Humoriger Blick auf gescheiterte Projekte

10.12.2010
Hans Magnus Enzensberger hat schon früh gewusst, wie der Hase läuft. Er hat sich unmerklich gehäutet, wurde vom Autor zum Produzent, als noch kaum jemand ahnte, dass dies die Zukunft sein würde. Er produziert und produziert, und im Gefolge seines 80. Geburtstags im Jahr 2009 erscheinen Bücher quasi im Minutentakt.
Hier ist nun eines, in dem er über sein Produktionsprinzip so bereitwillig, verschmitzt und mit Hintergedanken Auskunft gibt wie nirgendwo sonst. "Meine Lieblingsflops", das ist schon vom Titel her etwas, was dem Literaturbetrieb Zucker gibt, aber während er dem mit vielen Details und Betriebsinformationen Vorschub leistet, verbirgt er sich schon wieder hinter etwas, was als Fiktion gar nicht erkennbar ist.

Die Idee ist bestechend: Ein älterer Herr, der die Literaturgeschichte der Bundesrepublik geprägt hat wie wenige sonst, gibt Einblick in die Projekte, die als gescheitert anzusehen sind. Enzensberger erzählt von den Umständen, von den Gründen, warum es nicht klappte, und gibt Geheimnisse von Autorschaft, Kommerz und Unternehmertum im Kulturmilieu preis, wie man sie so selten erhält.

Er unterscheidet fein säuberlich zwischen Kino-Flops, Opern-Flops, Theater-Flops, literarischen Flops und verlegerischen Flops. Und damit ist schon umrissen, dass Enzensberger immer auf den verschiedensten Hochzeiten tanzte und alles, aber auch wirklich alles ausprobierte.

Mit dem Film fängt es programmatisch an, weil in diesem Feld der Autor am allerwenigsten zählt und seine Rolle deswegen paradigmatisch wirkt. Vor allem die Fernseh-Versuche – das Medium Fernsehen ist unabdingbar für künstlerische Produktionen und deren finanzielle Absicherung im audiovisuellen Bereich – werden knapp und schlagend referiert. Ob unwiderstehlich wirkende Projekte wie "Lichtenberg" aus dem Jahr 1995, "Humboldt" aus dem Jahr 2007 oder "Hammerstein" aus dem Jahr 2008: Es ist klar, dass am Scheitern niemals der Autor Schuld hat. Er ist das letzte Glied in der Kette, und Enzensberger konstatiert dies nüchtern und ohne Pathos.

Ein bisschen Augenzwinkern ist dann aber doch dabei. Denn heimlich jubelt der Autor dem Buch einige Projekte unter, von denen er glaubt, dass sie doch eine größere Zukunft haben als die Rezipienten dies vermuteten. An erster Stelle ist da die "Reparatur" von Mozarts Singspiel "Zaide" zu nennen, dessen ursprüngliches Libretto den Misserfolg garantierte. Das Berliner Hebbel-Theater führte Enzensbergers Version zu einem großen Publikumserfolg, doch die "Gralshüter Mozarts", wie der Autor sie nennt, fanden daran wenig Gefallen. Aber er macht so Lust auf dieses Stück, dass wir es eigentlich sofort wieder einmal auf der Bühne sehen wollen.

Genauso wie das "Vaudeville in fünf Bildern" mit dem Titel "La Cubana", zu dem kein Geringerer als Hans Werner Henze 1975 die Musik komponierte – die Uraufführung scheiterte laut Enzensberger vor allem am Regisseur, der dies aufgrund einer lustigen Verwechslung wurde, sowie am Dirigenten. Man möchte dieses Stück sofort hören! Und so weiter, und so fort. Enzensberger hat schon immer gewusst, wie es funktioniert, und wenn er seine "Lieblings-Flops" als solche in einem Buch versammelt, werden sie unter der Hand sofort zu süffigem Lesestoff.

Besprochen von Helmut Böttiger

Hans Magnus Enzensberger: Meine Lieblings-Flops, gefolgt von einem Ideen-Magazin
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
240 Seiten, 19,90 Euro