"Ich wünsche den Südafrikanern als Volk, dass es friedlich abgeht"

Thomas de Maizière im Gespräch mit Christopher Ricke · 11.06.2010
Der CDU-Politiker Thomas de Maizière hofft, dass von der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft eine afrikanische Begeisterung ausgeht, die "die Welt erfasst". Über die Chancen des deutschen Teams äußerte er sich der Bundesinnenminister optimistisch.
Christopher Ricke: Heute geht’s los. Ab heute spielen die besten Fußballer um die Trophäe. Deutschland steigt allerdings erst ab Sonntag ein mit dem Spiel gegen Australien. Der zuständige Bundesminister für die Fragen des Sports, für die Sportförderung, ist Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Ich hatte die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und ich habe ihn gefragt, auch wenn wir wahrscheinlich alle den Deutschen die Daumen drücken: Was wünscht denn der Bundesinnenminister den Südafrikanern?

Thomas de Maizière: Ich wünsche den Südafrikanern als Volk, dass es friedlich abgeht, fröhlich abgeht und von der Begeisterung Afrikas die Welt erfasst wird. Sportlich denke ich eher, dass Ghana oder Kamerun oder andere erfolgreich sein werden als Südafrika.

Ricke: Aus Deutschland ist in der Vorbereitung dieser Weltmeisterschaft viel gekommen, was mit Fußball zu tun hat. Da werden zum Beispiel Bolzplätze in Armutsvierteln gebaut, Fußballstadien, da gibt es Know-how deutscher Architekten. Hat denn Deutschland das Seine getan, dass die WM ein Erfolg werden kann?

de Maizière: Ich denke schon. Wir haben unsere Hilfe angeboten, und sie ist auch angenommen worden, nicht nur beim Bau der Stadien, sondern auch bei der Organisation - wir waren ja die letzten Ausrichter vor vier Jahren -, bei der Sicherheitsberatung und auch beim Straßenfußball, bei den vielen Projekten, die es gegeben hat. Ja, wir waren in bester Zusammenarbeit mit den Südafrikanern.

Ricke: Es gibt einen deutschen Export, der weltweit herzlich unwillkommen ist: Das sind deutsche Hooligans, wenn auch vielleicht Hooligans aus England schlimmer sind. Es geht um das Thema Gewalt im Sport. Wie kann Deutschland denn dafür sorgen, dass zumindest aus Deutschland nichts Schlimmes nach Südafrika kommt?

de Maizière: Das können wir nicht allein. Wir haben ja eine große Hilfe, das ist die Entfernung. Wenn sie von den Niederlanden nach Deutschland fahren oder umgekehrt, dann machen sie das in ein, zwei Stunden. Nach Südafrika müssen sie zehn Stunden fliegen und so reich sind auch viele Hooligans nicht.

Also das ist eine gewisse Hilfe und im Übrigen sind wir im Stande, auch mit den Südafrikanern uns so zu verständigen, dass wir versuchen, die gewalttätigen Hooligans, die es aus Deutschland geben könnte, frühzeitig zu erkennen und am Zutritt des Stadions zu hindern.

Ricke: Es gibt Dateien in Deutschland. Stellen Sie diese Dateien den Südafrikanern zur Verfügung?

de Maizière: Nein, in der kompletten Form nicht.

Ricke: Sondern? Was geben Sie den Südafrikanern, damit die gewaltbereite Deutsche erkennen?

de Maizière: Wir arbeiten mit den Dateien, den Gewalttäter-Dateien, und wir tauschen unsere Erkenntnisse aus, aber nicht Dateien.

Ricke: Herr de Maizière, wann ist denn der Tag, an dem Sie als zuständiger Bundesminister ins Flugzeug steigen, um bei der WM dabei zu sein, wenn die Deutschen im Halbfinale stehen, oder vielleicht schon vorher?

de Maizière: Da gibt es ja viele Vorwürfe. Fährt man nicht hin, dann heißt es, ihr lasst die deutsche Mannschaft im Stich, fährt man zu oft hin, dann heißt es, habt ihr nichts besseres zu tun, das ist ja auch weit weg und teuer. Ich habe mich deswegen entschlossen: Ich fahre zum Achtelfinale, nicht zur Vorrunde – da habe ich auch manches Terminproblem -, sondern zum Achtelfinale. Das heißt erstens: Deutschland kommt ins Achtelfinale. Das ist ja vielleicht auch das Mindeste. Aber zur Sicherheit habe ich mir beide Spiele vorgemerkt. Also auch wenn man Zweiter wird, bin ich dabei.

Ricke: Achtelfinale ist vor der Wahl des Bundespräsidenten, Halbfinale ist nach der Abstimmung in der Bundesversammlung. Bestimmt so etwas auch den Terminkalender eines Sportministers?

de Maizière: Ich denke jetzt erst mal bis zum Achtelfinale, und ich vermute, wenn es dann weitergeht, werden mehrere versuchen, fliegen zu wollen, und dann gibt es sicher auch für mich oder andere eine Mitfluggelegenheit.

Ricke: Nun finden die Spiele der Fußballweltmeisterschaft während der Finanzkrise statt, während der Debatte in Deutschland über den Sparkurs. Glauben Sie denn, dass Sie wenigstens ein paar Tage dem politischen Streit in der Heimat entkommen werden?

de Maizière: Da geht es ja nicht um mich, ob ich dem entkomme, sondern es geht auch um die Frage, ob das ganze Volk wieder ein bisschen erfasst wird von einer Stimmung, wie wir sie hatten. Und wenn ich daran denke, was jetzt schon an Fahnen an den Autos ist, bevor es überhaupt losgegangen ist, und das Wetter wird schön und die Spiele hoffentlich auch schön bei der jungen, frischen Mannschaft, die wir haben, dann hoffe ich, dass nicht als Ablenkung – das darf nicht sein in dieser ernsten Lage -, aber als vielleicht zusätzlichen Hinweis darauf, dass es nicht nur schwierige Zeiten im Leben gibt, dass wir das auch ein bisschen genießen können.

Ricke: Die Politik ist in einer schwierigen Phase. Es gibt jetzt schon wieder die Diskussion, ob sich FDP und Union auf Dauer vertragen werden. Entzündet hat sich der Streit an Opel. Wann ist denn die Schwelle gekommen, an der ein Minister sagt, ich kann nicht zur Fußball-WM fahren, ich muss zu Hause bleiben?

de Maizière: Das kann jederzeit passieren. Für einen Minister, der für die öffentliche Sicherheit verantwortlich ist, kann das Tag und Nacht passieren, aber das muss man dann ad hoc entscheiden. Aber Querelen aller Art sollten uns nicht davon abhalten, die deutsche Mannschaft zu besuchen und ihr den Rücken zu stärken.

Ricke: Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Herzlichen Dank.

de Maizière: Gerne!