"Ich find diese Schule einfach toll"

Von Maria Riederer · 10.10.2009
Vor zwei Jahren ging in einem Neubaugebiet am Kölner Stadtrand eine neue Schule an den Start: Die Internationale Friedensschule Köln. Dort lernen die Kinder nicht nur verschiedene Sprachen, sonder vor allem verschiedene Religionen kennen und üben Selbstständigkeit und Toleranz.
Wer mit dem Auto auf dem Gelände der Internationalen Friedensschule in Köln ankommt, parkt noch auf Schotter. Das freundliche, sandsteinfarbene Gebäude steht mitten im Neubaugebiet. Noch ist der Bau der Schule nicht ganz abgeschlossen. Wer das Gebäude betritt, vergisst die Bagger und Gerüste. Der Besucher blickt auf viel Glas, Licht und helle Farben.


"Ich bin die Helen und komm aus Deutschland."

"Ich heiß Faraz, und meine Eltern kommen aus Iran, ich kann deutsch und bisschen spanisch und iranisch."

"Ich bin der Nadim, meine Mutter kommt aus Deutschland und mein Vater aus Algerien, ich kann deutsch, englisch, französisch, spanisch und bisschen arabisch."

"Ich bin Sophia, ich bin aus USA, mein Vater ist aber aus England ..."

"Ich bin der Shai und komme aus Israel."

"Ich bin Juanita, ich komm in Nepal."

"Ich bin die Alba, ich komme aus England - Hello, I am Alba and I come from England."

"Shalom" - "Namaste" - "Hallo!"

"Mein Name ist Sabine Woggon-Schulz, ich bin die Direktorin und aber auch die Gründerin der Internationalen Friedensschule Köln, das heißt diejenige, die die Initiative angestoßen hat."

Der Anstoß für die Idee einer internationalen Friedensschule kam aus dem Ausland. Als Lehrkraft in Peru hatte Sabine Woggon-Schulz erfahren, was Schule für Kinder bedeuten kann.

"Also, in Peru heißt Bildung: Ich kann aus meinem Leben was machen - und das heißt, dass die Kinder in einer völlig anderen Art motiviert sind, dass Lernen etwas Lebensnotwendiges für sie ist. Und im Prinzip ist unsere Grundlage, eine Schule zu bauen, wo Kinder merken, dass Lernen etwas Lebensnotwendiges ist. Wir möchten ihnen nicht nur den normalen curricularen Lernstoff bieten, sondern wirklich einen Lernstoff mit dem sie leben lernen können."

Leben lernen - das sollen die Kinder hier auf ganz unterschiedliche Art. "International" steht für Vielsprachigkeit und Interkulturalität. Deutsch und Englisch sind die Unterrichtssprachen, für jedes Kind gibt es zusätzlich die Möglichkeit, seine Muttersprache weiterzulernen - egal, ob Farsi, Mandarin, oder Ungarisch. Aber was lernen Kinder in einer "Friedensschule"? Sonja Güntner, Koordinatorin für Interreligiosität und Mitglied der Schulleitung, erklärt das Konzept:

"Es ist wunderbar, wenn Kinder toll Sprachen können, wenn sie die Möglichkeit haben, Kinder aus anderen Ländern kennenzulernen, aber zu den Kompetenzen, die man braucht, um als Weltbürger, als friedensorientierter Mensch in die Welt zu gehen - und auch schon in der Schulzeit, die man hier ja auch ganztägig erlebt - ist es wichtig, dass man weiß: Was glaubt jemand, der einer ganz anderen Religion angehört, der aus 'nem ganz anderen Kulturkreis kommt; was er isst, was er an bestimmten Tagen macht, wie er Feste feiert, welche Werte für ihn wichtig sind."

Religionsunterricht in einer der großen Weltreligionen ist für alle Schüler an der Ganztagsschule Pflicht. Dabei sind rund 40 Prozent der Kinder ohne Bekenntnis. Sie können wählen, in welcher Religion sie unterrichtet werden möchten.

"Viele Menschen nehmen an, dass ich muslimisch bin, bin ich aber nicht, weil meine Eltern - viele Leute kennen das auch in Iran, dass dort die Muslime andere Religionen nicht dulden, und deswegen habe ich jetzt erst keine Religion und gerade dass diese Religion die andere toleriert, lernen wir auch in dieser Schule. Ich geh in Judentum-Unterricht, weil mir das sehr viel Spaß macht und ich auch nebenbei eine neue Sprache lerne, nämlich hebräisch."
"Ich bin keine Religion, weil mein Vater ist ja Muslim und meine Mutter Katholikin, und da kann man sich irgendwie nicht entscheiden. Ich mach Religionsunterricht, und ich mach gerne Islam und jüdisch mach ich gern."

"Hier versucht man auch beizubringen, dass man auch andere Religionen tolerieren soll, also wenn einer etwas glaubt, sagt man nicht: Das stimmt nicht - weil das ist sein Glaube, und das muss man ihm auch lassen, weil man kann glauben, was man will."

Sonja Güntner: "Uns geht es darum, den Kindern Kenntnisse und Wurzelwissen zu vermitteln, und das sollen sie als sicheres Wissen mitnehmen aus der Schule - über ihre eigene Religion, über ihre eigene Kultur aber eben auch über so viele wie möglich andere Religionen."

Über andere Religionen erfahren die Kinder in Extrastunden, in denen sie sich über das Gelernte austauschen. Und in einer Ganztagsschule gibt es auch genügend andere Gelegenheiten, dieses Wissen ganz praktisch einzusetzen.

Woggon-Schulz: "Man hat die Wahl, in so einer Schule fürchterlich viele verschiedene Essen zu kochen, damit alle essen können, oder eben eins, das den kleinsten gemeinsamen Nenner bietet. Wir haben uns für den kleinsten gemeinsamen Nenner entschieden, das heißt, unser Essenskonzept ist vegetarisch, so dass wirklich alle Kinder gemeinsam zu essen in der Lage sind. Und wir kriegen auch schon mit, dass die Kinder das gegenseitig weitergeben: So ein Zweitklässler sagt zu 'nem neu Ankommenden, der ihn fragt: Warum dürfen wir denn kein Fleisch essen? - 'Na ja, weißt du, das Fleisch, das können die Verwandten von der Shalini sein, und du willst doch auch nicht, dass jemand deine Verwandten isst.' Das ist jetzt auf einer sehr, sehr kleinen Ebene - erstes, zweites Schuljahr. Natürlich lernen die Kinder hinterher, das auch anders zu reflektieren, aber das ist auch Interkulturalität und unseres Erachtens nach auch Friedensarbeit."

Gottesdienste gibt es an der Schule nicht. Noch ist keine Form gefunden, die für alle Religionen gleichermaßen passend wäre.

Sonja Güntner: "Wir versuchen da ein Format zu entwickeln. Diese Schule steht ja, was das Interreligiöse angeht, auf sehr, sehr gut abgesicherten Füßen. Wir haben einen interreligiösen Beirat, in dem die Weltreligionen durch offizielle Vertreter repräsentiert werden, der uns bei allen diesen Fragen berät und mit uns gemeinsam entwickelt.

Wir fangen ganz behutsam, ganz vorsichtig an, einzelne kleine Zeremonien einzuführen der einzelnen Religionen, punktuell ist es dann so, dass wir Kinder aus anderen Religionen mit dazu einladen, damit sie das in kleinem Rahmen kennenlernen können, aber uns ist ganz wichtig - der Bereich des Religiösen hat sehr viel mit Authentizität zu tun, das ist nichts, was man irgendwie darstellen kann oder irgendwie auf ne Bühne stellen kann."

Praktisch gehört zur Friedensarbeit nicht nur das Vermitteln zwischen Religionen, sondern auch ganz alltägliche Hilfestellungen. Mediatoren beraten die Kinder in Konfliktsituationen und helfen vor allem bei der Integration neuer Schüler. Und jeden Morgen vor dem Unterricht machen die Schüler Tai Chi mit einem echten Mönch.

Kinder:
"Meister Yang ist ein richtiger Shaolin-Mönch und hat mal in China gelebt und hat die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht, Tai Chi und Kung Fu zu lernen."

"Tai Chi macht, dass du besser atmen kannst, einatmen und ausatmen (kichert)."

"Das bringt uns Gleichmäßigkeit zu atmen, und wenn man gleichmäßiger atmet, das fördert auch, dass man sich besser konzentrieren kann."

Die Internationale Friedensschule Kölnist noch im Aufbau - außen wie innen. Draußen brummen die Bagger vorbei, innen rauchen die Köpfe der Lehrer und Schulleiter. Und auch die Kinder werden in Entscheidungen mit einbezogen.

Woggon-Schulz: "Wir gehen in die Klassen, wir zeigen denen die Baupläne, wir zeigen, was wir uns ausgedacht haben, die sagen: Oh, das kann aber vielleicht noch anders sein, weil hier ist unser Schulhof ja noch 'n bisschen klein. Aus diesem Grund haben wir jetzt zum Beispiel dieses Gebäude L-förmig gemacht und nicht gegeneinander gesetzt, die Kinder haben den Eindruck, dass sie mitbauen können. (...) Wenn Dinge nicht klappen und nicht funktionieren, dann bauen wir die gemeinsam um, und sie haben auch Mitsprache. Zum Beispiel hatten sie am Anfang wesentlich kürzere Pausen, obwohl der Tag so lang war, und dann haben sie sich richtig beschwert und haben gesagt: Hört mal, wir brauchen auch Zeit zum Spielen, das geht so nicht. Und dann haben wir den Stundenplan so umgebaut, dass die Spielpausen merkbar länger geworden sind und jetzt haben die Kinder sich erkämpft, dass sie längere Pausen haben."

Ganz unabhängig von den Lehrern loben auch die Kinder das Mitspracherecht und die Erziehung zur Selbständigkeit.

"Ich find diese Schule einfach toll, weil die einen selber machen lassen, was man will. Zum Beispiel hatten wir letztes Jahr eine Projektwoche, wo wir uns alles selber organisieren mussten, wir hatten da keine Lehrer, wir konnten uns eine Woche aussuchen, ob wir entweder ein Musikstück machen, etwas bauen, es ging halt alles über die Zukunft, wir mussten drei Pflichtteile machen, aber den Rest haben die uns machen lassen, wie man will und man konnte sich den Tag auch selber organisieren und das find ich auch toll."

"Gut ist auch, dass wir viel Mitspracherecht haben und wir Kinder ziemlich viel entscheiden dürfen. Also vor allem die Fünftklässler, wir müssen selber auf die Zeiten achten, wir müssen selber von der Pause rein, werden halt nicht mehr reingeholt, müssen halt gucken, dass wir so viel wie möglich alleine schaffen, das find ich super."

"Es ist Pflicht, eine eigene Uhr mitzuhaben ab der Fünften auch, und wir müssen selbständiger sein, und wir lernen hier auch richtig, wie man mit Situationen umgeht, wo sich Leute nicht verstehen und ich bin auch zufrieden, weil hier machen die Kinder nicht so viel Mist wie in anderen Schulen, wo ich war."

Noch gibt es in der Schule nur 360 Kinder. Die Atmosphäre ist familiär. Jeder kennt jeden. Sogar der Hund der Schulleiterin, Ronja, kommt ab und zu mit in die Schule.

Kind: "Das Schöne ist, wenn wir ankommen, jeden Tag in der Schule ankommen, dann begrüßt dich Frau Woggon-Schulz, Ronja kommt dann immer zu dir und leckt deine Hand - oder Frau Kamp, die Sekretärin."