"Ich sehe im Moment keine weitere Branche, wo das notwendig wäre"

Moderation: Marie Sagenschneider · 30.11.2007
Der Mindestlohn bei der Post darf nach Ansicht des CSU-Vorsitzenden Erwin Huber nicht auf weitere Branchen übertragen werden. Es dürfe keine "Salamitaktik" geben, wo eine Branche nach der anderen einen Mindestlohn vorgesetzt bekomme, sagte der bayerische Finanzminister. Dafür müssten besondere Bedingungen herrschen.
Sagenschneider: Benzin, Öl, Lebensmittel - vieles ist im vergangenen Jahr deutlich teurer geworden. Zum Teil gab es Preissteigerungen von bis zu 20 Prozent. Und dann kam ja auch noch die Mehrwertsteuererhöhung dazu. Nun liegt die Inflationsrate bei drei Prozent, so hoch wie seit 13 Jahren nicht mehr und frisst die Lohnsteigerung des vergangenen Jahres auf, die im Durchschnitt bei 2,4 Prozent gelegen hat. Wie wird sich das weiterentwickeln und drohen da gefahren? Erwin Huber ist CSU-Chef und Finanzminister in Bayern und nun am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Herr Huber.

Erwin Huber: Guten Morgen.

Sagenschneider: Drei Prozent Inflationsrate, könnte das in den nächsten Monaten zu einem Risiko werden?

Huber: Ja, in der Tat. Das ist wohl ein zusätzliches Problem, das wir zu bewältigen haben. Wir kommen ja aus einer schwierigen konjunkturellen Situation jetzt in den Aufschwung hinein. Wir schaffen Arbeitsplätze. Aber üblicherweise sind mit Anziehen der Konjunktur tatsächlich Preisprobleme verbunden. Und deshalb muss man sich auch um die Sektoren in besonderer Weise annehmen. Energie - wir brauchen ein größeres Angebot an Energie, wir brauchen einen funktionierenden Energiemarkt, damit sich hier ein echter Wettbewerb ergibt. Das heißt, wir brauchen in der Tat eine Politik, die jetzt auch die Bekämpfung von Preissteigerungen in den Mittelpunkt stellt.

Sagenschneider: Aber das wird ein bisschen dauern, bis das umgesetzt worden ist.

Huber: Es ist natürlich so, dass es da schnell wirkende Mechanismen nicht gibt. Da gibt es keinen Hebel und dann hat man das wieder im Griff, sondern da ist in der Tat so, dass man eine mittlere Strategie aufbauen muss. Zum Teil geht das ja nicht allein bei uns, sondern wir sind darin eingebunden in die Europäische Union, wir sind eingebunden in einen Weltmarkt, und wir haben natürlich sehr viele Einflüsse aus dem Ausland. Also das macht es nur noch schwieriger. Aber dass das ein Schwerpunkt der Politik sein muss, ist völlig richtig.

Sagenschneider: Die Regierung ist ja mit schuld an dieser hohen Inflationsrate, denn zu einem ordentlichen Teil geht die zurück auf die Mehrwertsteuererhöhung. War die dann doch im Nachhinein gesehen ein Fehler?

Huber: Nein, sie war richtig, sie war notwendig. Man hat das ja nicht gemacht, weil man den Menschen etwas antun will, sondern es hat sich ja innerhalb eines Jahres gezeigt, dass wir die öffentlichen Haushalte in Ordnung haben. Es gibt eigentlich auch keine stabile Gesellschaft und keine florierende Wirtschaft, wenn die öffentlichen Haushalte in Unordnung sind. Deshalb war das notwenig. Aber es ist in der Tat so, damit ist ein gewisser Preissteigerungseffekt verbunden, der übrigens nicht auf die Lebensmittel wirkt oder auf den öffentlichen Nahverkehr, aber der Impuls ist gar nicht zu bestreiten. Deshalb müssen wir natürlich jetzt auch dies mehr in den Mittelpunkt stellen – wie können wir nicht nur dadurch bedingte, sondern generell aus den Weltmärkten, aus den heimischen Märkten bedingte Preissteigerungen besser abfangen. Das Angebot in diesen Dingen muss verbreitert werden, um damit diese preissteigernden Tendenzen aufzufangen.

Sagenschneider: Aber glauben Sie nicht, dass der Binnenkonsum dann doch wieder mal nicht so richtig in die Gänge kommt, eben durch diese Entwicklung?

Huber: Natürlich ist es so, die Menschen fürchten ja zurecht Inflation, weil das die Sparguthaben und die Sparleistung in der Vergangenheit relativiert. Und deshalb ist es sicherlich unsere Aufgabe, gemeinsam dazu beizutragen, in den nächsten Jahren auch unseren Beitrag zur Stabilität zu leisten.

Sagenschneider: Ja, aber wie denn? Ich meine, es ist ja tatsächlich so, dass der Aufschwung bei ganz vielen nicht richtig ankommt. Die Einkommensarmut ist in den letzten Jahren von 12 auf 19 Prozent gestiegen, ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung, der ist inzwischen auf ergänzende Hilfen aus dem Arbeitslosengeld II angewiesen. Also bei vielen ist es einfach richtig knapp.

Huber: Ich würde schon sagen, in der Mehrheit ist der Aufschwung angekommen, denn wir haben die größten Lohnsteigerungen seit zehn, elf Jahren. Nur es gibt natürlich in der Tat eine wachsende Minderheit, die da nicht mitkommt, objektiv nicht mitkommt. Aber deshalb haben wir ja beispielsweise auch eine Politik gemacht, die zum ersten Januar 2008 die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung deutlich absenkt. Es wird kaum wahrgenommen. Aber man muss ja sehen, vor einem Jahr waren für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer die Beträge bei 6,5 Prozent. Ab 01. Januar werden sie bei 3,3 Prozent sein. Wenn ich das auf den Arbeitnehmer nehme, dann hat er 1,6 Prozent netto mehr, nicht Brutto, sondern netto mehr. Also das sieht man schon, dass wir da etwas getan haben, das für die Leistungsträger und die Leistungserbringer wirklich einen Vorteil darstellt.

Sagenschneider: Und trotzdem können eben viele von ihrem Job nicht leben. Nun ist in einer Branche ein Minimum ja endlich ausgehandelt worden, den Postmindestlohn meine ich natürlich. Ist die Union da eingeknickt, Herr Huber?

Huber: Nein, wir haben immer gesagt, erstens wir lehnen gesetzliche Mindestlöhne ab, zweitens wir sind unter bestimmten Bedingungen bereit, tarifliche Mindestlöhne zu akzeptieren. Und wir haben die Bedingungen dafür im Sommer genannt. Die Bundeskanzlerin hat genau gesagt, jawohl, das machen wir unter bestimmten Bedingungen. Die sind jetzt eingetreten, und deshalb haben wir Ja gesagt. Wir haben auch vor 14 Tagen im Koalitionsgipfel genau dieses Angebot gemacht. Seinerzeit waren SPD und Gewerkschaften noch nicht so weit. Jetzt haben sich die Bedingungen erfüllt, und jetzt stimmt die Richtung.

Sagenschneider: Und sagen Sie, dieses eine Mal und das war es, oder ist die Union da zu weiteren Kompromissen für andere Branchen bereit? Denn es zeichnet sich ja ab, das wird die SPD fordern, warum die Post und nicht auch die Fleischer oder die Abfallentsorger, die Zeitarbeiter.

Huber: Also es geht natürlich nicht so, dass man sagt, in der Salamitaktik machen wir jetzt eine Branche nach der anderen. Dann wären wir in einem Bereich, wo wir nicht hinwollen. Es muss eine besondere Bedingung da sein. Im Bau war das der Einfluss aus dem Ausland. Auch bei den Gebäudereinigern. Jetzt bei der Post ist es der Übergang vom Monopol in den Wettbewerb. Ich sehe im Moment keine weitere Branche, wo das notwendig wäre.

Sagenschneider: Erwin Huber, CSU-Chef und bayerischer Finanzminister im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.