"I am Europe" in Straßburg

Kurze Momente der Verzweiflung

Auf einer Theaterbühne schwenkt ein Mann in blauem Pelz grimmig eine große Flagge.
Szene aus "I am Europe" in der Regie von Falk Richter am Théâtre National de Strasbourg. © Jean-Louis Fernandez
Von Eberhard Spreng · 15.01.2019
Was bedeutet Europa auf der persönlichen Ebene? Der Regisseur Falk Richter macht in Straßburg provokatives Bekenntnistheater und Polit-Kabarett - das erfrischend unterhaltsame Stück "I am Europe" findet fast ungeteilte Zustimmung.
Seit 2014 hat Falk Richter mit seinem achtköpfigen Ensemble von Schauspieler, Tänzern und Performern nach der Antwort auf die Frage gesucht, was Europa auf der persönlichen Ebene für sein Ensemble bedeutet.
Das Ergebnis ist ein sehr unterhaltender Mix aus Bekenntnistheater, Polit-Kabarett, Agit-Prop und kurzen (zu kurzen) Momenten der Verzweiflung an den aktuellen europäischen Zuständen.
Nur einmal, wenn Emmanuels Macrons verächtliche Aussprüche über die Minderbemittelten der französischen Gesellschaft karikiert werden, regt sich im Premierenpublikum lautstarker Widerspruch.
Ansonsten kann der Regisseur, dem seine Auseinandersetzung mit radikalen rechten Tendenzen in Deutschland in seiner Arbeit "Fear" ein Klageverfahren einbrachte, mit seiner neuen Arbeit auf ungeteilte Zustimmung hoffen.

Erhellende Satire

Unterhaltend, erfrischend provokativ ist sein Mix aus persönlichen Biografien, privaten Hoffnungen, kontroversen Diskussionen und dem Kampf um mentale Autonomie im Krieg der sozialen Netzwerke. Auch die beißende Satire über das Profil des förderungsverdächtigen Kulturarbeiters ist erhellend: "Diversity" und biografische Komplexität ist das derzeitige Modekriterium für Kulturförderer.
"I am Europe" ist Polit-Entertainment, das zu selten Mut hat für den Blick in die persönlichen Abgründe.
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