"Herbst"

12.05.2010
Yusuf wird nach einem Hungerstreik aus dem Gefängnis entlassen. Nach zehn jahren Haft kehrt der ehemalige sozialistische Aktivist in sein Bergdorf zurück. Doch er kann sich nicht mehr einfinden in sein altes Leben und auch seine Träume und Utopien sind zerplatzt.
Der Film beginnt in einem türkischen Gefängnis. Nach einem Hungerstreik politischer Gefangener werden die Häftlinge zur Aufgabe ihres Protestes aufgefordert, dafür Entlassungen und Hafterleichterungen versprochen. Auf Anraten des Anstaltsarztes entschließt sich der schwer LungenkrankeYusuf (Onur Saylak) auf dieses Angebot einzugehen. Nach zehn Jahren Haft wird der ehemalige Student und sozialistische Aktivist nach Hause entlassen. Die lange Busfahrt bringt ihn in die Berge. Zuhause in einem kleinen Dorf, in dem nur noch die Alten wohnen, wartet seit Jahren die Mutter, sein Vater, der sein politisches Engagement immer ablehnte, ist gestorben.

Der Film erzählt mit formalistisch und wenigen ausdrucksstark eingesetzten Symbolen aber nicht über einen neuen Anfang, sondern einen Abschied. Yusuf kann sich nicht mehr einfinden, er will es auch nicht. Nie erzählt er über die Jahre im Gefängnis, wir erleben in betörend schönen Bildern, was er an Leben verpasst hat.

In glasklaren Bildern mit zauberhaftem Licht lassen Sonne und Gewitter die grandiose Berglandschaft aufscheinen. Yusuf kann sie nur noch rudimentär erleben, seine Lungen erlauben keine Anstrengung mehr. Die Klagen der Mutter über ihre jahrelangen Sorgen lasten ebenso schwer auf seiner Seele, wie die verpassten Lebenschancen seines auch politischen Jugendfreundes Mikail (Serkan Keskin).

Doch es ist nicht nur ein persönlicher Abschied. Mit nur wenigen Worten wird hier, an der ehemals hermetisch geschlossenen Grenze zwischen Ost und West, auch ein politischer Abgesang platziert. Die Ideale und Hoffnungen der jungen Sozialisten, für die sie so viele Opfer gebracht haben, sind zerschellt. Eka (Megi Kobaladze) kam aus Georgien, um als Prostituierte in der Türkei den Lebensunterhalt für ihre kleine Tochter zu verdienen. Yusuf wagt noch einmal Hoffnung, sie wird nicht eingelöst.

Nicht mitleidig, ganz auf die hervorragenden Darsteller konzentriert, sehen wir einen intimen und doch hochpolitischen Film, der die Weltenwende als Tragödie eines Menschen berührend nacherleben lässt.

Türkei, BRD 2008. Regie: Özcan Alper. Darsteller: Onur Saylak, Raife Yenigül, Megi Kobaladze, Serkan Keskin. Länge: 105 Minuten, ab 6 Jahren

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