Hilfe nur für deutsche Bedürftige?

Umstrittene Entscheidung der Essener Tafel

Ausgabestelle der Essener Tafel
Ausländer hätten die deutschen Bedürftigen verdrängt, begründet die Essener Tafel ihre Entscheidung. © picture alliance/dpa/Foto: Roland Weihrauch
Von Claudia van Laak · 23.02.2018
Die Tafel in Essen hat angekündigt, nur noch Bedürftige mit deutscher Staatsangehörigkeit neu in ihre Kartei aufzunehmen*. Es habe ein Verdrängungsprozess mit der 'deutschen Oma' stattgefunden, so die Begründung. Kritik kommt von anderen Tafeln und Politikern.
"Eine Person? / Ja… / Tomaten, Paprika…"
Ein evangelisches Gemeindehaus in Berlin-Spandau. Für einen symbolischen Betrag von 1.50 Euro geben Ehrenamtliche der Berliner Tafel Lebensmittel aus. Nur zuvor registrierte Personen erhalten etwas, sie mussten nachweisen, dass sie Hartz IV bekommen oder weniger als 900 Euro im Monat zur Verfügung haben. Eine weitere Bedingung: ein eigener Haushalt. Flüchtlinge, die in einem Heim leben und dort versorgt werden, erhalten also keine Lebensmittel.
Vor 25 Jahren gründete sich in Berlin die erste Tafel, bundesweit existieren etwa 900 solcher Initiativen, die weitgehend unabhängig voneinander arbeiten. Die Entscheidung der Essener Tafel, neue Kunden nur aufzunehmen, wenn sie eine deutsche Staatsbürgerschaft nachweisen können, sorgt nun für eine heftige Debatte.

"Die Ausländerquote liegt mittlerweile bei 75,1 Prozent"

Jörg Sartor, Vorsitzender der Essener Tafel, begründete dies im WDR so:
"Wir haben uns nach langen, langen Überlegungen dazu durchgerungen, vorübergehend nur noch deutsche Staatsbürger aufzunehmen als Kunden bei uns. Weil der Anteil oder die Ausländerquote mittlerweile bei 75,1 Prozent liegt. Und wir der Meinung sind, dass ein Verdrängungsprozess stattgefunden hat. Und unsere deutsche Oma und die alleinerziehende Mutter nicht mehr gekommen sind."
Ausländer hätten die deutschen Bedürftigen verdrängt, so begründet also die Essener Tafel ihre Entscheidung, die besonders in den sozialen Medien für Wirbel gesorgt hat. Kein Wunder, dass Vertreter der AfD diese Entscheidung gutheißen. Andere beschimpfen die Verantwortlichen der Essener Tafel als Nazis. Wieder andere fragen: Warum können nicht einfach die ausgeschlossen werden, die sich danebenbenehmen, unabhängig von ihrer Herkunft?
Wohlfahrtsverbände warnen: ein Aufnahmestopp für Ausländer sei Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten. Auch der Bundesvorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl, kritisierte die Entscheidung des Essener Vereins. Er sagte im Morgenmagazin der ARD:
"Ich sehe das als Notbremse, die ich so nicht nachvollziehen kann. Aber das ist eine Notbremse, die aufgrund der besonderen Situation in Essen passiert. Ich glaube, das sollte man nicht übertragen. Ich kann den Essenern Tafelfreunden nur empfehlen, mit der Stadt, mit der Kommune, mit anderen Verbänden zu reden, um dieses Problem möglichst schnell zu lösen. Bei uns steht die Not und die Bedürftigkeit im Vordergrund und niemals die Herkunft."

Bundesvorsitzender nimmt Essener Tafel in Schutz

So sehen es auch andere Vertreter der Tafel – die Vereine in Berlin, Köln und Düsseldorf kritisierten ihre Kollegen in Essen. Der Bundesvorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl, nimmt die Essener allerdings vor Rassismus-Vorwürfen in Schutz und sieht die Bundespolitik in der Pflicht.
"Es gibt 16 Millionen Menschen, die von Armut betroffen oder bedroht sind. Tut endlich was! Und solche Dinge, die jetzt bei der Tafel passieren, sind ein Ausdruck dafür, wie diese Diskussion in unserem Land passiert. Und ich finde es ganz schlimm, wenn das jetzt auf 60.000 ehrenamtliche Tafelmitarbeiter und Mitarbeiterinnen abgewälzt wird."
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, SPD, twitterte: Zitat: "Essen nur für Deutsche, Migranten ausgeschlossen. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter." Zitatende.
Und der Bundestagsabgeordnete der Grünen Kai Gehring teilte mit: Es widerspreche den Grundsätzen der Tafeln in Deutschland, die Essensvergabe an die Staatsangehörigkeit zu koppeln.
*An dieser Stelle haben wir eine inhaltliche Korrektur vorgenommen
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