Holocaust

Wer zahlt für die Gedenkstätten in Polen?

Belzec in Polen
Einweihung der Holocaust-Gedenkstätte im ostpolnischen Belzec im Juni 2004 . © picture alliance / dpa / Foto: epa pap Trembecki
Von Martin Sander · 07.07.2015
Im Vernichtungslager Belzec wurden 500.000 Menschen von den Deutschen ermordet, in Sobibor mindestens 170.000. Anlässlich einer aktuellen Ausstellung im Berliner Auswärtigen Amt wurde darüber debattiert, ob Deutschland genug zum Erhalt dieser Gedenkstätten tue.
Zehn Tafeln als Kreis aufgestellt im Lichthof des Berliner Auswärtigen Amtes. Dazu hinter Vitrinenglas Gepäckmarken, Manschettenknöpfe, ein Gebetsmedaillon und weitere Ausgrabungen. Die Ausstellung unter dem Titel "Sobibor", erstellt im Auftrag des polnischen Ministers für Kultur und nationales Erbe, dient nicht nur der Information von Besuchergruppen. Sie enthält auch eine politische Botschaft: Deutschland könnte und sollte sich stärker finanziell an den Gedenkstätten der deutschen Vernichtungslager auf polnischem Boden beteiligen. "Sobibor" ist ein aktueller Fall.
Dort an der alten Bahnstation und nahe der polnisch-ukrainisch-weißrussischen Grenze, rund 250 Kilometer südöstlich von Warschau, töteten SS-Leute und ihre Helfer zwischen Frühjahr 1942 und Herbst 1943 zwischen 170.000 und 250.000 Juden. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es auf dem Terrain viele Jahre lang keine Hinweise auf den deutschen Massenmord. Heute sind vier Angestellte am Gedenkort tätig. An Besuchern mangelt es nicht, sagt der Leiter des Teams, Krzysztof Skwirowski:
"Wir müssen den Ort erhalten und irgendwie zurechtkommen. Denn hierher kommen inzwischen 27.000 Menschen im Jahr. Als ich hier mit der Arbeit begann, 1996, waren es nur 2000. Wir haben also einen sehr starken Anstieg in den letzten 20 Jahren. Man muss berücksichtigen, dass die Menschen nicht zufällig hierhin kommen, denn es gibt überhaupt keinen Zugverkehr, keine Autobusse. Der Ort liegt ganz abseits, anders als Majdanek oder Auschwitz."
Fünf Millionen Euro für neue Gedenkstätte
Heute steht auf dem Lagergelände ein Denkmal, eine riesige Betonurne, Ausstellungstafeln im Freien und ein paar Container. Demnächst beginnt der Bau einer neuen großen Gedenkstätte für rund fünf Millionen Euro. Vorher müssen noch die Archäologen ihre Arbeiten auf dem Gelände abschließen. Die deutsche Lagerleitung hatte das Lagergelände nach einem Gefangenenaufstand im Herbst 1943 hektisch dem Erdboden gleichgemacht und aufgeforstet, um die Spuren des Verbrechens zu verwischen. Erst in den 1960er-Jahren entstand hier das erste Denkmal. Ein kleines Museum, inzwischen abgerissen, kam nach der Wende hinzu. Der aktuelle Architektenentwurf sieht ein großes Museum mit Begegnungsräumen vor und versucht, bei der Gestaltung die ursprünglichen Elemente des Lagers einzubeziehen, die Massegräber zu schützen. Bei alledem wäre mehr deutsches Engagement wünschenswert, sagt Krzysztof Skwirowski:
"Im Augenblick sind Israel, die Slowakei und die Niederlande stark beteiligt. Russland hat Interesse bekundet, sich zu beteiligen. Denn es sind hier viele russische Juden umgekommen und der Anführer des Gefangenenaufstands von Sobibor war ein russischer Jude. Meiner bescheidenen Meinung nach könnte auch der deutsche Staat etwas beitragen."
Keine konkreten Zusagen
Was Deutschland für die Sobibor-Gedenkstätte tun will, ist unklar. Es gibt zwar diplomatische Bekundungen, etwas beizutragen, aber noch keine konkreten Zusagen. Für Irritationen im deutsch-polnischen Verhältnis sorgte eine Äußerung der FDP-Politikerin und damaligen Staatssekretärin Cornelia Pieper: Deutschland sei für Sobibor nicht zuständig, da keine deutschen Bürger in Sobibor ermordet wurden. Tatsächlich waren es bis zu 20.000. Im deutschen Haushalt 2015 stehen zwar im Prinzip zwei Millionen Euro für Bildungs- und Gedenkarbeit bereit. Doch wieviel davon an welche polnischen Gedenkorte gehen sollen und wofür genau, bleibt unklar.
Auch im 120 Kilometer südlich von Sobibor gelegenen ehemaligen Vernichtungslager Belzec wäre Hilfe vonnöten. Dort ließen die Nazis 1942 in nur zehn Monaten bis zu 500.000 Juden ermorden. Anders als in Sobibor entstand in Belżec kurz nach der Jahrtausendwende eine moderne Gedenkstätte mit einem schmalen Museumsbau. Vor einigen Wochen ist das Haus der ehemaligen SS-Kommandantur des Lagers von der polnischen Eisenbahn dem Warschauer Kulturministerium übergeben worden. Ein deutsches Bildungswerk und seine polnischen Partner würden hier gern an den Täterort erinnern und das Gebäude für Begegnungen herrichten. Das Nachbarland Ukraine könnte in die Bildungsarbeit einbezogen werden. Andrzej Adamek, der Gemeindevorsteher von Belżec, unterstützt die Herrichtung der ehemaligen Kommandantur als Museum und Begegnungsstätte:
"Das Vernichtungslager erdrückt unsere Ortschaft. Wenn man von Bełżec spricht, denken drei Viertel aller Menschen an das Lager. Wenn die Deutschen hier etwas tun würden, dann hätte das, wie ich glaube, eine sehr gute Resonanz in der Bevölkerung."
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