Honorare

Sicherheitsgurt für Künstler?

Klangkunst "Alle Toten 1914", Charlotte Simon, Frieder Butzmann und Bernadette La Hengst (v.l.), Produktion am 2. März 2014 im Studio 6 Funkhaus DKultur
Bernadette La Hengst (ganz rechts) hier bei der Hörspielproduktion von "Alle Toten 1914) bei Deutschlandradio Kultur. © Deutschlandradio - Anke Beims
Von Alexander Kohlmann · 12.03.2015
Die Hamburger Konferenz "Work in Progress" fragt nach dem Wert von Kunst und fordert mehr finanzielle Sicherheit für die Urheber. Denn gerade in der Musikbranche wird es auch für etablierte Künstler schwierig, Geld zu verdienen.
Da steht sie nun, die Sängerin und Regisseurin Bernadette La Hengst und zieht Bilanz. Nach 30 Jahren Tätigkeit als freie Künstlerin müsse sie inzwischen Theaterstücke inszenieren, um Leben zu können. Denn mit Alben alleine könne man mit ihrer Art von Musik "inzwischen keine Geld mehr verdienen". Staatliche Förderung, das wäre schön, damit sie nur noch einmal im Jahr Theater machen müsse. Später singen alle gemeinsam mit ihr die Ode auf das lange im Bett liegen, am besten gar nicht aufstehen - ein schöner Zustand sei das, den sie in jungen Jahren lange Zeit exzessiv gelebt habe.
Leben als Vollzeitkünstlerin
An Bernadette La Hengst, der einzigen Vollzeitkünstlerin auf dem Podium, ließe sich exemplarisch diskutieren, ob die Kunst ein Beruf wie jeder andere ist. Und ob man die Künstler tatsächlich vor sich selbst schützen muss. Das glaubt Sören Fenner, der von Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard als jemand vorgestellt wird, der von der Kunst in den Kunst-Lobbyismus gewechselt ist und sich unter anderem in der Bewegung "Art but fair" engagiert. Dort seien ohnehin kaum echte Künstler vertreten, erklärt Fenner, "die haben nämlich gar nicht die Zeit dazu". Weil die Künstler dazu neigten, sich selbst auszubeuten und schon einmal ohne Gage zu arbeiteten, wenn ihnen das Werk wichtig sei, habe der Staat die Pflicht, sie vor sich selbst zu schützen.
"Einen Sicherheitsgurt für Künstler" fordert Fenner - und richtet sich gleich ganz konkret an die ebenfalls anwesende Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler. Die solle bitteschön nur noch Förderanträge genehmigen, die einen Mindestlohn für alle Beteiligten vorsehen. Da muss Kisseler dann doch widersprechen, es gäbe Künstler, die ihr Werk ohnehin produzieren und vermarkten würden - und lieber einen Zuschuss annehmen, als gar nichts - es sei nicht an der Politik zu definieren, von welcher Gage ein selbstständiger Künstler leben wolle.
Klagen auf hohem Niveau
Das Wort von der Qualität, die auch das Honorar bestimmt, nimmt an diesem Abend keiner in den Mund. Aber ungewollt diskutiert der IT-Spezialist und Teilzeitkünstler Florian Dohmann genau dieses brisante Thema in seinem Projekt "Schwarzmarkt". Viele verschiedene Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund malen im Projekt je ein komplett schwarzes Bild. Den Preis für die käuflichen Kunstwerke bestimmt der Stundenlohn des Malers in seinem echten Beruf. Von 18,50 Euro bis 300 Euro reicht die Spannbreite - für Kunstwerke, die alle sehr ähnlich, eben schwarz aussehen.
Ein höchst zynischer Blick auf die Wertigkeit von Kunst ist das, der die Realität gerade nicht abbildet. Denn es gibt eben doch große qualitative Unterschiede, Unterschiede, die in einem Kunstmarkt über den Preis entscheiden. Kunst ist nicht austauschbar - und nicht jedes Kunstwerk ist gleich - und käuflich zum Einheitspreis.
Mit derlei Spielchen muss sich diese Auftakt-Veranstaltung vorwerfen lassen, auf doch recht hohem Niveau zu klagen. Und dabei die wirklich wichtigen Themen aus den Augen zu verlieren. Das Marktversagen bei den Einstiegsgagen für Schauspieler zum Beispiel, die auch an staatlichen Theatern ab 1650 Euro brutto (!) Mindestgage in einer Vollzeitanstellung beschäftigt werden dürfen. Aber vielleicht kommt diese Detailarbeit ja noch - die "Work in Progress"-Konferenz hat ja noch einige Tage vor sich.
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