"Ich habe noch nie versucht, Homosexuelle vom Teufel zu befreien"

Von Dominik Wullers · 21.05.2013
Dominik Wullers ist Ende 20 und überzeugter Christ. Kein leichtes Leben, findet er. Denn immer wieder begegnet er Vorurteilen, wenn er von seinem Glauben spricht. Der Grund: Den Menschen sei der Glaube systematisch aberzogen worden.
Die Wut übermannt mich, wie häufig nach den christlichen Feiertagen. Ich bin Katholik, aber eher im Geheimen. Denn wenn ich mit Freunden oder Kollegen über meinen Glauben spreche, ernte ich verständnislose und angewiderte Blicke. Darum habe ich mir das schon lange abgewöhnt und schweige lieber.

Mit Ende 20 braucht mich das nicht wundern. Der Glaube meiner Generation hatte nie eine Chance. Gründlich aberzogen von den 68ern. Immer mehr Menschen wissen nichts mehr über das Christentum. Sind aber absolut dagegen. Und Gott, den gebe es eh nicht.

Besonders stört mich dieser Glaube an das Nichts in meinem beruflichen Umfeld an der Universität. Da rühmt sich einer, dass er seine Kinder so anti-religiös wie nur möglich erziehe. Für jede schlechte Note im Religionsunterricht belohne er sie daheim mit einem Euro. Und die Kollegen spenden Beifall. Grandiose Idee.

In der Kirche selber gähnende Leere. Nur noch Senioren bevölkern die Gotteshäuser. Und das ist nun also die gnädig tolerierte, religiöse Rückständigkeit des deutschen Volkes? Ein paar Opas und Omas.

Die Messe selbst regt auch nicht zum Glauben an. Die Gläubigen schlafen ein, die Messdiener kennen den Ablauf nicht und dem Pfarrer ist es egal. Ich selbst lege Wert auf Liturgie, aber bin damit sehr einsam.

Manchmal ist es dann doch wieder voll. An Weihnachten, Ostern oder auch Pfingsten. Dann kommen nämlich die Event-Christen. Mama und Papa mit Ben und Mia wollen sich das christliche Spektakel mal ansehen. Für die Kinder haben sie Videospiele dabei, damit es nicht so langweilig wird. Oder Bauklötze, die die lieben Kleinen auch mal gern zum Altar tragen.

Ein anderer Gast zu den hohen Festen ist der Coole. Er trägt dreckige Sportschuhe, modisch zerrissene Jeans, Lederjacke und kaut Kaugummi. Die Hostie schmeißt er sich rein wie eine Ecstasy-Pille und prüft mit abgeklärtem Blick, ob ihn auch alle gebührend bewundern. Später holt er sein Smartphone raus um zu checken, was heute noch partytechnisch geht.

Passenderweise handelt die Predigt vom Nullpunkt. Und der ist bei mir endgültig erreicht. Warum, so frage ich mich, halte ich es in dieser Kirche aus? Bin ich überhaupt noch Katholik?

Ich glaube nicht an die Jungfräulichkeit Mariens, nicht daran, dass sich Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln. Auch habe ich noch nie versucht, Homosexuelle vom Teufel zu befreien. Vor allem bin ich es leid, mich für meinen Glauben zu rechtfertigen - vor Leuten, die keine Ahnung haben, weder vom Glauben an Gott noch vom Atheismus, den sie geradezu missionarisch vertreten.

Andererseits glaube ich, dass unsere Welt einen göttlichen Ursprung hat. Wie kann man das Wunder des Seins, der Existenz unseres Universums, erleben und anders denken?

Man kann Gott nicht beweisen, aber auch nicht widerlegen. Wir scheitern bereits an Konzepten wie der Unendlichkeit. Dabei wissen wir, dass es sie zumindest mathematisch gibt, können sogar mit ihr rechnen, aber niemand kann sie erfassen. Wir scheitern an dem Versuch, sie uns vorzustellen.

Wo die Ratio scheitert, fühle ich, dass das Universum nicht nur ein leerer Raum mit ein paar schwebenden Felsen darin ist. Es gibt mehr. Ich werde wieder versuchen es zu verstehen. Nächsten Sonntag zum Beispiel!


Dominik Wullers, geboren 1984 in Stadtlohn als Sohn einer Deutschen und eines Kapverdianers, studierte als Offizier der Bundeswehr in Hamburg, Harvard und West Point das Fach Volkswirtschaftslehre, arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und ist Gründungsmitglied des Vereins "Deutscher Soldat".
Dominik Wullers
Dominik Wullers© privat
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