Hollywood tanzend erobert

Von Beatrix Novy · 22.06.2007
Wenn Fred Astaire tanzte, sah es leicht und mühelos aus. Dahinter stand ein ganzes Leben harter Arbeit.
Stanley Kramers Film "Das letzte Ufer" von 1959 ist eine niederschmetternde Zukunftsvision. Eine kleine Gruppe von Menschen in Australien erwartet nach einem Atomkrieg das Ende; jenseits des Meeres lebt nichts mehr, und die radioaktive Wolke kommt näher. Berühmte Schauspieler sieht man in diesem düsteren Kammerspiel, Anthony Perkins, Ava Gardner, Gregory Peck - und , man glaubt es kaum, Fred Astaire. Derselbe Fred Astaire, den die Welt singend und vor allem tanzend in Erinnerung hat, konnte also auch anders

"Kann nicht spielen","

hatte einmal ein Hollywood-Boss von ihm behauptet.

""Kann nicht singen. Dürftig. Kann ein bisschen tanzen."

Das war 1928. Fred Astaire, geboren 1899, und seine etwas ältere Schwester Adele hatten einen ersten Versuch gemacht, beim Film unterzukommen. Bühnenstars waren sie beide schon lange vorher gewesen: Adele und Frederick Austerlitz, Kinder eines österreichischen Bierbrauers und seiner amerikanischen Frau. 28 Bühnenjahre lang war Fred Astaire der Partner seiner Schwester. Als sie 1932 einen englischen Lord heiratete, blieb ihr Bruder orientierungslos zurück. 20 Jahre später, da war er längst ein Welt-Filmstar, sollte er diese Situation noch einmal in der Rolle eines aus der Mode gekommenen Tänzers nachspielen, in "The Band Wagon".

"The Band Wagon" gehörte zum Genre des Musicalfilms, dessen Aufschwung Fred Astaire den Weg bahnte und in dem er so oft sich selbst spielte: einen Berufstänzer. Der Tonfilm hatte sich gerade durchgesetzt, unter Zweifeln und Zögern, keineswegs galt er unbedingt als Fortschritt. Und gar mit Musik? Da wundert sich der Zuschauer doch, wo plötzlich das Orchester herkommt, warnte der Kritiker Rudolf Arnheim noch 1934.

Zu dieser Zeit war Fred Astaires Hollywood-Karriere, nach seinen ersten Triumphen in "Wir fliegen nach Rio" und "Die lustige Scheidung", schon im vollen Gange; für die nächsten Jahrzehnte sollte er der Vortänzer der cineastischen Welt bleiben. Warum eigentlich? Wie sah er denn aus, mit den großen Ohren und dem langen Kinn, dazu klein und zerbrechlich wirkend, kein Bild von Männlichkeit. Aber auf der Tanzfläche verwandelte er sich in pure federleichte Anmut: Seine Liebeserklärungen sprach er klugerweise mit dem Körper, alle Erotik in diesen Filmen wird getanzt, und immer, schreibt der Filmhistoriker Michael Hanisch, sieht es ungefähr so aus:

"Fred und Ginger sind allein in einem Ballsaal. Er gibt ihr zu verstehen, dass er ihr noch so viel sagen möchte. Doch sie wendet sich empört ab. Er schneidet ihr den Weg ab. Sie macht kehrt. Er tritt erneut vor sie hin."

Astaire hatte berühmte Filmpartnerinnen, die mehr oder weniger gut tanzten: Judy Garland, Paulette Goddard, Leslie Caron, Dolores del Rio, aber nur mit Ginger Rogers bildete er jenes legendäre Paar, das Federico Fellini zu seinem Film "Ginger und Fred" inspirierte

"Sie will sich wieder brüsk abwenden; da fasst er sie am Handgelenk, zum ersten Mal kreuzen sich ihre Blicke, Fred macht ein paar Tanzschritte. Wieder dreht sie sich weg, wieder fasst Fred sie an der Hand. Ganz langsam, zuerst noch widerstrebend, beginnt Ginger sich seinen Schritten anzupassen. Schließlich tanzen beide in einer idealen Harmonie zusammen."

Ginger Rogers war eine exzellente Tänzerin, aber mit Astaire hätte wohl auch eine Elefantenkuh auf dem Parkett gut ausgesehen. Seine sagenhafte elegante Lässigkeit, die Beiläufigkeit im doch präzisen Schlackern der Beine, das Gleiten, Springen und Schweben: Mitten in der großen Depression, die Amerika niederdrückte, wirbelten Astaire und seine Partnerinnen durch makellose leuchtende Kulissen, und die Massen dankten es ihnen.

"Top Hat", "Silk Stockings", "Daddy Longlegs", "Shall We Dance", "Swing Time" - Esprit und Können, der nach Hollywood emigrierte Geist aus Europa, die lässige amerikanische Ironie, alles schien sich zu verbinden in dieser federleichten Unterhaltung, der man bis heute nicht böse sein kann. Und Fred Astaire, der bis zu seinem Tod am 22. Juni 1987 ein gefeierter Star blieb, mochte sich um Theorie und Evolution seiner Kunst nicht kümmern

"Ich habe kein Verlangen, irgend jemandem zu beweisen, was Tanz sein kann. Ich habe den Tanz niemals als Entäußerung oder als ein Mittel benutzt, um mich auszudrücken. Ich tanze, das ist alles."