Hommage an den Planeten

Macht Fotografien von grandioser Schönheit und dramatischem Gewicht: Sebastião Salgado
Macht Fotografien von grandioser Schönheit und dramatischem Gewicht: Sebastião Salgado © picture alliance / dpa / Foto: Kerim Okten
13.05.2013
Acht Jahre lang reiste der brasilianische Fotograf Sebastião Salgado um die Welt, um, wie er sagt, "das Großartigste an Natur zu präsentieren, wo immer ich es fand". Es ist ihm gelungen: Sein Bildband "Genesis" versammelt atemberaubende Fotografien.
Bisher hatte er, nach eigener Aussage, immer nur ein Tier fotografiert: den Menschen. Sebastião Salgado dokumentierte etwa die Lebensbedingungen von Landbewohnern oder die kulturelle Identität von Indios. Weltberühmt wurde der brasilianische Fotograf jedoch vor allem mit seinen Langzeitprojekten über das Verschwinden von körperlicher Arbeit und über Migrationsbewegungen.

Für sein neuestes Werk zog es Salgado nun zum ersten Mal in die Natur. Desillusioniert von Krieg, Leid und Elend suchte der Fotograf die Gegenden der Welt auf, die dem "langen Arm der modernen Zivilisation" entgangen sind. "Ich wollte einfach nur das Großartigste an Natur präsentieren, wo immer ich es fand", charakterisiert Salgado seine monumentale Arbeit. Acht Jahre ist er dafür um die Welt gereist. Das Ergebnis seiner Expeditionen ist nun in weltweit stattfindenden Ausstellungen und in einem stattlichen Bildband zu sehen.

Gegliedert in fünf geografisch sortierte Kapitel und mit einem die Bildhintergründe erklärenden Beiheft, präsentiert Salgado über 500 großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien. Sie zeigen die Erde in einem ursprünglichen Zustand inklusive der dazugehörenden Tierwelt und einzelner Völker, deren Lebensformen sich seit Urzeiten nicht verändert haben. Fotografiert hat der Brasilianer Luft-, Panorama- und Detailaufnahmen – aus der Propellermaschine oder dem Fesselballon, vom Schiff oder Kanu aus oder auf langen Expeditionen zu Fuß.
Das Spektrum von "Genesis" ist enorm. Geografisch reicht es von den Polen der Erde, über Gebirge, Wüsten, Vulkanlandschaften und Urwälder bis hin zu den Meeren. Die Fauna vertreten wild lebende Tierarten wie Pinguine, Elefanten, Löwen, Affen, Echsen, Wale um nur einige zu nennen. Die Menschen, die Salgado porträtiert, gehören etwa zum Volk der Korowai in Westpapua, der Zo’é im Dschungel Brasiliens oder der Nenzen, die mit ihren Rentieren nahe des Polarkreises nomadisch leben.

Ausnahmslos alle Fotografien sind von grandioser Schönheit und dramatischem Gewicht. Salgados Arbeit setzt erfolgreich auf die – durchaus auch pathetische – Kraft kontrastreicher Schwarz-Weiß-Fotografie. So wird eine Robbengruppe auf einer sturmumpeitschten Klippe in Argentinien zum Urbild wilder Natur, Gesteinsformationen auf Madagaskar zum Inbegriff von Harmonie, und riesige Schopfbäume an einem Kratersee in Ruanda bezeugen die Erhabenheit der Natur.

Allein einige der Urvölkerporträts gleiten ins Kitschige ab. Assoziationen an das Klischee des "edlen Wilden" lassen sich kaum vermeiden angesichts anmutiger Mädchen in blätternen Hängematten oder pittoresk mit Pfeil und Bogen jagender Jünglinge. Doch sind das Ausnahmen.

Die überwiegende Mehrzahl dieser Bilder ist schlichtweg atemberaubend. Salgado ist damit nicht nur eine einmalige Hommage an den Planeten gelungen, sondern auch eine in pure Schönheit verpackte Mahnung an den modernen Menschen. Wie lange, so die den gesamten Band begleitende Frage, werden solche Gegenden, ihre Tiere, Pflanzen und Menschen noch existieren?

Besprochen von Eva Hepper

Sebastiao Salgado: Genesis
Taschen Verlag, Köln 2013
520 Seiten, 49,99 Euro


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