Hörspiel

Aus dem Literarischen Colloquium Berlin

29.10.2005
Lesung: Dzevad Karahasan
Gesprächspartner:
Ilma Rakusa und Lothar Müller
Moderation: Maike Albath

Kosmopolit, Balkanbewohner, Orientale, Mitteleuropäer, fabulierender Erzähler, Kenner der islamischen Mystik, Theatermann, Literaturdozent - der bosnische Schriftsteller Dzevad Karahasan ist nicht auf eine Eigenschaft festzulegen. Als Sohn einer gläubigen Muslimin und eines überzeugten Kommunisten 1953 im bosnisch-herzegowinischen Duvno geboren, prägt die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Welten seit jeher seine Wahrnehmung.

Jahrzehntelang war Karahasan in Sarajewo Zuhause, und in seinem arabeskenreichen Roman "Der östliche Diwan" (1993) wandte er sich der Frühzeit des Islams zu und spürte den geistigen Wurzeln seiner Heimatstadt nach. Das, was er für seine Wirklichkeit gehalten hatte, wurde durch den Ausbruch des Balkankrieges zerstört. Karahasan, als Professor an der Akademie für szenische Künste beschäftigt und mit einer Serbin verheiratet, blieb in der eingekesselten Stadt, schrieb Zeitungsartikel über die ersten serbischen Bombardierungen, half in Lazaretten und inszenierte Theaterstücke, bis er 1993 nach Deutschland floh, um von dort nach Österreich überzusiedeln.

Den Beschädigungen kam Karahasan literarisch bei: mit seinem Tagebuch einer Aussiedlung (1993), das den beginnenden Krieg eindrucksvoll dokumentierte und ihn im deutschen Sprachraum bekannt machte oder mit den Romanen "Schahrijars Ring" (1997) und "Sara und Serafina" (2000).

Im kommenden Frühjahr bringt Karahasan, der heute in Graz und Sarajewo lebt, im Insel Verlag einen neuen Roman heraus, aus dem er im Studio LCB erstmals lesen wird. Die Schriftstellerin Ilma Rakusa und der Literaturredakteur der Süddeutschen Zeitung, Lothar Müller, diskutieren mit Dzevad Karahasan über seine literarische Arbeit, den Balkan und die Verbindungen zwischen Orient und Okzident.