habe aus den verschiedenen Regionen. Damit muss die Einzelprobe ja dann später verglichen werden.

Hanselmann: Damit man genau sagen kann, da und da her kommt das Holz.

Zahnen: Genau. Das heißt: Wir haben mit den Projekten, die wir durchgeführt haben, gezeigt, dass es grundsätzlich geht. Wenn man jetzt aber in die Praxis gehen möchte, muss die Staatengemeinschaft sich einen Ruck geben und sagen, okay, wir wollen diese Methode zur Anwendung bringen, und dann muss eben so eine Datenbank erst mal aufgebaut werden.

Hanselmann: Tut sich da schon etwas, wird an einer solchen Datenbank schon gearbeitet?

Zahnen: Mit der Datenbank ist ein sehr guter Grundstock gelegt worden, jetzt muss man das Thema ganz kurz noch mal breiter machen, um auch klar zu machen: Es gibt zwei Methoden, die intensiv an dem Thema arbeiten, die Isotopmethode hatten wir gerade angesprochen, der zweite Wissenschaftszweig, der sich mit dem Thema beschäftigt, sind die Genetiker. Auch die sind an dem Thema dran und forschen ebenfalls seit etlichen Jahren an dem Thema. Auch dort wurden in den letzten Jahren Projekte durchgeführt, die zu guten Ergebnissen geführt haben.

Hanselmann: Jetzt haben Sie eine zweite Methode ins Gespräch gebracht, die Genanalyse, für mich als Laien vielleicht mal kurz erklärt: Was sind die Unterschiede zwischen Ihrer, der Isotopenmethode und der Genanalyse bei der Herkunftsbestimmung von Holz?

Zahnen: Also beide Methoden haben einen sehr charmanten und interessanten Vorteil gegenüber allem, was man bisher an Kontrollmechanismen hat, nämlich die Tatsache, dass die Information, die man überprüft, im Holz selbst gebunden ist und nicht von außen verändert werden kann.

Die Isotopentechniker, wie gesagt, finden den Anteil der schweren Teilchen heraus und wiegen den, einfach gesprochen, und die Genetiker, die schauen sich die DNA-Struktur an, die ja auch, wie beim Menschen, eben bei Pflanzen verschieden ist, je nach Standort, und können somit eben eine recht eindeutige Zuordnung zur Region machen. Und das ist eben ein Riesenvorteil, weil Holzhändler, selbst wenn kriminelle Energie mit im Spiel ist, können diese Holzstruktur nicht mehr ändern, und damit ist da eine eindeutige Aussage möglich nachher.

Hanselmann: Oder einfach ausgedrückt: Die Holzmafia kann dann nicht tricksen. Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit Johannes Zahnen, er ist Forstwissenschaftler und hat an Methoden mitgearbeitet, illegales Holz zu analysieren und damit einen wirksamen Einfuhrstopp in die EU-Länder zu erreichen. Herr Zahnen, was kann eigentlich ich als Privatmensch tun, um einen Beitrag zum Schutz der Wälder dieser Erde zu leisten?

Zahnen: Der WWF gibt verschiedene Empfehlungen heraus, wenn es um Holz und Papier geht, sehr einfach gesprochen: Also bei Papier empfehlen wir grundsätzlich mal, den Verbrauch zu überdenken und zu schauen, wo man Papier einsparen kann. Sehr wichtig ist auch, darauf zu achten, dass Papier nicht im Restmüll landet, denn wir haben jetzt gerade ausgerechnet, dass heute ungefähr in Deutschland so viel Papier im Restmüll landet, wie die bundesdeutsche Bevölkerung im Jahr 1950 überhaupt verwendet hat.

Also das sind erschreckende Zahlen und da kann noch einiges getan werden, um Holz und letztendlich damit Wald zu schonen. Ein weiteres wichtiges Thema ist Recycling-Papier, was natürlich auch die Umwelt entlastet, und wenn es um Holzprodukte geht oder auch um Frischfaserpapierprodukte, gibt es inzwischen ein Zertifikat, das nennt sich FSC, ausgesprochen Forest Stewardship Council, mit dem kleinen Bäumchen und dem Haken dran, an dem der Käufer erkennen kann, dass dieses Produkt aus einer guten Waldbewirtschaftung stammt, in der Rücksicht genommen wird auf die Artenvielfalt, keine Spritzmittel eingesetzt werden, Kahlschläge minimiert werden et cetera.

Hanselmann: Also auf das FSC-Zertifikat achten beim Kauf von Produkten, die im weitesten Sinne mit Holz zu tun haben. Wenn die EU-Regelung im kommenden Jahr in Kraft treten wird, wird ihre Durchführung dann der internationalen Holzmafia wirklich zum Problem?

Zahnen: Das muss sich zeigen, also die grundsätzliche Entscheidung der EU, so eine Regulierung einzuführen, ist sehr gut und vielversprechend, denn in der Vergangenheit gab es so gut wie nichts, wir hatten in Deutschland das Geldwäschegesetz, was aber so kompliziert in der Anwendung war, dass es für Holz nie einen Fall gegeben hat.

Also, da ändert sich ganz grundlegend was, und der Druck auf die Holzhändler erhöht sich, sauber zu arbeiten. Auf die Methoden angesprochen haben wir die absurde Situation, wenn diese Verordnung in Kraft tritt, dass wir zwar ein Verbot haben und dass die Holzhändler das Herkunftsland deklarieren müssen, dass wir momentan aber noch gar keine Methode haben, um das überprüfen zu können. Deutschland ist schon sehr rührig, aber das muss europaweit und letztendlich global vorangetrieben werden, jetzt muss man da natürlich am Ball bleiben und das weiter vorantreiben.

Hanselmann: Große Schritte voran also auf dem Weg zur Eindämmung des internationalen illegalen Holzhandels. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Johannes Zahnen, Forstexperte des World Wide Fund For Nature, WWF. Dankeschön!