Historiker zu Donald Trump

"Die anderen Regierungschefs müssen reagieren"

G7-Gipfel in Kanada
G7-Gipfel in Kanada © dpa/The Canadian Press/AP
Bernd Greiner im Gespräch mit Katrin Heise · 09.06.2018
Schluss mit der Appeasement-Politik gegenüber Trump, fordert der Historiker Bernd Greiner. Denn wenn kein Widerstand geleistet würde, gehe dessen Strategie auf, so der Experte für den Kalten Krieg.
Der Historiker Bernd Greiner, ehemaliger Leiter des Berliner "Kolleg Kalter Krieg", fühlt sich beim Auftreten von US-Präsident Donald Trump an den früheren deutschen Kaiser Wilhelm II. erinnert. In den letzten 50 Jahren transatlantischer Beziehungen sieht er hingegen niemanden, "der auch nur in Rufweite des Verhaltens dieses amerikanischen Präsidenten käme", die ehemaligen Parteichefs der Sowjetunion eingeschlossen. "Da gibt es keine Referenzgröße."
Unter Trump hätten die USA alle Geschäftsgrundlagen aufgekündigt, "die über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, zum Inventar internationaler Politik gehörten, Diplomatie – also Vertragstreue, Berechenbarkeit, Einhaltung von Regeln", kritisiert Greiner. Und Trump sei nicht bereit, auch nur ein Jota von seinem Kurs abzuweichen.

"Da hilft kein gutes Zureden"

Mit der Appeasement-Politik gegenüber Trump solle insofern Schluss sein, fordert der Historiker. Denn: "Da hilft kein gutes Zureden, das hat man die letzten anderthalb Jahre auf allen möglichen Ebenen probiert, man ist damit vor die Wand gelaufen." Im Gegenteil gehe die Strategie solcher Figuren wie Trump auf, wenn ihnen kein Widerstand geleistet würde. "Jetzt ist es an der Zeit, sich ein alternatives Modell zu überlegen, an Alternativen zu arbeiten, wie diese von den Amerikanern selbst geschaffene Leerstelle gefüllt werden kann."
(uko)

Das Interview im Wortlaut:
Katrin Heise: Eigentlich, so heißt es ja immer, eine Aggressionsspirale soll nicht bedient werden. Also, wenn einer keift, nicht zurückkeifen. Emmanuel Macron, Justin Trudeau und Heiko Maas, drei Politiker, die an und für sich doch sehr gelassen immer wirken, haben jetzt aber genau was anderes gemacht, nämlich zurückgekeilt. Man hat sie selten so scharf erlebt wie in ihrer Reaktion auf Donald Trump. Jetzt wird, wie wir hören, in Kanada auf dem Gipfel wieder miteinander gesprochen.
Aber da Trump ja sehr wahrscheinlich weiter verfahren wird unter der Überschrift "America first" und immer nur mit Blick auf die eigene Wählerschaft, sich an Abmachungen nicht halten wird und im Ton, ja, häufig den Twitter-Nachrichten angepasst ist, ist die Frage: Wie soll reagiert werden? Wie umgehen mit Donald Trump? Das frage ich jetzt den Historiker und Politikwissenschaftler Bernd Greiner, langjähriger Mitarbeiter im Kolleg Kalter Krieg. Schönen guten Morgen, Herr Greiner!
Bernd Greiner: Guten Morgen, Frau Heise!
Heise: Blieb oder bleibt eigentlich den anderen Regierungschefs nichts anderes übrig, als sich auch dem Kampfmodus anzuschließen?
Greiner: Also, sie müssen reagieren, das ist das erste. Die Frage, die Sie stellen, ist berechtigt, aber ich halte den Begriff des Kampfmodus für deplatziert, weil das, was Macron und andere gemacht haben, ist um Grunde genommen, klar sich zu positionieren. Sie haben sich im Unterschied zu Trump nicht auf dieses Niveau begeben, internationale Diplomatie zu einer Arena zu erklären, wo nur der Stärkere gewinnt. Sie haben ihre Positionen markiert, dass sie bis hierhin und nicht weiter mit ihm zu gehen bereit sind. Aber das ist etwas anderes, als diese Bully-Rhetorik von Herrn Trump sich zu eigen zu machen – das war schon mal ein Vorteil.

Eine Weltmacht, die alle Geschäftsgrundlagen aufgekündigt hat

Heise: Sie sagen Bully-Rhetorik, manchmal hat man ja das Gefühl, dass man einer narzisstischen Persönlichkeit gar nicht anders begegnen kann, wenn man etwas erreichen will.
Greiner: Tja, das Problem ist, dass wir es hier natürlich mit internationaler Diplomatie zu tun haben und nicht mit Psychotherapie. Dass dieser Mann in letztere gehört, darüber sind wir uns, glaube ich, einig. Aber man kann ihm mit den Mitteln, die man im interpersonellen Kontakt präferiert, nicht begegnen.
Es geht hier um eine Weltmacht, die ausweislich der Politik ihres Präsidenten alle Geschäftsgrundlagen aufgekündigt hat, die über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, zum Inventar internationaler Politik gehörten, Diplomatie – also Vertragstreue, Berechenbarkeit, Einhaltung von Regeln. Er ist nicht bereit, auch nur ein Jota von diesem Kurs abzuweichen.
Da hilft kein gutes Zureden, das hat man die letzten anderthalb Jahre auf allen möglichen Ebenen probiert, man ist damit vor die Wand gelaufen. Da hilft nur, das zu reaktivieren, was er in den Staub tritt – nämlich die Regeln, die Werte westlicher Demokratien und die Regularien von Diplomatie.
Heise: Also eigentlich dann doch das Bestehen auf dem Ton, den man gewohnt ist. Denn einen anderen Ton anzuschlagen – ich habe es Kampfmodus genannt – würde ja vielleicht ja auch die Gefahr heraufbeschwören, dass sich die innerparteilichen Gegner Trumps, die sich ja auch formieren, ihm dann wiederum ihm anschließen müssen.
Greiner: Das kann sehr gut passieren, vor allen Dingen, wenn man sich anschaut, wie er seine eigene Klientel bedient, wie er genau diese Abwehrmechanismen mit seiner Rhetorik bedient – viel Feind, viel Ehr'. Seht, hier draußen sind wir von übelwollenden Protagonisten umstellt, die Amerika nur schaden möchten – deshalb America first. Von daher kann genau der von Ihnen eben beschriebene Mechanismus eintreten, dass wäre dann eben die falsche Antwort.
Die richtige Antwort ist, finde ich, wegzukommen von der Appeasement-Politik gegenüber Trump, von der Leisetreterei, und das zu tun, was Macron und Trudeau deutlich markiert haben: Jetzt ist es an der Zeit, sich ein alternatives Modell zu überlegen, an Alternativen zu arbeiten, wie diese von den Amerikanern selbst geschaffene Leerstelle gefüllt werden kann.

Trump erinnert an Wilhelm II.

Heise: Sagen Sie, bei einem Blick in die Geschichte, Sie als Experte für die Zeit des Kalten Krieges, fühlen Sie sich an irgendetwas erinnert?
Greiner: Wilhelm II. Also jetzt die Mördersysteme des 20. Jahrhunderts ausgenommen, aber wenn wir auf die letzten 50 Jahre schauen, 60 Jahre, seit Ende des Zweiten Weltkriegs, auf die transatlantischen Beziehungen, auch auf den Kalten Krieg, auch auf die damaligen Parteichefs der UDSSR – da fällt mir niemand ein, der auch nur in Rufweite des Verhaltens dieses amerikanischen Präsidenten käme.
Helmut Schmidt hat einmal gesagt, ich lasse mich in meiner Skepsis gegenüber den USA von niemandem übertrumpfen. Er hat damals Jimmy Carter im Blick gehabt, der eine erratische Politik gemacht hat, zugegeben, aber nicht diese Unberechenbarkeit an den Tag gelegt hat wie Trump. Nein, also, da gibt es keine Referenzgröße, der ist auf seine Weise einmalig, das will er auch gern sein, das hat er geschafft.
Heise: Wilhelm II. haben Sie angeführt, ist etwas daraus zu lernen? Also, Beispiel für eine aggressive Strategie, die aufgegangen ist, um so etwas einzugrenzen.
Greiner: Na ja, es ist natürlich leider immer dann aufgegangen, wenn solchen Figuren kein Widerstand begegnet sind. Dafür haben wir historische Beispiele zuhauf. Warum? Weil sie natürlich durch die Art und Weise, wie sie Politik machen, die Maßstäbe des Sagbaren und des Machbaren verschieben. Und wir beobachten ja jetzt auch schon, dass Autokraten von den Philippinen bis nach Lateinamerika ihm hinterherdackeln, weil er just das auf der großen Bühne inszeniert, was sie auch gerne tun würden, aber mangels Masse nicht tun können.

Die eigenen Maßstäbe deutlicher verteidigen

Da hilft im Grunde genommen nur eins: Dass diejenigen, die andere Maßstäbe vertreten, deutlicher werden im Verteidigen dieser eigenen Maßstäbe, und auch deutlicher werden in ihrer politischen Fantasie. Also jetzt nicht dem ewigen Gerede auf den Leim gehen, dass eine Erhöhung von Verteidigungsausgaben das Allheilmittel ist, um diese Welt zu kurieren, sondern sich mal Gedanken machen – Stichwort Macron –, wie man mit politischen Alternativmodellen zu einer Stabilisierung dieser volatilen, dieser konfliktbeladenen internationalen Situation beitragen kann.
Heise: Das also eventuell Mittel, die zu ergreifen wären, sagt Bernd Greiner, Historiker und Politikwissenschaftler, lange mit dem Kalten Krieg beschäftigt. Herr Greiner, Dankeschön für Ihre Einschätzung!
Greiner: Ich danke Ihnen, guten Morgen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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