"Ich denke nicht, dass die deutsche Sprache gerettet werden muss"

Georg Ringsgwandl im Gespräch mit Jürgen König · 22.12.2008
Klapprechner statt Laptop, Denkrunde statt brainstorming - im Rahmen der Aktion "Lebendiges Deutsch" der Stiftung Deutsche Sprache sind bereits viele Eindeutschungen vorhandener Anglizismen eingegangen. Der bayerische Kabarettist Georg Ringsgwandl, der selbst "sowieso nicht Deutsch kann", hält solche Reinhaltungsbemühungen für überflüssig.
Jürgen König: Prof. Walter Krämer, der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache e.V., Josef Kraus, Oberstudiendirektor und Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, der Journalist Wolf Schneider und der Literaturprofessor und Botschafter im Ruhestand Dr. Cornelius Sommer. Diese vier haben im Rahmen der Stiftung Deutsche Sprache eine Aktion "Lebendiges Deutsch" ins Leben gerufen. Alle vier bejahen ganz ausdrücklich die Bereicherung des Deutschen durch fremde Sprachen, aber die schiere Anglomanie, wie sie es nennen, das Übermaß solcher Sprachimporte, das lehnen sie ab und bitten Leser im Internet, Anglizismen einzuschicken, über die sie sich besonders geärgert haben und auch Vorschläge zu machen, wie man englische Begriffe, die bei uns üblich geworden sind, durch deutsche Begriffe übersetzen könnte. Eine Jury entscheidet dann über die eingesandten Vorschläge. Mit dem heutigen Tag geht wieder so eine Umfrage zu den Wörtern des Monats zu Ende. Anlass für uns, den Kabarettisten Georg Ringsgwandl anzurufen, in dessen Bühnenprogrammen die Sprache eine ganz wichtige Rolle spielt. Guten Morgen, Herr Ringsgwandl!

Georg Ringsgwandl: Guten Morgen!

König: Ich gebe Ihnen mal einige Beispiele aus dem Wortarchiv der Aktion "Lebendiges Deutsch". Was halten Sie denn von dem Klapprechner anstelle des Laptops?

Ringsgwandl: Ha, Klapprechner, das finde ich ein Witz.

König: Das hat doch was?

Ringsgwandl: Klapprechner, darauf müsste ein Kabarettist erst mal kommen überhaupt.

König: Ja.

Ringsgwandl: Klapprechner finde ich sehr cool.

König: Oder "aktualisieren" für "updaten"?

Ringsgwandl: Na ja, ich meine "aktualisieren" ist nicht … Das ist ein lateinisches Wort, sodass die Frage ist, wollen wir es lieber lateinisch. Ich meine, "updaten" ist ja auch halb Englisch und halb Lateinisch.

König: Ja.

Ringsgwandl: Ich meine, das heißt, wir bewegen uns hier in so einem gesamteuropäischen Sprachmischmasch. Die Engländer haben da ganz viel Latein, wie auch so ein bisserl was. Das mischt sich so durch. Ich wäre dafür, dass man sagt, solange sich die ganzen Mischbestandteile aus europäischen Wurzeln nähren, gehts ja noch. Schlimm wird es, wenn die Chinesen sich reinmischen, das wird es bös.

König: Na gut, aber soweit sind wir ja noch nicht. Was halten Sie denn von "Netzplaudern" anstelle von "Chatten"? Das fand ich auch sehr charmant.

Ringsgwandl: Da fällt es mir schwer, weil beide Ausdrücke klingen scheiße. Quatschen wäre eine ganz gute Alternative.

König: Ja. Es gab auch Brainstorming zum Beispiel. Dafür haben sich immerhin 4.426 Menschen, haben zu Brainstorming etwas gesagt und über 10.000 Vorschläge gemacht, darunter "Gripstreffen", "Tüftelrunde", "Grübelplausch", "Denkgewitter", "Gedankenquirl". Am Ende entschied man sich dann für die "Denkrunde". Das alles zeigt doch, dass es irgendwie schon ein Bedürfnis gibt, solche Begriffe, an die wir uns gewöhnt haben, irgendwie durch Deutsches zu ersetzen?

Ringsgwandl: Ich bezweifele das. Das ist nicht eine von diesen Initiativen in Deutschland … wir sind ja geprägt den kategorischen Imperativ, um mal lateinisch zu reden. Und wir meinen ja immer, dass es irgendwie sein müsste. Irgendwie muss der Müll beseitigt werden und muss die Sprache gepflegt werden und muss das Gammelfleisch weg und so weiter. Ich glaube das nicht. Ich halte das auch für eine Initiative von Leuten, die einfach zu viel Zeit haben. Ich meine, gut, das ist die Lehre der Germanisten so, Deutschlehrer und so und die müssen sich beschäftigen irgendwie. Aber ich glaube, dass es eine überflüssige Geschichte ist. Das ist ungefähr so, wie die Grünen in München bei der Initiative zur Rettung des Spinne anstoßen wollten, weil wir zu wenig Spinnen haben im Münchener Raum. Und ich denke mir, es ist ein ganz großer Unterschied, was gesprochene Sprache ist und die ist nicht regulierbar. Wie die Leute reden im Arbeitsalltag, das hat ganz verschiedene Gründe. Die quatschen einfach oft mutwillig durcheinander auf Englisch, Deutsch und sonst was. Und die literarische Sprache ist ganz was anderes. Ich denke, wenn ein junger Typ, sagen wir mal, wirklich ein ganz junger Kerl, der könnte mein Sohn sein, wie Daniel Kehlmann, wenn der ein supererfolgreiches deutsches Buch schreibt, dessen literarische Qualität so ist, dass sich alle anderen wirklich hinlegen können, dann habe ich da gar keine Sorgen. Und das literarische Deutsch ist sowieso eine andere Geschichte. Und das Gesprochene, wenn es lebendig sein soll, dann hat es sicherlich alle möglichen Unmöglichkeiten drin. Ich sage das als Bayer, ich kann sowieso nicht Deutsch. Und das Hochdeutsche, dass man mal irgendwann künstlich erfunden wurde, speist sich ja ohnehin aus dem Zustrom von Dialekten.

König: Aber nehmen wir mal zum Beispiel diese ganzen Servicepoints der Deutschen Bahn. Das war doch schon etwas, worüber sich in der gesamten Bevölkerung großer Unmut regte oder man fand es einfach albern und quatschig.

Ringsgwandl: Ja, das ist natürlich ein großes Problem, weil diese Anglizismen werden ja staatsoffiziell von der Regierung verordnet. Diese "Jobaktivgesetze", oder statt "Arbeitsamt", "Jobcenter" oder "Jobagentur", das kommt ja aus der Regierung dieser Scheiß. Was soll die Bevölkerung sagen, es muss praktisch die Bevölkerung gegen die Regierung die deutsche Sprache retten, oder wie?

König: Na, es muss ja nicht die Bevölkerung auftreten, aber hier haben sich ja immerhin vier ehrenwerte Herrschaften gefunden und sagen, nein, wir nehmen das nicht an und wir schlagen zumindest mal was anderes vor. Wenn Sie auch sagen "Jobcenter" und das "Jobaktivgesetz" und dieses ganze Zeug, ich meine, das ist doch eigentlich eine legitime Sache und nicht nur, dass eine Betätigung von Leuten, die zu viel Zeit haben?

Ringsgwandl: Ich würde diese Regierung einfach abwählen.
König: Na gut.

Ringsgwandl: Nur wegen des Ausdrucks "Jobaktivgesetz", würde ich sagen …

König: Das reicht aus?

Ringsgwandl: Das reicht aus. Die können sonst alles Mögliche gut machen, aber wenn das Ganze "Jobaktivgesetz" nennen, müssten sie sofort nach Sibirien. Das ist ganz klar.

König: Es gibt in der Nähe von Spremberg eine Fleischerei, hat mir meine Redakteurin Waltraud Schirner erzählt, die hat sich kurz nach der Wende umbenannt in "Schlachtshop".

Ringsgwandl: (lacht)

König: Und das war gar nicht lustig gemeint, sondern da wollte sich jemand einfach dem Zeitgeist anpassen. Kennen Sie auch solche skurrilen Stilblüten oder vielleicht auch Wortgewächse, die Ihnen Respekt abverlangen, weil da jemand ganz kreativ mit der Sprache umgeht, so wie der "Schlachtshop"?

Ringsgwandl: Der "Schlachtshop", das ist wirklich sehr beeindruckend, ja. Ich meine, die ganzen Friseurläden haben ja auch so Bemühungen.
König: Jaja.

Ringsgwandl: Aber ich es finde es ganz lustig. Ich meine, wenn man sagt lebendige Sprache, wenn das lebt und wuchert, dann heißt das, dass es schöne Sachen gibt und dass es grausame Sachen gibt. Und das muss man aushalten können. Es wird sich aus diesem ganzen Gewurschtel, dass ja ohnehin in der heutigen Zeit ganz brav ist, wird sich ja alles Mögliche bilden. Zum Beispiel im 18. Jahrhundert, die Seeleute im 18. Jahrhundert, die durch Ostsee, Nordsee so geschippert sind, die haben ein abstruses Gemisch aus vier, fünf Sprachen gesprochen. Und auch im kontinentalen Europa war es so, dass früher die Leute ein irrsinniges Gemisch an verschiedenen Sprachen gesprochen haben. Heutzutage ist die deutsche Sprache im Vergleich zu früheren Zeiten ja hochgradig reinrassig. Insofern, ich denke, dass das einfach so Freizeitbeschäftigung von Germanisten ist, die irgendwie nur, was weiß ich, zu viel Zeit haben, die Ärger haben mit ihrer Frau und deswegen diese Stiftung betreiben müssen oder so was.

König: Dass sie Stress haben mit ihrer Frau, um es gleich wieder auf Englisch zu sagen. Andererseits muss man doch sagen, wenn Sie das 18. Jahrhundert zitieren, zitiere ich das 17., habe ich gelesen. Da hat man zum Beispiel aus dem Akteur, weil man sich das im Deutschen nicht vorstellen konnte, den Schauspieler gemacht. Und das ist doch eine Eindeutschung, die ausgesprochen sinnfällig ist, wo man plötzlich sich sehr gut vorstellen kann, was dieser Mensch tut. Ich will darauf hinaus, dass manchmal Eindeutschung doch wirklich auch zur Klarstellung, oder aus dem "Aeroplan" ein "Flugzeug" zu machen, oder aus dem "Supplikanten" einen "Bittsteller".

Ringsgwandl: Na ja, ja natürlich, freilich. Aber ich meine, das ist ja so, das sind Entwicklungen, die über Jahrzehnte und Jahrhunderte passieren. Ich denke, da braucht man sich gar keine Sorgen drüber machen. Ich denke nicht, dass die deutsche Sprache gerettet werden muss.

König: Nein, nein.

Ringsgwandl: Es ist, dass die Leute irgendwas lesen und Leute sich geistig betätigen. Aber wie die dann im Alltag reden usw. Ich finde, darum würde ich mich nicht kümmern. Ich meine, die Professoren sollten vielleicht einfach aufhören, selbst Romane zu schreiben. Dann wird der deutschen Sprache geholfen, oder?

König: Ja.

Ringsgwandl: Als Beispiel?

König: Vielleicht. Die Rolle der Regierung bei der Sprachentwicklung haben Sie schon sehr schön beschrieben. Welche Rolle haben die Medien dabei?

Ringsgwandl: Die Medien sind auch ein Teil der lebendigen Sprache. Ich meine, in manchen Medien sprechen die Leute relativ vernünftig. In manchen Medien quatschen sie nur Unsinn. Ich sehe da auch kein Regulierungsbedarf. Die Bayern dürfen sowieso nichts sagen. Die Bayern stammeln erst mal, wenn sie sprechen. Und wenn sie sprechen, sprechen sie in einem Ton, der mit Hochdeutsch überhaupt nichts zu tun hat. Aber sie haben jetzt zu Hause ein lebendiges Sprachkontinuum, da sind ein paar Jugoslawen drin, Österreicher und sonstige halbkriminellen Elemente und sie sprechen einfach irgendwie, sodass man sich verständigt und dass es lustig ist. Aber die Reinheit der deutschen Sprache? Ich weiß nicht recht. Das unreinste Deutsch wurde im Dritten Reich gesprochen.

König: Ja. Das heißt, Sie meinen, man soll die Sache letztlich sich selbst überlassen?

Ringsgwandl: Ja, ich denke, wenn jemand zu viel Geld hat, könnte er der Stiftung noch was spenden. Aber ansonsten … Sie können im Internet so ein bisschen rumwurschteln, ist ja schön, das Internet ist ja demokratisch. Aber ich halte das einfach für eine überflüssige Nummer. Wenn vielleicht bei den 365 Tagen noch ein Tag frei ist, könnte man doch einen Tag der reinen deutschen Sprache einführen, so wie der Tag des schlanken Mannes oder Tag der fetten Freundin.

König: Das wäre mal was Charmantes.

Ringsgwandl: Die schlanke Freundin braucht man nicht feiern, aber die fette Freundin muss gefeiert werden.

König: Wir haben immer dieses Wort des Jahres und Unwort des Jahres, das geht mir immer so ein bisschen auf die Nerven. Haben Sie ein Unwort des Jahres 2008?

Ringsgwandl: Nee, aber ich denke mal auch, wer zahlt eigentlich diese ganze Leute für diesen Kram?


König: Das machen die ehrenamtlich.

Ringswandl: Nee, das machen die nicht ehrenamtlich. Die haben da einen Grund, warum sie sich da präsentieren. Die werden doch alle vom Staat bezahlt, diese Leute. Ich könnte mir nicht vorstellen, dass jemand, der sich sein Geld mit ehrlicher Arbeit verdient, dass der Zeit hätte für so einen Krampf. Das glaube ich nicht.

König: Hm, ich weiß es nicht, aber ich glaube das sehr wohl, dass die das aus freien Stücken und wirklich aus Herzblut und mit Engagement betreiben.

Ringswandl: Ja, weil sie auf Staatsstellen sitzen und zu viel Zeit haben.

König: Aber das ist ja nicht ehrenrührig. Ich meine, was mit seiner Freizeit macht, ist doch jedem selbst überlassen.

Ringswandl: Nein, ich denke, dass das einfach eine Zumutung ist, weil diese Leute nerven die Öffentlichkeit. Wenn einer inzwischen mal einen Kartoffelhandel hat oder er verkauft Äpfel oder was oder er repariert Computer oder er wechselt Autoreifen, dann hat er keine Zeit, dass er rumläuft und das Unwort des Jahres vertreibt oder so was. Ich denke, dass diese Leute alle den anderen die Zeit stehlen. Und wir haben eine Wirtschaftskrise und die sollten alle an die Werkbank und fräsen und so was oder vernünftige Bücher schreiben und verkaufen.

König: Über die Reinhaltung der deutschen Sprache ein Gespräch mit dem Kabarettisten Georg Ringsgwandl, demnächst zu erleben in Kitzbühl, die nächsten Auftritte am 27. und 28. Dezember. Und die Internetadresse dieser Aktion "Lebendiges Deutsch" will ich Ihnen verraten. Sie heißt genauso "www.aktionlebendigesdeutsch.de", wenn Sie mehr wissen oder einiges nachlesen wollen. Herr Ringsgwandl, vielen Dank!

Ringswandl: Gut, danke schön auch!