Henry Moore im Arp-Museum

Besessen von Größe

Die Skulptur "Large reclining figure, 1984" von Henry Moore ist vor dem Arp-Museum in Remagen-Rolandseck zu sehen.
Die Skulptur "Large reclining figure, 1984" von Henry Moore ist vor dem Arp-Museum in Remagen-Rolandseck zu sehen. © picture alliance / Thomas Frey/dpa
Von Anke Petermann · 25.05.2017
Bis zu neun Meter breit und drei Meter hoch sind die Großplastiken des britischen Bildhauers Henry Moore: Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen zeigt sie aus Anlass seines zehnjährigen Bestehens unter dem Titel "Henry Moore. Vision. Creation. Obsession".
Henry Moore, ist das nicht der britische Bildhauer, an dessen liegenden Riesen-Skulpturen man sich längst satt gesehen hat? Den man als monumentale Fußgängerzonen- und Kanzleramts-Deko der Bonner Republik abgespeichert und ad acta gelegt hat?
Da muss das Arp Museum in Remagen-Rolandseck nahe Bonn schon gute Gründe bringen, warum man sich "Vision. Creation. Obsession" anschauen sollte, die Moore-Schau, die dort am Sonntag eröffnet wird und bis zum 7. Januar 2018 läuft.
Als "Reclinging Figures", liegende Figuren, kennt man seine Plastiken im öffentlichen Raum in allen Varianten. Aber Henry Moore neben Meistern der italienischen Renaissance – das ist neu. Das Arp Museum in Remagen Rolandseck präsentiert Moores kleine Bronze-Plastiken namens "Mother and Child" neben Madonnen-Darstellungen von Rossellino und Solaro aus der im Haus vorhandenen Rau-Sammlung. Kuratorin Susanne Blöcker fasst zusammen, was Moore an der italienischen Renaissance schätzt, nämlich,...
"... dass man unter die Oberfläche schaut, dass man den Menschen in seinem tiefsten Kern zu erfassen vermag, und das verkörpern die beiden für ihn, und deshalb hat er sie immer mit seinem Skizzenblock festgehalten."
Werkstatt-Einblicke zu liefern, das gelingt der Ausstellung auch, indem sie die Zeitgenossen Hans Arp und Henry Moore auf Atelierfotos zeigt, umgeben von erstaunlich ähnlichen Formen.
"Ja, hier der Dialog unter dem Titel 'Creation'" - so eröffnet Kuratorin Sarah-Lena Schuster das "Rendezvous des amis", der Freunde, die 1936 in der Internationalen Surrealismus-Ausstellung aufeinander trafen, damals besuchte der Deutsch-Franzose den Briten wohl auch in seinem Londoner Atelier. Moore faszinierten Knochen, Arp vielleicht eher Gewächse. Die Natur - Inspirationsquelle für beide. Arp war interessiert an gleichmäßigen Formen, beobachtet Sebastiano Barrassi,...
"... während Moore die Beschaffenheit, die Oberflächenstruktur der Skulpturen erforschen wollte, zum Beispiel in diesem Raum."
Der Ausstellungsleiter der Henry Moore Foundation schaut auf eine ausladende Figur, vor der er selbst klein wirkt: die "Two Piece Reclining Figure" mit ihren Schrunden und Narben auf der rauen grünlichen Oberfläche. "Obsession" heißt dieser Ausstellungsteil in Anspielung auf Moores Besessenheit von Größe. Die weitläufigen Säle im lichtdurchfluteten weißen Bau von US-Star-Architekt Richard Meier liefern – oben auf der Rheinhöhe – den Rahmen, in dem Monumentalität die volle Wirkung entfalten kann.

Fünf Tonnen Kunst pro Quadratmeter

"Diesmal haben wir das aber auf die Spitze getrieben", sagt Oliver Kornhoff, Direktor des Arp-Museums,...
"... und all die Stärken ausgespielt, die dieser Bau hat, im Innen- und im Außenbereich in den statischen Voraussetzungen, den Zuwegungen. All das ist etwas, was viele andere Häuser nicht können: Fünf Tonnen pro Quadratmeter müssen sie hier leisten. Es gibt nicht viele, die das im ersten Stock bewerkstelligen können."
Deshalb wird mit der Moore-Schau nicht nur das zehnjährige Jubiläum des anfangs umstrittenen Musemsprojekts gefeiert, sondern auch eine internationale Bewerbung abgegeben: "Size Matters" - für wen immer es auf Monumentalität ankommt, der möge Rolandseck in Betracht ziehen. Moores ausladende Liegende oder meterhohe Ovale mal innen vor einer weißen Wand statt draußen im verwirbelten Grün zu präsentieren, hat laut Barrassi folgenden Effekt.
"Man kann die formalen Qualitäten ganz für sich und ohne Ablenkung durch ein Gebäude dahinter oder eine schöne Landschaft würdigen."
Es ist auch an der Zeit, findet Museumsdirektor Kornhoff, dem großen britischen Bildhauer, der für viele zum Klischee erstarrt ist,...
"... eine neue Wirkungsmöglichkeit- und -macht, eine neue Rezeptionsmöglichkeit zu bieten. Und den tausend Mal angesehenen Moore tatsächlich durch diese noch nie in Deutschland zu sehenden und noch nie im Innenraum gezeigten Skulpturen einfach auf seine bildhauerische Qualität und nicht auf dieses vermeintliche 'Kenn' ich ja schon' zu reduzieren. Man kann Henry Moore in seiner Modernität tatsächlich hier bei uns erneut genießen."
Hier in Rolandseck, wo Henry Moore selbst einige Male war. Als seine Skulptur "Large Two Forms" 1979 vors damalige Bundeskanzleramt in Bonn gestellt wurde, ließ er sich von einem Starfotografen nicht in Bonn ablichten, sondern im Festsaal des klassizistischen Bahnhofs Rolandseck, heute Teil des Arp Museums.
Mehr zum Thema