"Ich mag es ruhig"

Von Jörg Taszman · 03.01.2011
Vor drei Jahren gelang Regisseur Jean Becker mit "Dialog mit meinem Gärtner" ein beachtlicher Kinoerfolg. Auch sein neues Werk "Das Labyrinth der Wörter" spielt in der beschaulichen französischen Provinz. Die Hauptrolle hat Gérard Depardieu übernommen.
"Lesen Sie gerne?", fragt die 95 Jahre alte Dame Margueritte den etwas grobschlächtigen Germain, der es als einfacher Arbeiter nie so wirklich mit dem Lesen hatte. Gérard Depardieu spielt diesen wuchtigen, aber eigentlich gutmütigen einfachen Mann. Nach seiner Rolle als der von Alzheimer geplagte Konrad in "Small World" verkörpert Gérard Depardieu auch in "Das Labyrinth der Wörter" einen kindlichen Mann mit dem Herz am rechten Fleck, den seine Umwelt fast als leicht zurückgeblieben wahrnimmt.

Für Depardieu sind dies jedoch Rollen, die ihn reizen und er mag auch den Kontakt zu wesentlich älteren Mitmenschen. Seine Partnerin Gisèle Casadesus ist Jahrgang 1914.

Gérard Depardieu: "Ich drehe gerne und das seit etwa 30 Jahren in Krankenhäusern oder Altersheimen, wo man Menschen in ihrer Einsamkeit sieht. All diese Alten sind alleine. Sie sind wie Konrad. Sie sind nicht mehr daran gewöhnt, zu sprechen, zu kommunizieren. Sie sind ein wenig isoliert wie Tiere, die den Sinn des Lebens verloren haben. Sie wissen, dass sie immer mit der Gefahr leben, vom Leben abgeschnitten zu werden. Ich mag es, Figuren zu spielen, die dieser Schwere eine gewisse Leichtigkeit entgegen setzen".

Regie führte Jean Becker, der Regisseur von so unterschiedlichen Filmen wie "Dialog mit meinem Gärtner" oder "Ein mörderischer Sommer". Er kann sich ganz auf seine beiden Hauptdarsteller verlassen. Gerard Depardieu ist ganz in seinem Element und die Figur von Gisele Casadesus als literaturbegeisterte, alte Dame berührt. Zwischen Germain und Margueritte entsteht eine echte Freundschaft. Nur soll die 95-Jährige bald in ein Altersheim abgeschoben werden.

"Das Labyrinth der Wörter" hat etwas Märchenhaftes, Leichtes, ist dabei gelegentlich ein wenig zu lieblich. Den Vorwurf, seine Filme seien zu sentimental, kennt Jean Becker. Der 72-jährige Regisseur hatte es als Sohn des in Frankreich sehr populären Filmemachers Jacques Becker nie leicht, auch wenn seine Filme meist ein Millionenpublikum erreichen. Bei der eher intellektuellen Pariser Filmkritik sind seine Werke nicht sonderlich beliebt. Das Unbehagen ist gegenseitig.

Jean Becker: "Es stimmt, dass ich mich in einfacheren Welten wohler fühle, die nicht 'parisisch' sind. Ich mag diese Pariser Welten nicht sonderlich. Außerdem kommt hinzu, dass ich das komplette Drehteam, das mit mir über 6 Wochen zusammen verbringt, gerne die ganze Zeit um mich herum habe. Das geht an einem eher unspektakulären, diskreten Ort einfach viel besser. Wenn man sich dann wie in diesem Fall in einer Kleinstadt wie Charenton-le-Pont wiederfindet, sind die Leute liebenswürdig, man wird mit offenen Armen aufgenommen. Diese ganze Pariser Hektik gibt es dort nicht. Es gibt keinen Tumult und ich mag es ruhig."

Jean Becker ist nicht der einzige Filmemacher, den es im sehr zentralistischen und Paris orientierten Frankreich zurück aufs Land zieht. Seit einigen Jahren gibt es diesen filmischen Gegentrend mit Produktionen wie "Eine Schwalbe macht keinen Sommer" oder "Sie sind ein schöner Mann". Schon in der Bestsellerverfilmung von "Ein mörderischer Sommer" mit einer beeindruckend sinnlichen und gefährlichen Isabelle Adjani ließ Jean Becker seine Vorliebe für die Provinz und für Literaturverfilmungen erkennen. Auch "Das Labyrinth der Wörter" basiert auf einem populären Roman.

Jean Becker: "Ich sage das manchmal, um mich ein wenig über mich selbst lustig zu machen und es ist auch keine falsche Bescheidenheit. Ich habe nicht genug Vorstellungskraft, also suche ich sie in Büchern. Ich gehe dann von etwas aus, dass bereits gut geschrieben ist und in mir Bilder auslöst. Dann sage ich mir: Ich habe Lust, diese Geschichte in Bildern zu erzählen"

Jean Becker, der manchmal ein wenig brummelig wirkt, aber ähnlich wie Germain im Film eigentlich ein sehr angenehmer Zeitgenosse ist, wollte ursprünglich Schauspieler werden, war aber, wie er selbst meint, "sehr schlecht". Nun führt er eine Familientradition fort. Sein Sohn Louis ist ebenfalls im Filmgeschäft tätig und produziert die Filme seines Vaters.

Filmhomepage "Das Labyrinth der Wörter"
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